Wie man ein Land mit Tinte unterwirft

Es war einmal, in einem Land, das sich seiner Geschichte rühmte und seiner Zukunft fürchtete, ein Dokument, das mit einer einzigen Unterschrift ein ganzes Volk von der Last der Demokratie befreite. Es war ein Dokument, das den wenigen Erleuchteten die Verantwortung aufbürdete, während die vielen Unwissenden erleichtert aufatmen durften. Schließlich, so sagte man sich, war die Demokratie nichts als eine lästige Fußfessel für jene, die schneller laufen wollten als der Rest.

Man sollte meinen, dass eine solch gravierende Veränderung der politischen Landschaft von lauten Debatten, harten Auseinandersetzungen und intellektuellen Kämpfen begleitet worden wäre. Aber nein, nichts dergleichen. Ein federleichter Federstrich genügte – und schon wurde die Geschichte von einem Parlament, das den eigenen Untergang in Gesetzesform goss, fortan nur noch von Historikern diskutiert, die mit weinerlichem Unterton fragten: „Wie konnte das nur geschehen?“.

Dabei war die Antwort denkbar einfach: Es geschah so, wie immer alles geschieht. Die einen wollten es, die anderen fürchteten sich davor, und die meisten waren zu bequem, um es zu verhindern. Die Worte klangen doch so vernünftig, die Argumente so zwingend, und die Alternativen – gab es die überhaupt? „Ein Notstand“, so hieß es. Und wenn es um Notstände geht, dann hat Vernunft immer Pause.

Die Kunst des Regierens mit leeren Händen

Nun, da die Formalitäten erledigt waren und der Stempel trocken, konnte das große Aufräumen beginnen. Und was für ein Aufräumen das war! Endlich konnte man sich der unnützen Altlasten entledigen: Meinungsfreiheit? Ein Relikt vergangener Tage. Parlamentarische Debatten? Ein Hindernis für effizientes Handeln. Rechtsstaatlichkeit? Eine überflüssige Fessel für jene, die wirklich wissen, was gut für das Volk ist.

Das Volk selbst? Ach, das war ein Kapitel für sich. Man hatte es über Jahre hinweg in dem Glauben gelassen, es könnte selbstbestimmt über sein Schicksal entscheiden. Welch ein groteskes Missverständnis! Demokratie war doch nie mehr als eine theatralische Inszenierung gewesen, ein buntes Spektakel für die Massen, die sich in der Illusion wiegten, sie hätten tatsächlich Einfluss auf das Geschehen. In Wahrheit war die Politik immer ein Spiel weniger Auserwählter gewesen, die geschickt die Fäden zogen, während das Volk mit Brotkrumen und Zirkusspielen bei Laune gehalten wurde.

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Nun also war die Maskerade beendet. Endlich konnte man regieren, ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf widerspenstige Journalisten, akademische Besserwisser oder bockige Oppositionsparteien. Endlich konnte man die großen Visionen in die Tat umsetzen, ohne sich mit lästigen Details wie Verfassungen oder Grundrechten aufzuhalten. Endlich konnte das Volk in eine strahlende Zukunft geführt werden – ob es wollte oder nicht.

Der Preis der Bequemlichkeit – Wer schweigt, stimmt zu

Die große Ironie an der ganzen Geschichte war jedoch, dass es kaum jemanden zu stören schien. Im Gegenteil, viele waren geradezu erleichtert. Endlich Schluss mit der anstrengenden Eigenverantwortung! Endlich keine Wahlen mehr, bei denen man sich zwischen Pest und Cholera entscheiden musste! Endlich klare Verhältnisse, klare Ansagen und – ach, was für ein Glück – keine Kompromisse mehr!

Natürlich gab es einige Unverbesserliche, die mahnten und warnten, die auf den Straßen protestierten oder gar versuchten, das Undenkbare zu tun: Widerstand leisten. Doch sie wurden schnell eines Besseren belehrt. Die neue Ordnung war gekommen, um zu bleiben, und wer das nicht begriff, der fand sich bald in der angenehmen Stille eines gut geführten Lagers wieder, wo er in aller Ruhe über seine Fehler nachdenken konnte.

Das Volk hingegen passte sich an. Es hatte gelernt, dass Schweigen nicht nur Gold, sondern oft auch Leben bedeutete. Und so schwieg es – aus Angst, aus Desinteresse oder schlicht aus der Einsicht, dass man gegen die Strömung nicht schwimmen kann, ohne dabei nass zu werden. Der Alltag ging weiter, der Brotpreis blieb stabil, und solange das Bier nicht teurer wurde, war die Welt in Ordnung.

Lektionen aus der Geschichte, die niemand lernen will

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich Geschichte wiederholt und wie wenig die Menschen aus ihr lernen. Die Mechanismen sind stets die gleichen, die Muster so offensichtlich, dass man glauben könnte, selbst ein Kind müsste sie erkennen. Und doch – immer wieder marschieren Gesellschaften mit offenen Augen in ihr Verderben, angeführt von charismatischen Führern, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen, während sie heimlich die Grundpfeiler der Freiheit untergraben.

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Und wenn dann eines Tages das Erwachen kommt – falls es überhaupt kommt –, dann ist das Staunen groß, die Fassungslosigkeit unermesslich. Wie konnte das geschehen? Wo waren die Warner? Warum hat niemand etwas getan? Die Antwort ist so banal wie bitter: Sie waren da, die Warner, aber niemand wollte ihnen zuhören. Und getan hat niemand etwas, weil es immer bequemer ist, nichts zu tun.

So bleibt am Ende nur eine Frage: Wird es beim nächsten Mal anders sein? Oder wird die Geschichte sich wiederholen – nicht als Farce, sondern als Tragödie? Die Antwort liegt, wie immer, in den Händen jener, die heute noch entscheiden können.

(Natürlich ging es um das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, RGBl. I S. 141, alle Ähnlichkeiten mit der heutigen Zeit wären natürlich unbeabsichtig und rein zufällig)

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