Der Karl, die Beate und der Andi

96 Tage Verhandlungen – Ein Land auf Urlaub

Österreich, das kleine Land im Herzen Europas, bekannt für Sachertorte, Mozartkugeln und die Kunst, politische Krisen mit der Gelassenheit eines Wiener Kaffeehausbesuchers zu betrachten, war wieder einmal auf Urlaub. Genauer gesagt: Die Regierung war es. Während die Bürger in Erwartung der nächsten Groteske die Hände in den Schoß legten, versammelten sich Karl, Beate und Andi – eine Melange aus Krawatte, Perlenkette und hochgekrempelten Hemdsärmeln – zu einer Verhandlung, die alles versprach und nichts hielt. 96 Tage lang sollten sie diskutieren, verhandeln, debattieren und… eigentlich nichts Konkretes tun. Denn warum sollte man die Dringlichkeit des Regierens verspüren, wenn man sich in der Kunst des Stillstands üben kann?

Karl, der Kanzler und das Chamäleon

Karl Nehammer, seines Zeichens Bundeskanzler und Meister des Nicht-Auffallens, trat an, um das Land zu führen. Oder besser gesagt: Es nicht gegen die Wand fahren zu lassen. Karl, ein Mann von beeindruckender Mittelmäßigkeit, hatte eine bemerkenswerte Fähigkeit entwickelt, alles und nichts gleichzeitig zu sein. Man könnte meinen, er sei der einzige Politiker, der mit einer Rede sowohl die linke als auch die rechte Hälfte eines Raumes gähnen lassen konnte – ein Talent, das in Österreich als staatsmännische Kunst gilt.

Mit einem Lächeln, das irgendwo zwischen höflichem Desinteresse und ehrlicher Erschöpfung pendelte, lud Karl Beate Meinl-Reisinger von den NEOS und Andreas Babler, den roten Hoffnungsträger der SPÖ, an den Verhandlungstisch. Es war ein Dreiergespann, das so unterschiedlich war wie Schnitzel, Sushi und Semmelknödel – und das ebenso schwer verdaulich schien.

Beate und die Suche nach Relevanz

Beate Meinl-Reisinger, die selbsternannte Reformerin aus dem Lager der NEOS, betrat die Bühne mit dem Elan einer PowerPoint-Präsentation über Steuerreformen. Beate war smart, eloquent und… erstaunlich irrelevant. Ihr Mantra: „Wir müssen die Bürokratie abbauen!“ Eine Forderung, die so unverbindlich wie ein Wiener Wetterbericht war.

Beates Problem war nicht ihre Politik, sondern ihre Hartnäckigkeit, gehört zu werden – in einer politischen Landschaft, die wie ein Stammtisch funktionierte, bei dem die lautesten Stimmen immer gewannen. Dass sie eine liberale Ökonomin war, machte sie zur Lieblingsgegnerin der Arbeiterbewegung und zur heimlichen Heldin der Unternehmer, die sich aber nie trauten, das öffentlich zuzugeben.

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Andi, der rote Ritter von gestern

Und dann war da noch Andi Babler, der „Proletarier mit Herz“, wie ihn die Boulevardpresse taufte. Andi war die Verkörperung der Nostalgie – ein Sozialist alter Schule, der davon träumte, dass Fabrikarbeiter und Studenten Hand in Hand für eine gerechtere Welt marschierten. Seine Auftritte waren eine Mischung aus Arbeiterkampf-Romantik und Karl-Marx-Zitaten, die er in jedem zweiten Satz einbaute, als wäre er auf einer nostalgischen Klassenkampf-Zeitreise.

Andis Problem war nicht seine Überzeugung, sondern die Tatsache, dass niemand mehr so recht an die Utopie glauben wollte, die er anpries. Während er von der Verstaatlichung der Energieunternehmen träumte, dachten die Österreicher eher daran, wie sie die nächste Stromrechnung bezahlen sollten.

Die Verhandlungssaga

96 Tage, 230 Pressekonferenzen und unzählige Kannen Kaffee später: Nichts. Kein Regierungsprogramm, keine bahnbrechenden Reformen – nur ein loses Sammelsurium aus Phrasen wie „Wir müssen Brücken bauen“ und „Der soziale Zusammenhalt ist wichtig“.

Karl ließ sich von Beate über Steuerreformen belehren, während Andi ihm vorwarf, ein Diener des Kapitals zu sein. Beate verdrehte die Augen, als Andi wieder einmal davon sprach, dass Österreich „von den Fesseln des Neoliberalismus“ befreit werden müsse. Und Karl? Er nickte einfach, wie ein erfahrener Schiedsrichter, der weiß, dass am Ende eh niemand zufrieden sein wird.

Der Bürger schaut zu

Währenddessen warteten die Österreicher – und warteten. Die Inflation stieg, die Krankenhäuser füllten sich, und der öffentliche Verkehr wurde teurer. Doch was soll’s? In einem Land, das es gewohnt ist, dass nichts vorwärtsgeht, war auch diese Regierungslosigkeit fast beruhigend.

„Schau, die streiten wenigstens noch“, hörte man einen Pensionisten im Kaffeehaus murmeln, während er mit einem Augenzwinkern die Zeitung faltete. In Österreich versteht man es, die Absurditäten des Lebens mit einem guten Spritzer Humor zu nehmen.

Die Rückkehr zur Normalität

Am 97. Tag trat die Regierung endlich an, ein müder Kompromiss aus leeren Versprechungen und halbherzigen Reformen. Der Karl blieb Kanzler, die Beate blieb frustriert, und der Andi blieb in der Opposition. Österreich atmete auf – nicht weil es Hoffnung auf Veränderung gab, sondern weil alles so blieb, wie es war.

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Und vielleicht ist genau das die Quintessenz dieser satirischen Tragödie: In einem Land, das von der eigenen Geschichte gelernt hat, dass jede Veränderung mit Misstrauen zu betrachten ist, ist das Fehlen einer Regierung kein Problem, sondern eine willkommene Atempause.

So bleibt Österreich ein Land der gemütlichen Stagnation – eine Republik, in der die Kunst des Stillstands zur Perfektion gebracht wurde. Und vielleicht ist das gar nicht so schlecht.

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