
Der Advent als Vorbotin des großen Nichts
Advent, liebe Leserinnen und Leser, ist jene magische Zeit des Jahres, in der sich die Brieftaschen leeren, die Kreditkarten glühen und die Herzen – zumindest theoretisch – überquellen sollten. Aber was bleibt von diesem Lichterglanz, wenn der Funke des Weihnachtszaubers auf die harte Realität prallt? Nämlich auf jene Realität, in der der Chef beim Firmenmeeting lächelnd verkündet, dass die Dividenden, Gott sei Dank, noch gerade so ausgegangen sind. Dezember-Lohn und Weihnachtsgeld? Nun, die Zeiten seien eben eng, aber Orange – ach ja, Orange! – sei doch eine Farbe, die uns alle aufheitern könne.
Orange, meine Damen und Herren, ist die Farbe der Ausgelassenheit und Neugier, heißt es. Der Mutigen, der Optimisten, derjenigen, die auch dann noch lächeln, wenn sie mit leeren Händen dastehen. Eine Mischung aus Rot und Gelb, ein Symbol für Licht und Wärme. Die Farbe der unverschämten Dreistigkeit, möchte ich hinzufügen, mit der uns der Gedanke verkauft wird, dass wir auch ohne alles irgendwie besser dran seien.
Das Geschenk des Nichts
„Morgen, Kinder, wird’s nix geben“, sang schon der große Wilhelm Busch mit einer zynischen Präzision, die ihresgleichen sucht. Freilich, er wusste noch nichts von Konsumgesellschaften, Kreditlimits und Black-Friday-Wahnsinn. Doch wie prophetisch seine Worte heute klingen! Das Nichts, meine Freunde, ist das neue Etwas.
Man stelle sich vor: Da sitzen die lieben Kleinen unterm Weihnachtsbaum – ohne Baum natürlich, denn Tannenholzpreise explodieren – und finden: nichts. Kein Geschenkpapier, kein Lego, keine Spielsachen aus der neuesten umweltfreundlichen Plastikalternative, die trotz aller Nachhaltigkeit in Asien unter katastrophalen Bedingungen hergestellt wurden. Nur eine kleine Notiz: „Wir haben uns in diesem Jahr dazu entschieden, Weihnachten minimalistisch zu gestalten.“
Das Nichts, so erzählt man uns, ist eine Tugend. Eine Tugend, die wir bitter nötig hätten in Zeiten des Klimawandels und der Ressourcenknappheit. Es sei nachhaltig, bescheiden, sogar spirituell. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet die Ärmsten, die dieses Prinzip seit Jahrhunderten unfreiwillig leben, nun als Vorbilder moralischer Konsistenz herangezogen werden.
KTM Orange als Trostpreis
Doch die Welt, so sagen die Zyniker, bietet immer auch Trostpflaster. KTM Orange, zum Beispiel. Eine Farbe, die nicht nur auf Motorrädern glänzt, sondern auch im Gemüt derer, die sich fürchten, im grauen Einerlei der Perspektivlosigkeit zu verschwinden. „Orange steht für Licht und Wärme“, flüstern die Markenslogans uns zu. Ist das nicht herrlich? Während wir auf unseren Gehältern verzichten, flitzen die Vorstände in ihren leuchtenden Firmenfarben durch die Landschaft. Orange wird zum ultimativen Lebensgefühl, zum Symbol des Überlebenswillens in einer Zeit, in der uns nicht einmal die Träume mehr gehören.
Vielleicht, so denke ich mir, wird das nächste Weihnachtslied so gehen: „Stille Nacht, kahle Nacht, nichts ist da, was uns lacht. Glänzet Orange auf der Straße, während wir hungern in Masse.“
Vom Weihnachtsmann zum Schuldnerberater
Einst war der Weihnachtsmann ein jovialer, wohlgenährter Mann, der in einer roten Robe mit weißen Rändern durch den Schnee stapfte. Doch in der heutigen Realität hat er sich verändert. Jetzt trägt er einen Anzug, wahrscheinlich von der Stange, und hält statt eines Sackes voller Geschenke ein Clipboard mit Finanzplänen. „Weihnachten ist nicht mehr, was es einmal war“, murmelt er, während er Ihnen erklärt, warum die neue Konsumfreiheit, die Freiheit vom Konsum bedeutet.
Der Weihnachtsmann hat sich den Realitäten des Kapitalismus angepasst. Er spricht nicht mehr von Besinnlichkeit, sondern von Budgetplänen. „Ein nachhaltiges Weihnachten ist ein Weihnachten ohne Schulden“, erklärt er Ihnen, während er eine Kugel Orange in den spärlich geschmückten Plastikbaum hängt. „Sehen Sie? Diese Farbe bringt Energie ins Wohnzimmer. Und sie kostet nichts.“
Das Erbe des leeren Gabentischs
Am Ende bleibt, wie immer, die Hoffnung. Hoffnung, dass der nächste Dezember besser wird, dass der Lohn wieder fließt, dass die Weihnachtsgans nicht vom Discount kommt und der Baum wenigstens ein paar echte Nadeln hat. Doch vielleicht ist das nur eine Illusion, eine jener süßen Träume, die uns durch die kalten Winternächte tragen.
Vielleicht, und das ist die schmerzlichste Erkenntnis, lernen wir am leeren Gabentisch, dass Weihnachten nie wirklich um Geschenke ging. Dass es ein Fest der Gemeinschaft, des Lachens und der Liebe sein sollte. Oder, wie ein KTM-Orange-Verfechter es ausdrücken würde: „Das Licht kommt von innen, nicht von Amazon Prime.“
Frohe Weihnachten!