
Der Ursprung der Welt
Es war einmal ein französischer Maler namens Gustave Courbet, der im Jahr 1866 beschloss, der Welt endlich zu zeigen, was sie angeblich so lange übersehen hatte: Schambehaarung! Oder besser gesagt, den „Ursprung der Welt“. In diesem bahnbrechenden Gemälde, das noch heute sowohl für Schockwellen als auch für staunende Stille in Museen sorgt, hielt er mit ruhiger Hand und rebellischem Geist die nackte Vulva einer Frau fest, und das in voller buschiger Pracht. Courbet wusste damals nicht, dass er damit nicht nur Kunstgeschichte schrieb, sondern auch den ersten Schuss im bis heute anhaltenden, mal mehr, mal weniger glorreichen Krieg um die Schambehaarung abfeuern würde: den „Pubic Wars“ – eine bisweilen erbitterte Schlacht um ästhetische, moralische und mediale Deutungshoheiten.
Natürlich war Courbet nicht der erste, der sich dem Thema widmete. Hans Baldungs „Der Tod und das Mädchen“ aus dem frühen 16. Jahrhundert wird von vielen als die eigentliche Initialzündung der schambehaarten Kunst gefeiert, wenn auch nicht mit der explosiven Wucht, die Courbets Werk knapp 300 Jahre später in die öffentliche Wahrnehmung brachte. Aber wo Baldung noch zaghaft andeutete, explodierte Courbet geradezu. Und so begann eine Geschichte, die bis heute fortgeschrieben wird: Eine Geschichte, in der Schamhaar nicht einfach nur ein natürlicher Teil des menschlichen Körpers ist, sondern ein Symbol für alles Mögliche – von sexueller Freiheit über Rebellion bis hin zu Peinlichkeit und Anstößigkeit.
Zwischen Buschen und Barbarei
Lange bevor Courbet seinen Pinsel schwang, erregte ein anderer Künstler, Antonio Canova, mit seinem Boxer Creugas Aufsehen. In feinster neoklassizistischer Manier meißelte Canova den muskulösen Kämpfer in Stein und, oh Wunder, der Gute hatte tatsächlich Schamhaar. Kein kunsthistorischer Donnerschlag, keine heftigen Proteste – die Römer hatten’s schließlich auch schon gehabt! Doch während Canovas männliche Schambehaarung eher beiläufig wirkte, sollte sie zu einem Politikum werden, als sie plötzlich weiblichen Körpern ins Gesicht sprang.
Denn da wäre noch der arme, naive John Ruskin, der britische Kunsthistoriker, Philosoph und Inbegriff der prüden Schicht des 19. Jahrhunderts. In einer kuriosen Episode, die uns heute gleichzeitig Mitleid und fassungsloses Lachen abverlangt, floh Ruskin in seiner Hochzeitsnacht entsetzt aus dem Ehebett, als er zum ersten Mal die Schambehaarung seiner frisch angetrauten Frau erblickte. Angeblich hatte er, man stelle sich das mal vor, nie zuvor eine Frau nackt gesehen, geschweige denn davon gehört, dass Frauen nicht nur Engel, sondern auch Haare „da unten“ haben könnten. Seine Flucht führte zur sofortigen Annullierung der Ehe und zu einem veritablen Skandal. Moral der Geschichte: Man kann Jahrzehnte als Kunstkritiker verbringen und trotzdem am wichtigsten Detail der menschlichen Anatomie scheitern.
