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Religion, Uniform und ein verweigerter Handschlag

Es ist der krönende Höhepunkt für die Kadetten der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Nach Jahren der Disziplin, des Drill und der Entbehrungen werden die jungen Männer und Frauen feierlich in den Offiziersstand erhoben, ausgestattet mit der Würde, eine der ältesten und traditionsreichsten Institutionen Österreichs zu vertreten. Man möchte meinen, dass hier jene Werte gelebt werden, die dem Bundesheer heilig sind: Kameradschaft, Loyalität, Disziplin und, natürlich, die Treue zur Republik. Doch halt! Was geschieht da? Bei den diesjährigen Ausmusterungsfeierlichkeiten fällt ein neuer Offizier aus der Formation: Statt den angebotenen Handschlag von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zu erwidern, lässt er seine Hand reglos an der Seite baumeln. Der Grund? Tanner ist eine Frau. Und, wie der junge Soldat mit stoischer Miene erklärt, seine Religion verbiete ihm den Kontakt mit Frauen. Ein Eklat war geboren.

Die Gretchenfrage der Demokratie

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ fragte einst Goethes Gretchen. Ein Gedanke, den man sich auch in Wiener Neustadt in jenen Sekunden gestellt haben dürfte. Denn die Sache scheint klar: Ein Offizier, der seinen Dienst in einer demokratischen, laizistischen Armee versieht, sollte in erster Linie der Verfassung und den Gesetzen dieses Landes verpflichtet sein. Das Bundesheer ist schließlich keine Privatarmee der religiösen Gesinnungen, keine Spielwiese für individuelle Glaubensauslegungen. Es ist eine Institution, die im Notfall das Land verteidigen soll, und zwar für alle Bürger, unabhängig von Geschlecht, Religion oder Herkunft. Das einzige Gebet, das hier zählt, ist der Eid auf die Republik. Der Handschlag, den der betreffende Kadett verweigerte, symbolisiert nicht nur den Respekt vor der Amtsträgerin, sondern vor der gesamten Institution. Doch was, wenn dieser Handschlag verweigert wird – ausgerechnet aus religiösen Gründen?

Eine Armee der Gotteskrieger

Man stelle sich die absurde Szenerie vor: Ein Bundesheer, das sich in seiner Personalpolitik so weit verbiegt, dass Offiziere aus religiösem Fundamentalismus heraus gewisse Pflichten ablehnen. Die Symbolik geht weit über den verweigerten Handschlag hinaus. Ein Soldat, der den Befehl verweigert, weil eine Frau ihn erteilt, ist nicht mehr als ein Relikt aus dunklen Zeiten, als das Patriarchat und religiöser Dogmatismus das gesellschaftliche Leben beherrschten. Welcher Befehle wird sich dieser Offizier noch verweigern? Etwa jener, der ihn anweist, eine Kommandantin oder Soldatin zu befehligen? Oder wenn er auf dem Schlachtfeld auf eine Soldatin angewiesen ist? Es ist grotesk, aber auch erschreckend realistisch, dass wir diese Fragen überhaupt stellen müssen.

TIP:  Wenn Gesinnung flöten geht und Utopien zum Marsch blasen

Wenn das Bundesheer zur Zuflucht für religiöse Eiferer wird, die das Zivilrecht dem Gottesgesetz unterstellen, dann hat der demokratische Staat bereits verloren. Der Gedanke an eine Armee, in der Befehle erst durch die persönliche Glaubensprüfung gehen müssen, bevor sie ausgeführt werden, ist mehr als nur bizarr – er ist gefährlich.

Die Laizität unter Beschuss

In Österreich pflegt man, wenn es um Religion geht, oft den Schmäh. Man lässt die Kirche – und offenbar auch die Moschee – im Dorf und lebt ansonsten sein Leben in ruhiger Koexistenz. Aber dieser Fall zeigt, dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen. Die Laizität, die Trennung von Kirche und Staat, ist eine Errungenschaft, die das Fundament der westlichen Demokratien bildet. Wenn diese Grundsätze in Frage gestellt werden – und das durch einen Offizier der Armee! – dann sollten die Alarmglocken schrillen.

Es gibt schließlich gute Gründe, warum Soldaten einer demokratischen Armee keine Kreuzzüge führen oder heilige Kriege erklären. Wenn der Soldat anfängt, sich selbst als Werkzeug einer höheren Macht zu sehen und nicht mehr als Diener des Staates, für den er einsteht, dann hat er keinen Platz in den Reihen des Heeres. SIE DÜRFEN SICH ABMELDEN, möchte man ihm zurufen. Denn wer im Glaubensbunker kauert, der hat im Bundesheer einer demokratischen Republik nichts verloren.

Der verweigerte Handschlag

Kommen wir zur eigentlichen Frage: Was genau signalisiert diese Verweigerung? Es wäre naiv, hier nur den Einzelfall zu sehen. Der verweigerte Handschlag ist nicht nur eine persönliche Entscheidung, sondern ein politisches Statement. Die Botschaft ist klar: Die religiösen Vorschriften stehen über den demokratischen Normen. Was, wenn sich weitere Kadetten diesem Beispiel anschließen? Was, wenn das Bundesheer zum Schlachtfeld für religiöse Auseinandersetzungen wird? Der österreichische Staat darf keine Sekunde zögern, hier klar Position zu beziehen. Es gibt nur zwei Optionen: Loyalität zur Republik oder die Konsequenz – Entlassung.

TIP:  Im Anfang war das Wort

Zwischen Tradition und Toleranz

Ministerin Tanner, zweifellos eine erfahrene Politikerin, schien den Vorfall mit gewohnter Gelassenheit ertragen zu haben. Aber sollte der Staat wirklich so tolerant gegenüber Intoleranz sein? Der Handschlag, diese banale Geste, ist in Wahrheit ein Eckpfeiler der zivilen und demokratischen Gesellschaft. Wenn dieser symbolische Akt aus religiösen Gründen verweigert wird, dann steht nicht nur die Gleichberechtigung auf dem Spiel, sondern die gesamte Struktur des Zusammenlebens.

Ein Offizier, der sich von einer Frau nicht die Hand schütteln lässt, wird vermutlich auch keinen Respekt vor weiblichen Vorgesetzten haben. Vielleicht folgt er Befehlen nicht, vielleicht stellt er Frauen grundsätzlich infrage. Was bedeutet das für die militärische Hierarchie, in der Gehorsam und Respekt grundlegend sind?

SIE DÜRFEN SICH ABMELDEN

Am Ende bleibt nur eines zu sagen: Es gibt keinen Platz für religiösen Fundamentalismus in einer demokratischen Armee. Der Eid, den ein Soldat auf die Republik schwört, ist ein Eid auf die Verfassung, auf die demokratischen Prinzipien und auf das Staatsrecht. Wer dies nicht akzeptieren kann, wer seine religiösen Vorstellungen über die Verfassung stellt, der hat nichts in den Reihen des Bundesheeres zu suchen. Der Skandal um den verweigerten Handschlag ist ein Weckruf für die Politik und die Militärführung: Man darf die Werte der Republik nicht verhandelbar machen.

SIE DÜRFEN SICH ABMELDEN.

Quellen und weiterführende Links:

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