
Es war einmal ein Kontinent, der sich nach zwei selbstzerstörerischen Kriegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwor, sich nie wieder in einen blutigen Taumel gegenseitiger Vernichtung zu stürzen. Es war einmal eine Gemeinschaft von Nationen, die sich nicht länger von Imperialismus, Nationalismus und sinnlosem Morden diktieren lassen wollte, wie sie ihr Dasein zu führen habe. Und es war einmal ein Volk – nein, viele Völker –, die überzeugt waren, dass Frieden nicht nur das Fehlen von Krieg, sondern das aktive Bemühen um Verständigung, Kooperation und Diplomatie bedeutet. Doch dann kam die Realität.
Und mit ihr kamen die Rüstungslobbyisten, die Strategen mit ihren Karten und Pfeilen, die Strippenzieher in dunklen Räumen, die Finanzjongleure mit ihren Aktienportfolios voller Kriegsdividenden. Plötzlich war Frieden nicht mehr so modern, nicht mehr so „realistisch“. Die Logik des Militärischen kehrte zurück – als Dauereinrichtung, als Dauerabo, von dem man sich nicht mehr abmelden konnte. Ein Verteidigungsbündnis, das einst zur Abschreckung gedacht war, wurde zu einem Schlächter, der seine eigene Existenz rechtfertigen musste, indem er neue Feinde fand oder schuf. So wurde der Krieg wieder ein probates Mittel der Politik – aber diesmal mit PR-Agenturen, Twitter-Kampagnen und medialer Inszenierung.
II. NATO: Das Bündnis, das sich selbst verteidigt – gegen den Frieden
Und da stehen wir nun. Wir, das europäische Publikum, das in den Theatersaal der Geschichte gezwungen wird, um ein Schauspiel zu erleben, das sich „Verteidigung“ nennt, aber in Wirklichkeit ein schlecht kaschierter Angriff auf jegliche Vernunft ist. Die NATO, dieses „Verteidigungsbündnis“, hat sich längst verselbstständigt. Es definiert sich nicht mehr durch das, wofür es ursprünglich geschaffen wurde – nämlich die Verteidigung –, sondern durch das, was es am besten kann: Expansion, Eskalation, Provokation.
Wer in diesem Spiel nicht mitspielt, wer auch nur andeutet, dass man vielleicht doch besser verhandeln sollte, wird als naiv, als Verräter, als „Putinversteher“ oder sonstige Absurdität diskreditiert. Es ist eine bizarre Umkehrung von Logik und Ethik: Wer für Frieden plädiert, ist verdächtig; wer Waffen fordert, ist realistisch. Diplomatie gilt als Schwäche, Eskalation als Stärke. Wir leben in einer Zeit, in der die Stärksten nicht diejenigen sind, die Konflikte lösen, sondern diejenigen, die sie weiter anheizen, weil sie davon profitieren.
Friedensnobelpreisträger mit Panzerfabrik
Man könnte fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre: Die Europäische Union, jener selbsternannte Hort von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten, wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – und investiert seither mit wachsender Begeisterung in Waffenlieferungen und Aufrüstung. Man könnte es Ironie nennen, wäre es nicht vielmehr ein zynischer Treppenwitz der Geschichte. Während europäische Politiker in Sonntagsreden das Hohelied der Verständigung singen, unterschreiben sie montags neue Rüstungsdeals und genehmigen „defensive“ Waffenexporte in Krisengebiete. Es ist, als würde ein Feuerwehrmann stolz verkünden, dass er neue Benzinkanister gekauft hat, um noch besser Brände löschen zu können.
Europa hat sich entschieden – oder wurde entschieden. Man will kein friedensstiftender Faktor mehr sein, sondern ein „ernstzunehmender sicherheitspolitischer Akteur“. Das bedeutet in der Praxis: Mehr Geld für Waffen, mehr Militärbasen, mehr Drohgebärden. Die Wehrpflicht wird diskutiert, Kriegsrhetorik normalisiert. Der Gedanke, dass Europas Sicherheit vielleicht besser durch Diplomatie als durch Panzerbataillone gewahrt wird, ist nicht mehr opportun. Der industrielle Komplex der Rüstungsindustrie dankt es mit steigenden Aktienkursen.
Raus aus der Spirale – ein Plädoyer für echten Frieden
Es wäre so einfach. Man könnte, statt sich weiter in eine Spirale aus Angst, Aggression und Gewalt zu begeben, einfach an einem Strang ziehen und Alternativen suchen. Man könnte aufhören, sich von den Profiteuren des Krieges manipulieren zu lassen. Man könnte endlich ein Europa erschaffen, das seiner eigenen Erzählung gerecht wird: ein Kontinent der Verständigung, nicht der Konfrontation.
Aber dafür müsste man den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen. Den Mut, gegen die Narrative der ewigen Bedrohung aufzustehen. Den Mut, sich nicht länger von den Sirenengesängen der Militaristen einlullen zu lassen. Denn eines ist sicher: Die „NA(h)TO(d)-Erfahrung“, die einige für unausweichlich halten, ist keineswegs eine Naturgewalt. Sie ist eine menschengemachte Katastrophe, die verhindert werden kann – wenn wir uns nicht länger von denen täuschen lassen, die behaupten, Frieden ließe sich nur durch Krieg sichern.
Europa, entrüste dich! Denn nur ein entwaffnetes Europa kann ein friedliches Europa sein.