Strahlende Weihnachten

Oh du fröhliche Eskalation!

Werte Staatschefs, liebe Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, gnädige Damen und Herren der Diplomatie. Die Weihnachtszeit naht, jene Zeit des Friedens, der Besinnlichkeit und des Glühweins. Während die Kinder erwartungsvoll den ersten Schnee und den Nikolaus herbeisehnen, erwartet die Weltgemeinschaft – mit etwas weniger kindlicher Vorfreude – den nächsten Raketenangriff, die nächste Eskalation, den nächsten Game-Changer auf dem Schachbrett des globalen Wahnsinns.

Es ist ein weihnachtlicher Wettlauf geworden: Wer zündet zuerst den metaphorischen oder auch realen Weihnachtsbaum an? Werden es die Mächte des Westens mit einer neuen Waffenlieferung sein? Oder der Osten, der – ganz im Stil des Nikolaus – erneut eine Überraschung aus seinem Sack holt, diesmal vielleicht mit mehr „strahlender“ Wirkung?

Weihnachtskrippen auf dem Schlachtfeld

Es wäre eine schöne Geste, nicht wahr, einmal innezuhalten. Vielleicht sogar ein paar Weihnachtskrippen entlang der Frontlinien aufzustellen? Stellen Sie sich vor: Ein Soldat auf der ukrainischen Seite reicht einem Soldaten der russischen Armee ein Stück Christstollen. Der andere revanchiert sich mit einer Flasche Wodka. Gemeinsam singen sie Stille Nacht – die einzige Nacht, die seit Monaten tatsächlich still ist. Aber dann klingelt wieder ein Satellitentelefon, ein General brüllt, und der Frieden wird erneut von einem präzise gelenkten Artillerieschlag beendet. Aber hey, es war doch der Gedanke, der zählte, nicht wahr?

Friedrich Glasl und die Eskalation als Weihnachtsgeschenk

Nach über 100 Tagen des Schreckens wäre es nicht an der Zeit, über nichtmilitärische Lösungen nachzudenken? Friedrich Glasl, der kluge Konflikteskalationstheoretiker, hat uns doch so eindringlich gewarnt vor Stufe 9: „Gemeinsam in den Abgrund.“ Aber wer hört in diesen Zeiten schon auf kluge Köpfe? Nein, wir feiern lieber die Eskalation als höchste Form der zwischenstaatlichen Kreativität.

Es ist ja nicht so, dass uns Stufe 9 unbekannt wäre. Wir haben sie doch schon längst erreicht! Der Abgrund ist kein düsteres Tal in der Ferne mehr – wir stehen mit beiden Füßen an der Kante, umklammern uns gegenseitig und murmeln: „Wenn du springst, springe ich auch.“ Und dabei lachen wir hysterisch, denn Weihnachten, liebe Damen und Herren, steht vor der Tür.

TIP:  REARM(E) DICH, WER KANN!

Ein Fest für die Waffenindustrie

Strahlende Weihnachten wird es in jedem Fall geben. Wenn nicht in Form von nuklearen Pilzwolken, dann wenigstens in Form des warmen Glühens in den Augen der CEOs der Rüstungsindustrie. Sie sitzen am Weihnachtsabend in ihren Villen, umgeben von dampfenden Truthähnen und Champagnerflöten, und stoßen an auf das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte. Denn was wäre Weihnachten ohne ein wenig Hoffnung, ohne ein paar glänzende Zahlen auf den Konten, die das Fest der Liebe erst so richtig erstrahlen lassen?

Statisten im großen Weihnachtsdrama

Und die Zivilisten? Ach, sie sind doch die eigentlichen Helden dieser weihnachtlichen Tragikomödie. Es gibt kaum etwas, das so viel Demut inspiriert wie die Vorstellung von Menschen, die Weihnachten in Kellern verbringen, während Bomben die Festtagsdekoration vorzeitig von den Straßen fegen. Aber hey, vielleicht kommt ja eine Hilfslieferung mit Plätzchen und Kerzen – alles fair gehandelt, versteht sich. Schließlich hat die internationale Gemeinschaft ein Herz, auch wenn es manchmal aus Beton zu sein scheint.

Ein letzter Wunschzettel an die Mächtigen

Werte Staatschefs, darf ich an dieser Stelle einen Wunschzettel formulieren? Nur einen einzigen Wunsch habe ich: Hört auf, Weihnachten als Staffage für euren Wahnsinn zu benutzen. Hört auf, in Weihnachtsansprachen von Frieden und Hoffnung zu sprechen, während ihr hinter verschlossenen Türen die nächste Eskalationsstufe plant. Vielleicht, nur vielleicht, könnten wir dieses Jahr ein wenig Bescheidenheit üben. Wie wäre es, den Rüstungswettlauf für ein paar Tage auszusetzen? Vielleicht sogar für ein paar Wochen?

Nein, das ist natürlich utopisch. Aber ein bisschen Satire darf ja erlaubt sein, nicht wahr? Es ist Weihnachten, und an Weihnachten darf man träumen.


Quellen der Inspiration und weitere Gedanken

  1. Friedrich Glasl: Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. (Unverzichtbare Lektüre, auch für Staatschefs, die den Begriff „Management“ etwas zu wörtlich nehmen.)
  2. Internationale Berichte zu Rüstungsindustrie und Eskalation: Diverse Artikel aus namhaften Zeitungen und Think-Tanks.
  3. Die Weihnachtsgeschichte: Jene Erzählung, die uns erinnert, dass in einer Krippe manchmal mehr Hoffnung liegt als in einem Kriegsschauplatz.
TIP:  Wenn Raketen sprechen könnten

Frohe Weihnachten! Mögen Sie den wahren Geist dieses Festes finden – irgendwo zwischen einem Bombenkrater und einer PR-Kampagne für den nächsten Friedensgipfel.

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