Sparen gegen den „kleinen Mann“

Budgetpolitik und die systematische Disziplinierung der breiten Masse

Wenn die Regierungsbank das Wort „Sparen“ in den Mund nimmt, tönt es wie das entfernte Läuten einer Alarmglocke – gedämpft, aber unüberhörbar, und stets mit dem moralischen Nachdruck versehen, als sei dies der einzige Weg, die fragile Fassade unserer Zivilisation zu retten. Sparen ist der Flirt mit dem Chaos, sagen sie, ein ehrenwertes Opfer zugunsten des „großen Ganzen“. Doch während die Machtelite im maßgeschneiderten Zwirn diese Botschaft verkündet, bleibt der eigentliche Adressat dieses rigiden Dogmas unverhohlen klar: der „kleine Mann“. Der werktägliche Malocher, die alleinerziehende Mutter, der alte Rentner mit dem dicken Pullover auf dem schmalen Balkon. Sie sollen das Tafelsilber polieren, während die oberen Ränge sich das Dessert servieren lassen.

Es ist bemerkenswert, wie konsequent die politisch Verantwortlichen das Wort „Sparen“ immer dann in den Diskurs werfen, wenn es um Sozialleistungen geht, aber wie unnachgiebig still sie werden, sobald man in den Sphären der Unternehmensbesteuerung oder der vermögensbasierten Abgaben nachfragt. Denn Sparen ist nicht gleich Sparen. Hier spart der Staat nicht etwa, um seine Effizienz zu steigern oder um langfristig Investitionen zu finanzieren – nein, Sparen dient der symbolischen Disziplinierung der unteren Klassen. Eine Art staatlich orchestrierte Askese, während im Hintergrund die Champagnerkorken knallen.

Die unendliche Geschichte des Generationenkriegs

Man kennt das Mantra: „Die Pensionssysteme sind nicht nachhaltig.“ Diese Phrase wird mit der gleichen mechanischen Präzision wiederholt wie ein Wetterbericht im Hochsommer. Die Demografie ist schuld, heißt es. Menschen werden älter, die Jungen zu wenige, und ohnehin hätte die Nachkriegsgeneration ohnehin viel zu großzügige Vereinbarungen getroffen. All das klingt auf den ersten Blick plausibel – bis man genauer hinsieht.

Warum wird bei jeder Rentenreform fast ausschließlich an den Bezügen der unteren und mittleren Einkommensgruppen geschraubt? Warum bleibt die staatlich geförderte Kapitalrente der Besserverdienenden unangetastet? Und warum ist es ein Tabu, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich auch nur anzusprechen? Die Antwort ist simpel: Sparen im Pensionssystem ist weniger ein ökonomisches Problem als ein ideologisches Werkzeug. Es geht um die Aufrechterhaltung eines Narrativs, das da lautet: Ihr habt zu viel, wir müssen euch zügeln. Dabei verschleiern die Verantwortlichen, dass die Rentenlücke eine Folge politischer Entscheidungen ist – und nicht das Werk eines unbarmherzigen Schicksals.

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Wo der Markt regiert, stirbt der Mensch

Das Gesundheitssystem ist ein Paradebeispiel dafür, wie man aus einem öffentlichen Gut ein ökonomisches Schlachtfeld machen kann. Auf der einen Seite stehen die Bürger, die sich die Frage stellen, ob sie sich eine notwendige Behandlung leisten können. Auf der anderen Seite stehen die Lobbyisten der Pharmaindustrie und privater Krankenhäuser, die sich längst daran gewöhnt haben, dass Gesundheit ein Geschäft und kein Menschenrecht ist.

Das Mantra des Sparens hier ist nicht nur zynisch, sondern brandgefährlich. Wenn Betten abgebaut werden, medizinisches Personal überlastet ist und Patienten wochenlang auf Behandlungen warten, dann hat dies nichts mit Effizienz zu tun. Es ist der gezielte Abbau der Solidarität im Namen des Profits. Und während der „kleine Mann“ seine eigenen Pillen abstottert, triumphieren die Aktionäre in den Vorstandsetagen über Rekordgewinne. Der Markt hat gewonnen, der Mensch verloren.

Der langsame Tod der Chancengleichheit

„Bildung ist die Zukunft“, hört man aus dem Mund der Politiker, während sie mit der anderen Hand die Budgets für Schulen und Universitäten kürzen. Es ist eine merkwürdige Art von Zukunftsorientierung, die da propagiert wird. Bildung wird nicht mehr als gesellschaftliche Investition betrachtet, sondern als Kostenstelle, die man möglichst effizient betreiben muss.

Das Sparen im Bildungssektor trifft dabei nicht nur die Schüler und Studenten, sondern auch die Lehrkräfte, die in maroden Gebäuden unterrichten, mit veralteten Lehrmitteln arbeiten und für ihre Mühen selten angemessen entlohnt werden. Es ist ein System, das gezielt darauf abzielt, soziale Mobilität zu blockieren. Wer reich geboren wird, bleibt reich, und wer arm ist, bleibt arm. Denn die Bildungssysteme der Oberschicht – private Schulen, Eliteuniversitäten – bleiben von diesen Sparmaßnahmen selbstverständlich unberührt.

Die moralische Erpressung der Bedürftigen

Die Kürzung von Sozialleistungen ist der Höhepunkt der Sparpolitik gegen den „kleinen Mann“. Hier wird der Schwächste zum Sündenbock gemacht, zum faulen Nutznießer des Systems, der angeblich die fleißige Mitte belastet. Dabei verschweigen dieselben Politiker, dass die eigentlichen Kosten nicht durch Sozialtransfers entstehen, sondern durch Steuervermeidung, unfaire Subventionen und ein entfesseltes Finanzsystem.

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Man spart nicht nur Geld, man spart auch an Menschlichkeit. Wer Hilfe braucht, wird in bürokratischen Mühlen zerrieben, in Hartz-IV-ähnlichen Maßnahmen gedemütigt und mit Almosen abgespeist. Gleichzeitig wird die Gesellschaft darauf konditioniert, die Armen als Gegner zu betrachten, nicht als Mitmenschen.

Ein zynisches Ritual

Sparen gegen den „kleinen Mann“ ist keine Notwendigkeit, es ist ein Ritual. Es ist das Eingeständnis, dass die Mächtigen weder den Willen noch die Kreativität besitzen, um gerechtere Alternativen zu schaffen. Stattdessen wird ein Narrativ aufrechterhalten, das den Status quo zementiert.

Aber wehe, jemand schlägt vor, bei den wirklich großen Posten zu sparen: bei Subventionen für Großkonzerne, bei Steuererleichterungen für die Superreichen, bei den absurden Kosten des Militärapparates. Dann heißt es plötzlich, dies sei „unrealistisch“, „wirtschaftsfeindlich“ oder gar „populistisch“. Der kleine Mann darf sparen – die großen Jungs spielen weiter.

Vielleicht sollten wir alle den Gürtel enger schnallen – nicht aus finanziellen, sondern aus moralischen Gründen. Denn die Luft, die man mit diesem System atmet, wird immer dünner.

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