Der Verrat

Das Lied vom moralischen Leuchtturm

Es war einmal eine Volkspartei, die sich wie ein tugendhafter Ritter auf weißem Ross durch das politische Schlachtfeld manövrierte, stets darauf bedacht, das Böse zu bekämpfen – zumindest jenes Böse, das nicht gerade nützlich war. Mit salbungsvollen Reden und christlich-sozialer Fassade versprach sie ihrem Volk die Rettung vor dem Chaos. Eines Tages jedoch stand ein Mann namens Herbert Kickl vor der Türe, das personifizierte Schreckgespenst jener, die sich selbst für aufgeklärte Mitte hielten. Ein Mann, dessen Rhetorik so messerscharf wie gefährlich war, und dessen Weltbild so düster wie ein Novembertag in Kärnten. „Mit diesem Mann“, tönte es aus den Reihen der ÖVP, „werden wir nie koalieren. Das verbietet uns unser Gewissen.“

Doch wie sich herausstellen sollte, war das Gewissen elastischer als ein Gummiband, das im Keller des Machtstrebens vergessen wurde.

Die Masken fallen

Die Geschichte der österreichischen Politik ist reich an Wendungen, aber selten gab es eine so groteske wie diese: Einst hatte die ÖVP Kickl verteufelt wie ein Dorfbewohner, der eine Hexe auf dem Scheiterhaufen sieht. Doch nun, mit einem Lächeln, das mehr an einen schlecht programmierten Algorithmus als an echte Überzeugung erinnerte, scheint man bereit, ihm den roten Teppich zum Kanzleramt auszurollen.

Die Wählertäuschung, dieses abscheuliche politische Verbrechen, das man so gern bei den anderen Parteien anprangert, hat in der ÖVP längst Tradition. Aber dies? Dies ist keine gewöhnliche Wählertäuschung. Dies ist Hochverrat – an den eigenen Prinzipien, den Wählern und, ach, lassen wir den Pathos, an der Demokratie selbst. Man sagt, die Macht korrumpiert. Aber was wir hier sehen, ist keine schleichende Korruption, sondern ein halsbrecherischer Sprint in Richtung politischer Selbstaufgabe.

Die Selbstentblößung des Opportunismus

Natürlich wird die ÖVP nicht müde, ihre Entscheidung mit wohlfeilen Phrasen zu rechtfertigen. Es gehe schließlich um Stabilität, um Verantwortung, um das Land, um den Wählerwillen – als wäre Herbert Kickl plötzlich ein Messias, der den heimischen Garten Eden zurückbringen wird, statt ein Populist, der mit einem Schaufelbagger über die liberalen Grundwerte walzt. Die Argumente der ÖVP sind dabei so durchsichtig wie die Verpackung eines Fertigsalats: Man kann die faulen Blätter dahinter förmlich sehen.

TIP:  Profit über Pietät

Es ist ein grandioses Schauspiel der politischen Akrobatik, wenn die Volkspartei sich windet, dreht und verbiegt, um ihren Schwenk zu rechtfertigen. „Wir wollen uns nicht in die Ecke drängen lassen“, tönt es. Doch in Wahrheit ist es keine Ecke, sondern ein Spiegel, vor dem sie stehen. Ein Spiegel, der erbarmungslos zeigt, wie wenig von der einstigen moralischen Integrität übrig geblieben ist.

Der Steigbügelhalter als Berufung

Man stelle sich vor: Ein Parteitag der ÖVP, wo Funktionäre feierlich einen Eid darauf schwören, Kickl niemals in den Regierungssattel zu heben. Und nun, ein paar Jahre später, halten sie ihm nicht nur den Steigbügel, sondern polieren auch noch seine Reitstiefel. Ein solches Maß an Selbstverleugnung erinnert an das berühmte Sprichwort: „Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, schließe dich ihm an.“

Doch Herbert Kickl ist kein gewöhnlicher Feind. Er ist ein Meister der Inszenierung, ein Rhetorikvirtuose, dessen Worte wie Honig für seine Anhänger und wie Gift für seine Kritiker sind. Die ÖVP, die sich selbst als Bollwerk gegen den Rechtspopulismus inszenierte, hat nun nichts Besseres zu tun, als ihm die Bühne zu bereiten. Und dabei hofft sie insgeheim, nicht allzu viel Applaus für ihn spenden zu müssen – ein Hoffnungsschimmer, der so realistisch ist wie der Wunsch, dass ein Wolf aufhört zu jagen, wenn man ihn freundlich bittet.

Das moralische Wrack im politischen Ozean

Am Ende bleibt eine Frage: Glaubt die ÖVP wirklich, dass sie mit dieser Strategie gewinnen kann? Glaubt sie, dass die Wähler nicht sehen, was hier geschieht? Der Verrat an den eigenen Prinzipien mag kurzfristig Macht sichern, aber er hinterlässt Narben – bei den Wählern, bei der Partei und bei der Demokratie. Die ÖVP hat sich selbst zum Steigbügelhalter degradiert, nicht nur für Herbert Kickl, sondern für eine politische Kultur, die immer weiter nach rechts driftet.

Doch wer den Wolf füttert, sollte sich nicht wundern, wenn er am Ende selbst verschlungen wird.

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