Von Abfall und Polizeischutz

Wenn Polemik nach hinten losgeht

Es gibt Momente im politischen Diskurs, in denen man sich fragt, ob Satire, Ironie und Provokation die eigentliche Zielscheibe ihrer eigenen Scharfschützen werden. Ein solcher Moment ereignete sich im Juni 2020, als Hengameh Yaghoobifarah, selbsternannte Non-Binäre, taz-Kolumnistin und Profi-Provozeurin, eine Glosse in die Welt setzte, die selbst für das ohnehin polemische Profil der „taz“ eine besonders steile Kurve der Grenzüberschreitung war. Der Titel „All cops are berufsunfähig“ klang zwar nach einem harmlosen Wortspiel auf das bekannte anarchistische Motto „All Cops Are Bastards“ (ACAB), doch der inhaltliche Tiefschlag gegen eine ganze Berufsgruppe sorgte für eine Welle der Empörung – ironischerweise selbst bei denen, die normalerweise der „taz“ politisch zugeneigt sind.

Stilmittel oder verbale Entgleisung

Die rhetorische Volte, die Yaghoobifarah wählte, um ihre Geringschätzung gegenüber der Polizei auszudrücken, war so schroff wie schlicht: Polizisten gehören auf den Müll. Nicht in das Gefängnis oder die psychologische Betreuung – nein, direkt auf die Deponie. „Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“

So las es sich in der Kolumne und so wurde es verstanden: eine pauschale Diffamierung von Menschen, die – man mag es als linke Aktivistin nur ungern hören – täglich für den Schutz der Ordnung und Sicherheit eintreten. Doch was wollte Yaghoobifarah damit bezwecken? War es ein Stilmittel, ein Überdruckventil des Frustes über die strukturellen Probleme bei der Polizei? Oder war es schlicht ein verbaler Ausrutscher, der in einer Spirale von Provokationen endete? Eins ist klar: Die Grenzen dessen, was unter der freien Meinungsäußerung und Satire durchgeht, wurden hier extrem gedehnt.

Die Frage, ob Polizisten als „Müll“ bezeichnet werden dürfen, kann man rechtlich in vielen Richtungen ausleuchten, doch der eigentliche Punkt ist, dass Yaghoobifarah sich mit dieser „glänzenden Idee“ selbst ein Eigentor geschossen hat. Ihr Vorwurf der „Berufsunfähigkeit“ trifft ausgerechnet auf sie selbst zurück: Was sagt es über das eigene moralische und journalistische Urteilsvermögen aus, wenn man glaubt, eine ganze Berufsgruppe öffentlich derart zu erniedrigen, ohne dass dies Folgen hat?

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Wenn die Satire den Schützengraben verlässt

Empörung gab es reichlich, und das aus allen politischen Ecken. Horst Seehofer, damaliger Bundesinnenminister, drohte mit einer Anzeige – der Konservative in ihm konnte das wohl kaum unkommentiert lassen. Seehofer erkannte schnell, dass eine Kolumne, die Polizisten als „Abfall“ bezeichnet, nicht einfach so in der Schublade „Linke Provokation“ abgelegt werden kann. Die Rede war von Volksverhetzung, einer Strafanzeige und möglichen juristischen Konsequenzen. Selbst der politisch sonst stoische Seehofer konnte sich hier ein wenig moralische Entrüstung nicht verkneifen. Doch am Ende blieb er diplomatisch und ließ die Anzeige dann doch bleiben – Gespräch statt Gericht, so seine Idee.

Interessanterweise war der Schock über den Artikel nicht nur auf der konservativen Seite zu spüren. Selbst Leser der „taz“, die üblicherweise für linke Ideologien ein offenes Ohr haben, konnten ihre Empörung nicht verbergen. Man hatte den Eindruck, dass Yaghoobifarah mit ihrer Polemik eine Grenze überschritten hatte, die viele bisher nicht in Frage gestellt hatten: Die Grenze zwischen berechtigter Kritik und menschenverachtender Diffamierung.

Es ist ein Unterschied, die Institution „Polizei“ als problematisch oder reformbedürftig zu sehen – eine Meinung, die sicherlich viele teilen – und die Menschen, die diese Institution verkörpern, als „Abfall“ zu entmenschlichen. Diese Diffamierung betraf nicht mehr das abstrakte System, sondern zielte direkt auf den Menschen, den Polizisten, der am Ende des Tages genauso wenig der „Feind“ ist, wie irgendein beliebiger Beamter im Bürgeramt.

