59.700 Euro für die Frage: Gehen Migranten ins Museum?

Der große Spardruck – und wer davon verschont bleibt

Es ist schon bemerkenswert, wie akkurat österreichische Politiker ihren Bürgern den Gürtel enger schnallen, während sie sich selbst ein maßgeschneidertes Seidenschärpchen in Maßanfertigung gönnen. Während in Kindergärten das Warmwasser rationiert wird und man sich bei der nächsten Steuerreform fragt, ob Husten bald als Luxusphänomen gilt, geht im politmedialen Komplex das große Geldausstreuen munter weiter.

Ein aktuelles Glanzlicht dieser Tradition liefert Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler – seines Zeichens Sozialist aus Berufung, Regierungsmitglied aus Gelegenheit und Auftragsvergeber aus Leidenschaft. Nicht etwa ein Infrastrukturprojekt, ein digitaler Innovationsschub oder gar ein Plan zur Wiederbelebung der Demokratie durch politische Bildung stand auf der Agenda. Nein, es musste etwas Bedeutsameres sein: Eine Studie über die kulturelle Beteiligung von Migranten.

59.700 Euro beträgt der Preis für dieses Erkenntnisabenteuer, bei dem vermutlich festgestellt werden wird, dass Migranten auch ins Theater gehen, wenn man ihnen Tickets, Babysitter und Dolmetscher stellt. Und dass sie ansonsten vielleicht lieber Shisha rauchen, Netflix schauen oder mit ihrer Familie zum Grillen in den Park gehen – also genau wie der Rest der Bevölkerung.

Die SPÖ und ihre Freunde: Eine Beziehung mit Treuegarantie

Doch so interessant die inhaltliche Frage sein mag – wesentlich aufschlussreicher ist, wer hier forscht. Der Auftrag ging – wie könnte es anders sein – an ein Institut mit guter Stallluft: die Foresight Research Hofinger GmbH, ehemals bekannt als SORA.

SORA, das war mal das Vorzeigeinstitut der Wahlsonntage, das mit erhobener Stimme und viel Sozialforschungsgestus die Hochrechnungen für den ORF präsentierte. Bis dann dummerweise ein internes Dirty-Campaigning-Dokument zur SPÖ gegen ÖVP und FPÖ an rund 800 E-Mail-Adressen ging. Das war dumm. Nicht etwa, weil man sich über negative Wahlkampftaktiken Gedanken machte – das tut man in jedem Kindergarten – sondern weil man versehentlich die Garderobe mitten auf die Straße trug und dabei splitterfasernackt dastand.

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Das Ergebnis: ORF-Ausladung, Geschäftsführer-Rücktritt, Namenswechsel. „Foresight“ heißt das Institut jetzt – weil nichts so gut über einen Rufverlust hinweghilft wie ein bisschen Zukunftsbegrifflichkeit. In Österreich funktioniert das sogar: Wer stürzt, benennt sich einfach um und erhebt sich wie ein Phoenix aus der Inseratenasche.

Und siehe da – kaum war das Institut wieder sprachlich geläutert, schon landete der nächste Auftrag auf dem Tisch. Diesmal also „kulturelle Beteiligung von Migranten“ – man kann sich das Pitch-Gespräch förmlich vorstellen:
„Herr Minister, wir haben da ein brennendes Thema…“
„Perfekt, brennend ist immer gut. Und kulturell sowieso. Und irgendwas mit Migranten klingt gleich nach Empathie mit Haltung!“
„Und 59.700 Euro wären’s.“
„Ein Schnäppchen. Wissen Sie was – machen Sie zwei Versionen. Eine fürs Parlament und eine fürs Parteibüro.“

Gegen Vetternwirtschaft hilft nur Amnesie

In anderen Ländern nennt man solche Verflechtungen „institutionalisierte Klientelpolitik“, hierzulande nennt man es „bewährte Zusammenarbeit“. Ob Mediencoaching, Studien, Analysen oder sonstige Dienstleistungen mit dem gewissen Beraterflair – es findet sich stets jemand im Umkreis der Partei, der das Richtige zum rechten Zeitpunkt zu sagen weiß.

Babler selbst steht da inzwischen wie ein ironisches Mahnmal seiner eigenen Wahlplakate da: „Ehrlich. Echt. Sozial.“ Drei Begriffe, die sich mittlerweile in einem Kabarettprogramm wohler fühlen würden als in einer Regierungserklärung. Mediencoaching von einer Agentur mit SPÖ-DNA, Aufträge an umbenannte Ex-Skandalinstitute, und das Ganze garniert mit einem moralischen Überbau, der eine Mischung aus Robin Hood und PowerPoint ist – man will fast applaudieren, wäre es nicht unser Steuergeld.

Aber das eigentliche Kabinettstückchen liegt nicht im Geldfluss. Es liegt in der Naivität, mit der man annimmt, das falle niemandem auf. Als wären wir alle kollektive Amnesiepatienten mit politischer Gesichtserkennungsschwäche. Als hätte es keine Debatte um Inseratenkorruption, keine Medienaffären und keine Skandale rund um Umfrageinstitute gegeben. Nein – es ist, als würde man sich mit Anlauf in den gleichen Fettnapf werfen, und beim Aufstehen laut rufen: „Das war doch nur ein Testlauf für den Ernstfall!“

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Kulturelle Integration – jetzt wissenschaftlich monetarisiert

Natürlich: Kulturelle Beteiligung von Migranten ist ein wichtiges Thema. Es gibt tatsächlich gute Gründe, sich damit wissenschaftlich auseinanderzusetzen – allerdings nicht als Prestigeprojekt mit Preisetikett und Parteibuch. Schon gar nicht dann, wenn das Ganze wirkt wie ein karitativer Wiedereingliederungsversuch für angeschlagene Freundesnetzwerke.

Denn was kommt am Ende dabei heraus? Vielleicht eine Tabelle mit Museumsbesuchshäufigkeit. Eine Grafik, die zeigt, dass Migranten, die arbeiten, studieren und Steuern zahlen, auch ins Theater gehen. Oder die erschütternde Erkenntnis, dass kulturelle Teilhabe in erster Linie etwas mit sozialer Teilhabe zu tun hat – was man auch durch einen Nachmittag im Gemeindebau hätte eruieren können. Kostenlos.

Aber gut, 59.700 Euro sichern zumindest, dass das Ergebnis hübsch gelayoutet ist und drei PowerPoint-Charts enthält, die man bei der nächsten integrationspolitischen Pressekonferenz medienwirksam präsentieren kann. Inhaltlich ist es zwar meist dünner als ein Fairtrade-Latte im Regierungscafé, aber darum geht es ja auch gar nicht. Es geht um Sichtbarkeit. Und Sichtbarkeit kostet eben.

Fazit: Der Kulturbegriff als Umweg zur Subvention

Man könnte sich über all das maßlos aufregen – oder es einfach als das betrachten, was es wirklich ist: eine Inszenierung in der großen Oper des österreichischen Politbetriebs. Eine Arie der scheinheiligen Tugend, finanziert vom Steuerzahler, einstudiert vom Parteiapparat, aufgeführt im Theater der Absurditäten.

Und wenn Sie das nächste Mal beim Amtsweg gebeten werden, doppelt zu unterschreiben, ihre Unterlagen in dreifacher Ausfertigung zu bringen und 8 Wochen auf Antwort zu warten – denken Sie daran: Die Republik hat gerade Wichtigeres zu tun. Sie muss herausfinden, ob Herr Mustafa aus Favoriten lieber Kabarett oder Kabap mag. Für 59.700 Euro.

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