Rindersteak und Regenwald

Ein Steak für alle

Es ist ein seltenes Geschenk der Bürokratie, das jedem EU-Bürger zuteilwird: Ein 200-Gramm-Rindersteak aus Südamerika, hübsch portioniert, klimafreundlich wie ein Kohlekraftwerk und so tierlieb wie ein Rodeo. Nein, dies ist keine zynische Vision, sondern der realistische Effekt des geplanten Mercosur-Abkommens. Die Rechnung ist einfach: 100.000 zusätzliche Tonnen südamerikanisches Rindfleisch für die EU bedeuten eine Fleischflut, die selbst den enthusiastischsten Barbecue-Fan an seine Grenzen bringt.

Das Paradoxe daran: Die EU, stolz auf ihre strengen Klimaziele, ihre nachhaltigen Produktionsmethoden und ihre gehobenen Tierschutzstandards, öffnet die Tore für Fleisch, das diese Prinzipien konsequent mit Hufen tritt. Es ist, als würde man sich in der Fastenzeit demonstrativ mit Schokoriegeln eindecken – und sie dann noch als „gesundheitsfördernd“ verkaufen.

Der wahre Preis des Imports

Südamerikanisches Rindfleisch hat seinen Preis, und nein, wir sprechen nicht von den erschreckend niedrigen Produktionskosten. Der wahre Preis liegt im Regenwald, der hektarweise den Weideflächen für Rinder weicht. Brasilianisches Fleisch glänzt nicht nur durch seinen 107-fach höheren CO₂-Abdruck im Vergleich zu österreichischem Rindfleisch – es trägt auch die Schuld am schwindenden Amazonas-Ökosystem.

Und doch scheint die EU die Augen vor diesen Fakten zu verschließen. Ist das Steak auf dem Teller erst einmal medium-rare gebraten, interessiert es kaum noch jemanden, ob dafür ein Stück Weltklima geopfert wurde. Vielleicht wird der Regenwald ja als nächstes zu „Premium-Sägemehl“ verarbeitet und mit dem Label „nachhaltig“ exportiert. Schließlich liebt die EU ja schöne Etiketten.

Qualität, Tierwohl und andere Märchen

„Nachhaltigkeit“, „Tierwohl“ und „Klimaschutz“: Diese Worte klingen wie die Heilige Dreifaltigkeit des europäischen Agrarwesens. Doch beim Import von Mercosur-Fleisch werden sie zu leeren Hülsen, schön gedrechselt, aber ohne Substanz. In Brasilien, wo die Produktionskosten halb so hoch sind wie in Österreich, existieren Tierschutzstandards meist nur auf dem Papier – falls überhaupt. Die EU hingegen feiert ihre eigene Regulierungswut, verlangt von heimischen Bauern, ihre Tiere quasi im Streichelzoo großzuziehen, und importiert gleichzeitig Fleisch von Rindern, die unter Bedingungen leben, die hierzulande Skandalreportagen füllen würden.

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Man könnte fast glauben, die EU hätte eine gespaltene Persönlichkeit: Während sie ihre heimischen Landwirte mit immer strengeren Auflagen gängelt, rollt sie für südamerikanische Rindersteaks den roten Teppich aus. Nachhaltigkeit? Tierwohl? Ach, das ist wohl nur wichtig, solange es die eigene Produktion betrifft.

Ein ungleiches Duell

In Österreich bestehen rund 90 % der Futtermittel in der Rindermast aus hofeigener Produktion. Ein Paradebeispiel für regionale Nachhaltigkeit, könnte man meinen. Doch Mercosur-Fleisch erzählt eine andere Geschichte: Hier dominiert Fertigfutter, produziert aus genmanipuliertem Soja, angebaut auf ehemals grünen Weiten des Regenwaldes.

Mit anderen Worten: Während heimische Landwirte mit strengen Futtermittelgesetzen kämpfen, schluckt die EU Fleisch von Rindern, die auf industriellen Feedlots heranwachsen, gefüttert mit globalisierten Nährstoff-Konglomeraten. So wird der Konsument zum indirekten Abnehmer von Fleisch, das weit entfernt von den heimischen Standards erzeugt wurde – ein brillanter Schachzug in der Kunst des moralischen Bankrotts.

Von Bauern zu Denkmalen

Im Jahr 1970 gab es in Österreich noch rund 245.000 Rinderhalter. Heute sind es nur noch etwas mehr als 51.000 – ein Rückgang, der selbst bei der EU-Statistikabteilung Stirnrunzeln auslöst. Und doch setzt man alles daran, den Prozess zu beschleunigen. Denn die österreichischen Bauern, ohnehin schon durch höhere Produktionskosten gebeutelt, können mit den Preisen südamerikanischen Fleisches nicht mithalten.

Die Konsequenz? Noch mehr Rinderbauern werden ihre Höfe aufgeben. Der Eigenversorgungsgrad, ein Eckpfeiler der Lebensmittelsicherheit, wird weiter sinken, und die Abhängigkeit von Importen mit zweifelhaften Standards wird steigen. Man stelle sich das vor: Ein Land, das für seine landwirtschaftliche Qualität bekannt ist, verabschiedet sich langsam von der Selbstversorgung und überlässt den Markt jenen, die mit billigem Fleisch Profit machen.

Bio ist auch nicht immun

Die Bio-Produktion, oft als letzter Strohhalm für nachhaltige Landwirtschaft gefeiert, ist von den Auswirkungen des Mercosur-Abkommens genauso betroffen wie die konventionelle Produktion. Denn auch Bio-Fleisch hat einen Preis – und dieser ist für viele Konsumenten zu hoch, wenn gleichzeitig südamerikanisches Fleisch zu Dumpingpreisen angeboten wird.

TIP:  Die selbstverschuldete Ohnmacht der Eliten

Die heimischen Bio-Betriebe, die mühsam an strengen Standards arbeiten, sehen sich einem Markt ausgesetzt, in dem billig vor gut geht. Nachhaltigkeit wird zur Farce, wenn der Konsument – bewusst oder unbewusst – dazu gedrängt wird, sich für die günstigere und ökologisch fragwürdigere Alternative zu entscheiden.

Ein Steak, das niemand wirklich braucht

Das Mercosur-Abkommen ist ein Paradebeispiel für die Perversion der europäischen Handelspolitik. Ein zusätzlicher 200-Gramm-Steakanteil pro Bürger mag banal erscheinen, doch die Konsequenzen sind es nicht: Regenwaldzerstörung, steigende Emissionen, gefährdete heimische Landwirtschaft und die Missachtung von Tierschutzstandards.

Es ist ein klassisches Beispiel für die Kluft zwischen politischer Rhetorik und praktischer Umsetzung. Die EU predigt Klimaschutz und Nachhaltigkeit, während sie gleichzeitig Deals abschließt, die diese Prinzipien konterkarieren. Vielleicht sollten wir uns fragen: Brauchen wir wirklich dieses zusätzliche Steak? Oder wäre es an der Zeit, unsere Prioritäten neu zu überdenken – bevor wir uns endgültig in die Abhängigkeit von Importen begeben, die alles andere als nachhaltig sind?

Weiterführende Quellen und Links

  1. Mercosur-Abkommen: Offizielle Informationen der EU
  2. Kritische Studien zur Klimabilanz von Mercosur-Fleisch
  3. Analyse zur Situation der österreichischen Landwirtschaft
  4. Tierschutzstandards im internationalen Vergleich
  5. Berichte zur Regenwaldzerstörung und ihren globalen Auswirkungen
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