
Ein Liebesbrief an die grenzenlose Kreativität der Gewinnmaximierung
Da ist der Kapitalismus, da will ich hin
Manchmal muss man sich fragen, ob der Kapitalismus eigentlich eine große Reality-Show ist, bei der wir alle nur Statisten in einer grotesken Inszenierung des Profits sind. Die jüngsten Eskapaden von KTM und ihrer Muttergesellschaft Pierer Mobility AG liefern jedenfalls genug Stoff für eine solche Sendung: Stellenabbau trotz Millionengewinnen, Dividenden in den Himmel, während Arbeiter vor die Tür gesetzt werden, und staatliche Hilfen, die anscheinend weniger zur Rettung von Arbeitsplätzen als zur Finanzierung der Yachten von Aktionären gedacht sind. Bravo, Stefan Pierer! So sieht modernes Unternehmertum aus.
Mit jeder Schlagzeile wird deutlicher: Der Kapitalismus ist nicht nur ein System, er ist eine Kunstform – und KTM ein Meisterwerk. Stellen wir uns also dem großen Gemälde dieses Dramas, mit seinen saftigen Farben von Gier und Ignoranz, seinen subtilen Schattierungen von Scheinheiligkeit und seinen prächtigen Strichen des „Nach-uns-die-Sintflut“-Denkens.
Wir haben keine Jobs, aber dafür Dividenden
Es ist eine Geschichte, die der Kapitalismus immer wieder gerne erzählt: Ein Unternehmen fährt Rekordgewinne ein, dann kommt die Krise, und plötzlich müssen „harte Entscheidungen“ getroffen werden. KTM hat diese Kunst perfektioniert.
Trotz einer Überproduktion, die so gewaltig ist, dass die Lagerhallen des Unternehmens inzwischen als touristische Attraktion dienen könnten, und Schulden, die sich in nur zwei Jahren verfünffacht haben, denkt Pierer Mobility nicht daran, ihre Aktionär hungern zu lassen. Schließlich, so die unausgesprochene Logik: Wenn schon jemand leiden muss, warum dann ausgerechnet diejenigen, die das Geld haben?
Die Rechnung ist einfach:
- Schulden aufhäufen, weil der Markt kleiner ist als die eigenen Produktionsziele.
- Mitarbeiterentlassen, um Kosten zu sparen – sie sind schließlich die austauschbarste Ressource.
- Staatliche Hilfen kassieren, weil das ja irgendwie Arbeitsplätze retten soll.
- Dividenden ausschütten, weil das Vertrauen der Aktionäre wichtiger ist als das Wohlergehen der Arbeiter.
Das Beste daran? Niemand schert sich ernsthaft. Solange die Schlagzeilen beim Frühstückskaffee für ein müdes Kopfschütteln sorgen und nicht für einen Generalstreik, läuft alles wie geschmiert.
Die Eleganz des Subventionsdoppelschlags
Ein besonders beeindruckender Trick im kapitalistischen Zauberkasten ist die gleichzeitige Annahme von staatlichen Hilfen und die Auszahlung von Dividenden. Es ist, als würde ein marodes Gebäude mit Steuergeldern gestützt, nur damit die Eigentümer im Penthouse Champagner trinken können. KTM hat diese Disziplin perfektioniert: Während Millionen an Kurzarbeitsgeld flossen, flossen auch Millionen in die Taschen der Aktionär.
Es ist eine wunderschöne Choreografie von öffentlichem Geld, das in private Hände wandert. Stefan Pierer, Hauptaktionär und oberster Kapitalismus-Virtuose, sah alleine sieben Millionen Euro auf seinem Konto landen – genug, um sich die Krise ganz bequem aus sicherer Entfernung anzuschauen.
Natürlich könnte man argumentieren, dass diese Praktiken unmoralisch sind, aber das wäre zu kurz gedacht. Moral ist schließlich ein Luxus, den sich nur diejenigen leisten können, die keine Aktionäre sind.
Arbeitsplätze? Ein netter Gedanke, aber …
Wenn es nach Unternehmen wie KTM geht, sind Arbeitsplätze ein romantisches Relikt aus einer vergangenen Zeit. Sicher, die Produktion benötigt immer noch Menschen, aber warum sollte man sie behalten, wenn Roboter keine Löhne fordern? Und wenn man schon dabei ist, kann man auch gleich die restlichen Mitarbeiter rausschmeißen und mit staatlichen Geldern die Übergangsphase finanzieren – perfekt.
Dass dabei ganze Familien in wirtschaftliche Unsicherheit gestürzt werden, ist bedauerlich, aber kein Grund zur Sorge. Schließlich gibt es ja Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, bezahlt von denselben Steuerzahler, deren Geld zuvor in Form von Subventionen an KTM geflossen ist. Der Kapitalismus ist eben ein Kreislauf.
Der Aktienkurs als Heiligtum
Der Kapitalismus hat viele Götter, aber keiner wird so inbrünstig angebetet wie der Aktienkurs. In der Welt von KTM und Pierer Mobility bedeutet das: Egal, wie viele Existenzen zerstört werden, solange die Aktionär zufrieden sind, ist alles in bester Ordnung.
Natürlich ist die Realität ein wenig komplizierter. Der Aktienkurs von Pierer Mobility hat über 90 Prozent seines Wertes verloren – ein Umstand, den man angesichts der radikalen Rationalisierungsmaßnahmen fast als tragikomisch bezeichnen könnte. Doch das ist nur ein weiterer Beweis für die Genialität des Systems: Selbst wenn alles den Bach runtergeht, gewinnen am Ende diejenigen, die bereits alles haben.
Kapitalismus als Entertainment
Die Geschichte von KTM ist nicht nur ein wirtschaftliches Drama, sondern auch eine Art Soap-Opera. Sie hat alles, was man sich wünschen könnte: Gier, Verrat, Verzweiflung und einen Hauch von Absurdität.
Man stelle sich nur die Werbekampagne vor: „KTM – Motorräder für die Freiheit, bezahlt durch staatliche Hilfen!“ Oder: „KTM – Fahrspaß für alle, außer für unsere entlassenen Mitarbeiter !“ Und wer könnte die Hauptrollen spielen? Stefan Pierer als charismatischer Antagonist, die Aktionär als unsichtbare Drahtzieher und die entlassenen Arbeiter als tragische Helden.
Der Kapitalismus bleibt, was er ist
Die Geschichte von KTM ist kein Einzelfall, sondern ein Spiegelbild eines Systems, das auf der Ausbeutung vieler zugunsten weniger basiert. Diejenigen, die die Gewinne einstreichen, tragen selten die Lasten, während diejenigen, die die Maschinen am Laufen halten, jederzeit austauschbar sind.
Am Ende bleibt uns nur die bittere Erkenntnis: Der Kapitalismus ist keine Krise, er ist der Normalzustand. KTM ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie gut das System funktioniert – für diejenigen, die es geschaffen haben.
Aber hey, YEAHH KAPITALISMUS! Wer braucht schon soziale Gerechtigkeit, wenn man Dividenden hat?
Quellen und weiterführende Links
- Standard.at: „KTM streicht erneut Stellen trotz Dividendenzahlungen“
- Tagesschau.de: „Staatliche Hilfen für Unternehmen in der Krise: Wem nützt es wirklich?“
- Manager Magazin: „Pierer Mobility und die Kunst der Gewinnmaximierung“
- Financial Times: „European motorcycle manufacturers struggle amidst global challenges“
- Arbeiterkammer Österreich: „Analyse: Subventionen und Arbeitsplätze – ein ungleiches Verhältnis“.