Wer NAZI ruft, steht oft selbst im Wald

Es gehört heute fast schon zum guten Ton, seinem Gegenüber – vorzugsweise im Internet oder auf Demonstrationen mit bunten Pappschildern – das große N-Wort entgegenzubrüllen. Nein, nicht das eine, sondern das andere: NAZI. Es rollt leicht über die Zunge, schmeckt nach moralischer Überlegenheit und fühlt sich an wie ein geistiges Placebo, das bei jeder Form von Meinungsabweichung eingenommen wird. Und siehe da: Schon fühlt man sich wie Sophie Scholl mit WLAN.

Aber halt, einen Moment bitte! Was genau werfen wir da eigentlich rum? Wer die Nazikeule schwingt, sollte sich wenigstens einmal vergewissert haben, ob das, was er da tut, nicht in etwa so differenziert ist, wie einem Schüler der dritten Klasse „Stalin“ an den Kopf zu werfen, nur weil er bei „Mensch ärgere dich nicht“ gewonnen hat.

Denn: Wer heute anderen unterstellt, Nazi zu sein, sollte sich ehrlich fragen, ob diese Leute heute dies planen – oder irgendetwas auch nur im fernen Dunstkreis dessen. Und hier lohnt sich ein Blick auf die Hitliste der Hölle – die Greatest Hits des Dritten Reichs.

Holocaust 2.0? Wohl kaum.

Man kann es nicht anders sagen: Der Holocaust war nicht nur das brutalste, sondern auch das effizienteste Menschenschlachten der Geschichte. Es war Genozid mit Fahrplan, Völkermord mit Stempel, Ausrottung mit Durchschlagformular. Eine ganze Bürokratie versammelte sich um das Ziel, eine komplette Bevölkerungsgruppe zu vernichten – akribisch, systematisch, eiskalt. Und heute?

Heute reicht es, wenn jemand einen Tweet schreibt, der nicht sofort die korrekte Anzahl Regenbogenfarben enthält, um zum potenziellen Holocaust-Initiator erklärt zu werden. „Sprache ist Gewalt!“ hallt es aus dem Elfenbeinturm der Empörungsethik. Doch ist ein schlecht formulierter Satz wirklich gleichzusetzen mit der Rampe von Auschwitz?

Wer die Shoah in einem Atemzug mit Genderdebatten, Tempolimit oder Querdenkerdemos nennt, relativiert genau das, was er zu verteidigen vorgibt.

Angriffskrieg und globale Vernichtung: Die neue Meinungsabweichung

Der Zweite Weltkrieg – ein Werk des totalen Wahnsinns, geboren aus Größenwahn, ideologischem Irrsinn und blanker Mordlust. Über 60 Millionen Tote, ganze Länder in Trümmern, die Welt ein Friedhof. Und heute?

TIP:  DNA und das große Ganze

Heute beginnt der „neue Faschismus“ angeblich schon dann, wenn jemand gegen Waffenlieferungen nachdenkt oder bei Corona-Maßnahmen einmal fragt: „Sind wir sicher, dass das sinnvoll ist?“ Die Antwort: NEIN, du bist jetzt schon bei Stalingrad. Willkommen im Club der Wehrmachtsnostalgiker – bitte hinten anstellen, gleich neben dem Typen mit dem Bio-Hafermilch-Shaming.

Wenn jede geopolitische Diskussion gleich ein neuer Überfall auf Polen ist, dann ist bald nichts mehr kein Krieg.

Euthanasie und „Aktion T4“: Nein, dein unfreundlicher Arzt ist nicht Dr. Mengele

Die industrielle Ermordung von Menschen mit Behinderung im Nationalsozialismus war kein Akt der „Überlastung des Gesundheitssystems“, sondern Ausdruck ideologischer Entmenschlichung. Es war Mord im Namen der „Reinheit“, nicht Fehlplanung im Krankenhausbudget.

Heute aber gilt bereits ein Hinweis auf Pflegeengpässe oder die Frage, ob alles medizinisch Notwendige auch sinnvoll ist, als Einstieg in die Eugenik. Wer kritisiert, wird gleich mit dem „Lebensunwert“-Etikett versehen. Die Begrifflichkeiten werden aus ihrem Kontext gerissen, als wären sie Plastiklöffel in der Kantine der Empörung.

Ein Politiker, der die Demografie analysiert, ist nicht gleich der Reichsärzteführer.

Wer in jedem einen Nazi sieht, entlastet die echten

Die Nationalsozialisten ermordeten Menschen wegen ihrer Meinung, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität, ihrer Religion. Sie sperrten sie ein, folterten sie, töteten sie. Punkt. Und heute?

Heute reicht es, wenn jemand sagt: „Ich sehe das anders“, um gleich als „rechtsradikal“, „faschistoid“ oder – ganz kreativ – „strukturell antisemitisch“ zu gelten. Manchmal wird sogar das Wort „Nazi“ durch Begriffe ersetzt, die gerade hipper klingen: „Rechtsoffen“, „toxisch“, „problematisch“. Allesamt Begriffe, die weniger nach KZ und mehr nach Feuilleton-Abendessen in Berlin-Mitte klingen – aber trotzdem den moralischen Baseballschläger schwingen wollen.

Wer alle zum Nazi macht, tut den echten Nazis einen Gefallen. Denn wer überall das Grauen wittert, stumpft ab für das echte. Der Unterschied zwischen einer mörderischen Ideologie und einer missglückten Äußerung wird nivelliert – und damit auch der Schrecken des Originals.

TIP:  Hass und Hetzte – Dick und Doof der Wokeness

Zwangsarbeit & Menschenversuche – bitte Kontext behalten

Zwangsarbeit. Menschenversuche. Josef Mengele. Worte, bei deren bloßer Nennung sich der Magen umdreht. Und heute?

Heute werden Studien zur Maskenwirksamkeit mit KZ-Experimenten verglichen. Impfgegner sprechen von „medizinischem Faschismus“, als ob ein Piks mit Biontech dem Eisbad für Zwillingspaare gleichkäme. Man möchte ihnen zurufen: Euch hat keiner an Eisenbahnschienen gefesselt. Ihr konntet einen Aufkleber mit dem Wort „Diktatur“ auf euer SUV kleben. So sehr unterdrückt war das also nicht.

Der inflationäre NAZI-Vorwurf ist die neue Geschichtsvergessenheit

Natürlich gibt es Neonazis. Und ja, rechte Ideologien sind weiterhin eine Gefahr. Aber wenn alles Nazi ist – die Mitte, der Diskurs, der Lehrer, der falsche Witz, die falsche Meinung – dann bleibt am Ende keiner mehr übrig, der das Wort noch ernst nimmt. Und das ist brandgefährlich.

Denn das NS-Regime war keine Talkshow mit „harten Worten“. Es war Mord. Systematisch. Staatsräson. Menschenverachtung auf Gesetzesniveau. Und wenn man diesen Maßstab heute anlegt – ernsthaft –, dann sollte man ganz genau wissen, wovon man redet.

Oder man schweigt besser – bevor man zum Totengräber des historischen Gewissens wird.

Fazit in einem Satz?
Wer inflationär NAZI schreit, hat nicht verstanden, was ein Nazi war – und beleidigt damit vor allem die Opfer.

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