Von kaleidoskopischen Monstern zu digitalen Merkins
Im Zeitalter der Hippies, als Blumenkränze, freie Liebe und, ja, üppige Schambehaarung das Gebot der Stunde waren, entstand eine neue Ästhetik des „natürlichen“ Körpers. Gerald Zahn, ein Wiener Medienkünstler, greift diese Ära in seiner Videoinstallation Hairy Monsters auf – eine Mischung aus Nostalgie und groteskem Humor. Er zelebriert dabei das Schamhaar als ein psychodelisches Kunstwerk für sich, indem er kaleidoskopische Spiegelungen behaarter Körperteile kreiert. Das Resultat? Seltsame, wuchernde Monster, die den Betrachter in die 60er Jahre zurückversetzen – jene goldene Zeit, in der der Kampf um die Schambehaarung vielleicht seinen Höhepunkt erreichte. Damals gab es keinen „Scham“ in der Behaarung, vielmehr war sie ein Zeichen der Freiheit, des Widerstands gegen den gesellschaftlichen Druck.
Doch wer hätte ahnen können, dass im 21. Jahrhundert die Hippie-Ästhetik digital rekonstruiert werden müsste? Als Sienna Miller in dem Film Hippie Hippie Shake die Rolle einer unkonventionellen Frau der 60er Jahre spielte, musste sie nachträglich am Computer mit digitalem Schamhaar versehen werden. Die Ironie? Die echten 60er hätten es niemals akzeptiert, dass so etwas wie „zu wenig“ Schamhaar überhaupt eine Option war. Es war die ultimative Verschmelzung von Nostalgie und Moderne: die digitale Rekonstruktion eines analogen Paradieses der Körperbehaarung.
Wenn die Realität nicht real genug ist
Noch absurder wird die Geschichte, wenn wir uns Kate Winslet und ihre legendäre Rolle in Der Vorleser ansehen. Sie, ein Superstar des modernen Kinos, wurde tatsächlich aufgefordert, ein Schamhaar-Toupet (ja, das gibt es!) zu tragen, weil die Filmemacher fanden, ihr eigenes Schamhaar sei nicht „authentisch genug“ für die Zeitperiode, in der der Film spielte. Winslet, bekannt für ihre stahlharte Integrität, verweigerte sich diesem absurden Ansinnen. Es zeigt, wie die Pubic Wars längst nicht mehr nur eine Frage von Moral und Geschmack sind, sondern auch zu einem Schlachtfeld geworden sind, auf dem Authentizität gegen das Diktat der Filmindustrie antritt.
Der ewige Krieg der Schamhaare
So absurd es klingt, aber die „Pubic Wars“ haben nie aufgehört. Von der Antike über die Renaissance, die 60er Jahre und bis hin zu unseren modernen Zeiten bleibt die Frage der Schambehaarung eine Art kulturelles Minenfeld. Sind wir frei, so behaart oder unbehaart zu sein, wie wir wollen? Oder steckt dahinter doch mehr – eine heimliche Norm, die uns von Mode, Medien und Geschichte aufgedrängt wird?
Heute kämpfen Laserkliniken, Waxing-Studios und Rasiererhersteller Seite an Seite mit Kulturpessimisten und Freiheitskämpfern um die Vorherrschaft in diesem epischen Kampf. Dabei bleibt eines sicher: Egal, auf welcher Seite man steht, die „Pubic Wars“ werden weitergeführt. Denn solange es Schambehaarung gibt – oder deren Abwesenheit – wird die Welt weiter über sie reden. Vielleicht ist das die eigentliche Lehre aus der Geschichte: Am Ende sind wir alle nur haarige Monster im Kaleidoskop der Kulturgeschichte.
Quellen und weiterführende Links
- Courbet, Gustave. Der Ursprung der Welt (1866). Musée d’Orsay, Paris.
- Canova, Antonio. Creugas (ca. 1800). Vatican Museums, Rom.
- Baldung, Hans. Der Tod und das Mädchen (ca. 1517). Kunstmuseum Basel.
- Zahn, Gerald. Hairy Monsters (2007). Videoinstallation, Wien.
- „John Ruskin and the Marriage that Never Was.“ Victorian Web, www.victorianweb.org.
- „Kate Winslet’s Pubic Hair Prosthetics.“ The Guardian, www.theguardian.com.
- „Hippie Hippie Shake: The Great CGI Pubic Hair Debate.“ Film Comment, www.filmcomment.com.