Wie die GroKo das Denken säubern will …

… – für unsere Sicherheit, versteht sich

Schutz mit Beigeschmack: Wenn „staatsferne“ Medienaufsicht plötzlich nach Staatsräson riecht

Es beginnt – wie so oft – mit einem harmlosen Satz. Ein Satz, wie man ihn sich morgens bei der Klausurtagung zum Müsli reicht: leicht verdaulich, voller guter Absicht und doch mit einer gewissen Sprengkraft im Nachgang. „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“
So steht es, schwarz auf weiß, im Koalitionsvertrag 2025 – signiert von CDU/CSU und SPD, jenen beiden Traditionsparteien, die sich nach Jahrzehnten politischer Demenz und klimaneutraler Sinnsuche nun als Verteidiger der Wahrheit inszenieren. Wahrheit – das neue Zauberwort der alten Macht. Und wie so oft, wenn Politiker „Wahrheit“ sagen, sollte man sich fragen: Wahr für wen? Und ab wann? Und wer entscheidet das?

Das klingt zunächst nachvollziehbar, ja fast beruhigend. Schließlich will niemand belogen werden. Niemand mag Falschinformationen. Niemand steht gern dumm da. Doch was hier wie ein wohliger Mantel der Aufklärung daherkommt, ist bei näherem Hinsehen nichts anderes als eine gesetzlich kodifizierte Lizenz zur Meinungslenkung.
Man mag es kaum glauben: Just jene politische Klasse, die über Jahre hinweg die Begrifflichkeiten von „Wahrheit“ und „Falschheit“ in ideologischen Schaum aufgelöst hat, beansprucht nun das Monopol auf Objektivität. Dieselben Akteure, die noch vor kurzem nicht zwischen „biologischem Geschlecht“ und „sozialer Identität“ unterscheiden wollten, wollen nun festlegen, was eine falsche Tatsachenbehauptung ist. Orwell? Gähnt. Kafka? Reicht Popcorn.

Die neue Zensur kommt im Hoodie – und mit Paragrafenschild

Natürlich, man beteuert staatsfern zu bleiben. Die Medienaufsicht soll unabhängig agieren – aber eben gesetzlich „gestärkt“. Die Meinungsfreiheit soll gewahrt bleiben – aber unter klaren gesetzlichen Vorgaben. Was klingt wie ein paradoxes Theaterstück in fünf Akten, ist der deutsche Gesetzgebungsalltag im Jahr 2025.
Man möchte die Meinungsfreiheit retten – notfalls gegen die Meinungen.
Man will die Demokratie verteidigen – durch präventive Inhaltskontrolle.
Man verspricht Neutralität – und reicht die Filterwerkzeuge direkt an jene Institutionen weiter, die seit Jahren Probleme mit neutralem Journalismus haben.

TIP:  Das perfekte Gefängnis

Dabei ist die Idee nicht neu – nur die Verpackung ist edler geworden. Was die DDR einst noch „Desinformation“ nannte – laut MfS-Definition „die bewusste Verbreitung von den Tatsachen grundsätzlich oder teilweise widersprechenden Informationen“ – heißt heute „Informationsmanipulation“. Der Unterschied: Früher kamen die Anweisungen aus der Stasi-Zentrale, heute aus dem Ethikrat, der Medienanstalt oder dem Verfassungsschutz.
Die Ästhetik hat sich gewandelt. Der Anspruch bleibt der gleiche: Kontrolle über das, was gedacht werden darf.

Das Problem mit der Wahrheit: Sie hat die Angewohnheit, unangenehm zu sein

Das fatale Missverständnis, das der neuen Wahrheitspolitik zugrunde liegt, ist die Gleichsetzung von falscher Behauptung und böser Absicht. Dabei ist Irrtum eine der kostbarsten Ressourcen freier Gesellschaften. Nur wer sich irren darf, kann lernen. Nur wer Falsches sagen darf, kann in der Diskussion zum Richtigen gelangen. Wer jedoch bereits die Möglichkeit des Irrtums kriminalisiert, beendet nicht nur das Gespräch – er ersetzt es durch eine Monokultur des moralischen Einverständnisses.
Und wie jede Monokultur ist auch diese anfällig – für Erdrutsche, Parasiten und kollektives Denkversagen.