Von Abfall zur Polizei

Das Leben hat manchmal eine hintergründige Art von Humor, die sich nicht einmal die klügsten Satiriker ausdenken könnten. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung ihrer Polemik sah sich Hengameh Yaghoobifarah plötzlich mit Drohungen konfrontiert, die sie – wie es so oft bei Provokationen geschieht – auch persönlich in Gefahr brachten. Was tat sie in ihrer Not? Sie wandte sich an eben jene Institution, die sie noch wenige Tage zuvor verbal auf die Müllhalde geworfen hatte: die Polizei.

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Man stelle sich die Szene vor: Eine Journalistin, die eben noch die moralische Überlegenheit des Anarchismus gepredigt hat, ruft in einem Anflug von plötzlicher Erkenntnis die Polizei zu Hilfe. Das mag bitter zynisch erscheinen, aber es ist ein Lehrstück der realen Widersprüche, die zwischen Selbstbild und Wirklichkeit liegen. Die Erkenntnis, dass die Polizei in Momenten realer Gefahr eine unersetzbare Rolle spielt, muss ein schmerzhafter Schlag für Yaghoobifarah gewesen sein – oder, im besten Fall, eine unerwartete Lektion über das Leben jenseits ideologischer Luftschlösser.

Und so erscheint die Polizei, die im Auftrag des Staates agiert, auf einmal gar nicht mehr so unnütz, sondern als der schützende Leviathan, der den Rechtsstaat sichert. Wer hätte das gedacht? Yaghoobifarah sicher nicht.

Die heikle Frage der Meinungsfreiheit

Die Diskussion um Yaghoobifarahs Kolumne öffnet zugleich eine alte und nie wirklich abgeschlossene Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit. Natürlich ist Satire frei, und selbstverständlich darf Kritik auch scharf sein. Aber wo endet die Meinungsfreiheit und wo beginnt die Diskriminierung? Diese Frage ist nicht nur juristisch, sondern auch ethisch komplex.

Der Artikel, der zu einem regelrechten Skandal führte, provozierte genau die Debatte, die er vermutlich beabsichtigt hatte – nur eben nicht in dem Sinne, wie es sich die Autorin gewünscht haben mag. Die Diffamierung der Polizei als „berufsunfähig“ und die Entmenschlichung einer ganzen Berufsgruppe haben eine Grenze überschritten, die nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt ist. Kritik an Polizeigewalt und Missbrauch innerhalb der Institution ist notwendig, ja, aber sie sollte sich an Fakten und nicht an grotesken Pauschalisierungen orientieren.

Man fragt sich auch, wie es zu dieser Diskrepanz zwischen dem Anspruch der „taz“, als moralische Autorität der progressiven Linken zu gelten, und der Realität einer derart geschmacklosen Polemik kommen konnte. Womöglich ist das nur ein weiterer Beweis dafür, dass der moralische Hochmut oft am tiefsten fällt.

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Der satirische Abgrund

Was bleibt von der Episode um Hengameh Yaghoobifarah und ihre Kolumne? Ein Lehrstück über die Grenzen der Satire, die Unverzichtbarkeit der Polizei – und die bittere Ironie, wenn Ideologien auf die harte Realität treffen. Die Affäre zeigt uns, dass Worte eine immense Macht haben, und dass Provokation nicht immer die klügste Form der Kritik ist. Und vor allem zeigt sie uns, dass man es sich besser zweimal überlegt, bevor man eine Berufsgruppe pauschal diffamiert, die einen vielleicht noch am nächsten Tag retten muss.

Denn in der echten Welt ist die Polizei kein „Abfall“, sondern oft die letzte Verteidigungslinie gegen echte Bedrohungen. Das mag nicht jedem gefallen – aber es bleibt eine Wahrheit, die auch die schärfsten Polemiken nicht aus der Welt schaffen können.

Quellen und weiterführende Links

  1. „taz“ – Originalartikel „All cops are berufsunfähig“
  2. Bundesministerium des Innern, Pressemitteilung: „Seehofer verzichtet auf Strafanzeige gegen taz-Kolumnistin“ (Juni 2020)
  3. FAZ.net – Debatte um Meinungsfreiheit und Satire in Deutschland
  4. Der Standard – Kommentar zur Polizeikritik und Pressefreiheit
  5. Hengameh Yaghoobifarah, „Ministerium für Träume“, Edition Nautilus, Hamburg, 2021.
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