Requiem auf Deutschlands Energiepolitik

Der letzte braucht das Licht nicht abzudrehen

Es war ein Montagabend, der 6. November, als der Strompreis in Deutschland beschloss, zum Kunstprojekt zu werden: „Wie hoch kannst du gehen, ohne dass jemand merkt, dass du existierst?“ Über 800 Euro pro Megawattstunde, ein Preis, der selbst die Experten der Energiewirtschaft kurz innehalten ließ – allerdings nur, um die Excel-Tabelle für den nächsten Vorstandsanruf anzupassen. „Was war das? Ein Marktfehler? Eine Anomalie?“ Nein, meine Damen und Herren, es war die kalte, nackte Wahrheit, in Kilowattstunden gemessen.

Während mancher Häuslebauer bei Kerzenschein über die Installation einer Diesel-Heizung nachdachte, ließ die deutsche Politik die Gelegenheit ungenutzt, ihren berühmten Schulterzucker zu perfektionieren. Es sei alles halb so schlimm, hieß es, die Versorgung sei ja sicher. Und wer solche Sicherheiten wie die Bundesregierung hat, braucht Feinde nicht mehr.

Normal oder nur ein schönes Wort für Strommangel

„Dunkelflauten sind normal!“ Natürlich, so normal wie ein Zahnarztbesuch: unangenehm, unvermeidlich, aber wenn man sich nicht rechtzeitig kümmert, kostet es ein Vermögen. Diese Mischung aus fehlendem Wind und spärlichem Sonnenlicht passiert nun mal im November, das ist Natur. Und trotzdem: Anstatt sich darauf vorzubereiten, hat Deutschland entschieden, dass es effizienter ist, die Natur anzumahnen.

Es scheint fast, als würde man darauf hoffen, dass die Sonne ab nächstem Jahr durch die Agenda 2030 verpflichtet wird, länger zu scheinen. „Und was macht der Wind?“, fragen sich manche. Nun ja, der Wind ist im deutschen Energiemix so zuverlässig wie ein ICE bei Schneefall. Aber das macht nichts, denn wir haben ja – Moment mal, was haben wir eigentlich?

Ein bisschen Versorgungssicherheit ist auch Sicherheit

Der Energiebedarf am 6. November betrug 66 Gigawatt. Eine Zahl, die so nüchtern wirkt, dass sie förmlich nach politischer Verdrehung schreit. Mit heimischer Produktion wurden 53 Gigawatt gestemmt, der Rest kam aus Importen. Perfekt! Oder doch nicht? Denn selbst an einem Tag mit „normaler“ Last – und bei funktionierenden Importleitungen – wurde es eng. Die Zahlenspielerei verdeckt eine unangenehme Wahrheit: Mit einem Nachfrage-Peak wie im Januar, wo wir bei über 75 GW lagen, hätte das ganze System am Rande des Blackouts gewackelt.

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Doch die offizielle Lesart bleibt, als wäre es ein Mantra: „Alles im grünen Bereich!“ Sicher, aber nur, wenn man die Definition von „grün“ nachträglich anpasst. Ironischerweise ist genau das die Kernkompetenz unserer Energiewende. Wer braucht schon Realitätsbezug, wenn man Symbolpolitik hat?

Was wirklich fehlt

Einfach gesagt: Deutschland hat kein Stromproblem, es hat ein Problem mit der Realität. Der Atomausstieg wurde durchgezogen wie ein verschnupfter Marathonläufer: hastig, unelegant und ohne Blick zurück. Gas, Kohle und andere gesicherte Kraftwerke? Werden abgeschaltet oder langsam aus der Wirtschaftlichkeit gedrängt. Erneuerbare Energien? Toll, aber leider wetterabhängig. Das Ergebnis: ein Stromnetz, das an guten Tagen ausreicht – und an schlechten Tagen so fragil ist wie das Nervenkostüm eines Marathonläufers nach der ersten Trainingsrunde.

Wo bleibt der Zubau gesicherter Leistung? Ach ja, den verschiebt man lieber auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Immerhin, so heißt es, ist Wasserstoff ja die Lösung aller Probleme. In der Theorie. Die Praxis lässt sich am besten mit einem Wort zusammenfassen: „irgendwann“. Irgendwann werden wir die Technologie haben, irgendwann wird die Infrastruktur stehen. Und bis dahin? Nun ja, bis dahin schalten wir bei Dunkelflauten eben den Strom ab. Wer braucht schon Netflix, wenn er Kerzenlicht haben kann?

Die Kunst des Wegschauens

Das größte Problem ist jedoch nicht die Dunkelflaute, nicht der Strompreis und nicht einmal die steigende Nachfrage. Es ist die politische Weigerung, die Realität anzuerkennen. Jede Krise wird als „Warnschuss“ abgetan – dabei ist es längst eine ganze Salve. Doch anstatt zu reagieren, wird das Problem vertagt, vertuscht und, wenn möglich, delegiert. Man könnte fast meinen, Deutschlands Energiepolitik wird von einer KI geschrieben, die nur drei Befehle kennt: „verschieben“, „symbolisieren“, „ignorieren“.

Und so stehen wir da, im Jahr 2024, mit einem Stromnetz, das theoretisch funktioniert, praktisch aber so lückenhaft ist wie ein IKEA-Regal ohne Anleitung. Doch keine Sorge, wir sind ja alle Teil eines großen, grünen Plans. Dass wir dabei im Dunkeln sitzen? Ein Kollateralschaden, den man zugunsten der Weltrettung gerne hinnimmt. Oder?

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Der letzte dreht das Licht nicht ab

Die bittere Wahrheit ist: Wir steuern auf ein Szenario zu, in dem das Licht nicht ausgeht, weil es keinen mehr gibt, der es ausschaltet. Zu teuer, zu kompliziert, zu ineffizient – der Blackout wird irgendwann der Normalzustand sein, und niemand wird sich mehr daran erinnern, wie es war, als Energie noch verfügbar war. Doch keine Sorge, liebe Bundesregierung, denn wie man so schön sagt: Im Dunkeln sieht man den Schaden nicht.


Quellen und weiterführende Links

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