Wie viele „falsche Tatsachenbehauptungen“ wurden später zu akzeptierten Wahrheiten? Galileo Galilei, erinnern wir uns, war ebenfalls ein Desinformationsverbreiter – nach damaliger Definition. Die Aufklärung begann nicht mit einem Wahrheitsministerium, sondern mit dem Widerspruch. Das Grundgesetz schützt Meinungen – nicht, weil alle Meinungen gut oder richtig wären, sondern weil niemand das Recht hat, sich zum Richter über Gedanken aufzuschwingen. Außer natürlich, man ist Kulturstaatsminister oder Twitterbeauftragter.

Die Hybris der Gesinnungsjuristen: Wenn aus Wahrheit eine Verwaltungsakte wird

Wem nützt das alles? Wer profitiert von einer gesetzlichen Wahrheitskontrolle?
Zunächst: Die Bürokratie. Ein neues Gesetz bedeutet neue Zuständigkeiten, neue Behörden, neue Referentenstellen mit Genderkompetenz. Dann: Die großen Plattformen. Sie können ihre Algorithmen auf staatlich abgesegnete Inhalte trimmen – inklusive digitalem Persilschein. Schließlich: Die Regierenden. Denn wer kontrolliert, was gesagt werden darf, kontrolliert auch, was gedacht wird. Und was nicht gedacht werden darf, wird irgendwann gar nicht mehr gedacht.

TIP:  Österreich im freien Fall

Der Bürger? Verliert. Nämlich die Freiheit, sich selbst ein Bild zu machen. Die Freiheit, sich auch mal zu täuschen. Die Freiheit, anderen Unsinn zuzutrauen – und ihn zu entlarven, nicht zu verbieten. Aus der Demokratie wird so ein Erziehungsapparat. Aus dem mündigen Bürger ein potenzieller Gefährder. Aus der Debatte ein kontrolliertes Meinungsaquarium mit künstlicher Beleuchtung.

Schluss mit gefährlich: Die Republik der gefilterten Gedanken

Vielleicht ist das alles gut gemeint. Vielleicht glaubt man wirklich, der Demokratie zu dienen, indem man sie vor ihren eigenen Schatten schützt. Doch die Geschichte lehrt uns: Demokratien sterben nicht an zu viel Debatte – sondern an zu wenig Vertrauen. Und sie überleben nicht durch Gesetze gegen Falschaussagen – sondern durch Menschen, die lernen, damit umzugehen.

Wenn nun also CDU und SPD gemeinsam an einem Wahrheitsgesetz basteln, das den öffentlichen Diskurs in „korrekt“ und „kriminell“ unterteilen soll, dann sollte jedem freiheitsliebenden Menschen ein eiskalter Schauer über den Rücken laufen. Es geht nicht mehr darum, was gesagt wird – sondern wer es sagen darf. Und wer entscheidet, ob es gesagt werden darf. Die Meinungsfreiheit wird nicht abgeschafft. Sie wird lediglich so lange gedeutet, bis nur noch das Sagbare gesagt werden kann.

Letzte Worte – oder: Wie man einen Gedanken erschlägt, ohne Spuren zu hinterlassen

Am Ende bleibt die alte Frage: Was unterscheidet den freiheitlichen Rechtsstaat vom autoritären? Die Antwort war einst einfach: Der freie Bürger darf auch Unsinn reden. Er darf stören. Er darf übertreiben. Er darf sich irren. Und er darf all das ohne Angst tun.

Wenn das nächste Gesetz zur Desinformationsbekämpfung diesen Grundsatz beseitigt, dann hat es seinen Zweck erfüllt: Nicht die Wahrheit zu schützen. Sondern den Zweifel zu verbieten.
Und damit beginnt die eigentliche Desinformation – vom Staat aus, gesetzlich geregelt, medienpädagogisch aufbereitet.

Wer hat’s erfunden?
Früher: Das MfS.
Heute: CDU und SPD.
Und morgen? Vielleicht das Bundesministerium für Wahrheit und Toleranz – mit Siegel.

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