Meinungsmache für Superreiche

Wie die Denkfabrik für das reichste Prozent der Bevölkerung Politik und öffentliche Meinung formt

Es ist ein merkwürdiges Phänomen: Kaum hat man den Fernseher eingeschaltet, tritt ein „unabhängiger“ Experte der Agenda Austria auf den Plan und verkündet mit besorgtem Unterton die Untragbarkeit des Sozialstaats. Es wirkt fast schon wie ein Naturgesetz, dass genau jene, die über das Wohl der Gesellschaft dozieren, aus einer Einrichtung kommen, deren Ideologie aus dem Werkzeugkasten der Reichen und Mächtigen stammt. Die 2013 gegründete Agenda Austria verkauft sich als Think Tank, der „wissenschaftlich“ und „lösungsorientiert“ arbeitet. Doch hinter diesem akademischen Anstrich steckt eine Agenda, die nichts weniger als den Umbau der Gesellschaft im Sinne neoliberaler Dogmen bezweckt: weniger Staat, mehr Markt und eine Privatisierung wesentlicher sozialer Sicherungssysteme.

Wer zahlt, schafft an – Oder: Von edlen Spendern und eigennützigen Interessen

In einem Universum, in dem Geld und Macht stets einen wohligen Einklang finden, ist die Agenda Austria ein Paradebeispiel. Finanziert wird sie von einer illustren Schar an Spender:innen, die sich aus Unternehmen, Privatstiftungen und wohlhabenden Einzelpersonen zusammensetzt. Unter den Unterstützern finden sich Namen wie die Erste Bank, Raiffeisen, Mondi oder auch die REWE-Gruppe. Selbst schwerreiche Persönlichkeiten wie Hand Michael Piech (Volkswagen-Dynastie) steuern einen Teil der jährlich etwa zwei Millionen Euro bei, die der Think Tank zur Verfügung hat.

Die Frage, warum ausgerechnet diese Personen und Institutionen so freigiebig sind, ist schnell beantwortet: Es geht nicht um Nächstenliebe, sondern um knallharte Interessen. In ihrer Weltanschauung sind soziale Ungleichheiten kein Problem, sondern ein Treiber für Effizienz und Wettbewerb. Die Agenda Austria fungiert als Verstärker dieser Ansichten – quasi eine politische Jukebox, bei der die Lieder immer dem Geschmack der zahlenden Kundschaft entsprechen.

Der Trick, mit dem die Agenda Austria ihre Unabhängigkeit betont, ist ebenso simpel wie effektiv: Laut eigenen Angaben trägt kein einzelner Sponsor mehr als sieben Prozent des Budgets. Doch dieses vermeintliche Diversifizierungs-Mantra ändert nichts an der grundlegenden Ausrichtung der Organisation. Denn egal, wie die Gelder verteilt sind – das gemeinsame Ziel bleibt unverändert: ein Gesellschaftsmodell, das den Interessen der Reichsten dient.

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Was ist schon unabhängig? Die Agenda Austria und ihr Verhältnis zur Wahrheit

Während die Agenda Austria gerne betont, nicht von staatlichen Geldern abhängig zu sein, kehrt sie die Kehrseite dieses Arguments geschickt unter den Teppich: Ihre „Unabhängigkeit“ bedeutet vor allem Freiheit von jeglicher Verpflichtung, die Interessen der breiten Bevölkerung zu vertreten. Anders als etwa das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) oder das Institut für Höhere Studien (IHS), die aus öffentlichen Geldern finanziert werden, unterliegt die Agenda Austria keinem neutralen Auftrag. Ihre Forschungsfragen, Studien und Analysen sind von vornherein darauf angelegt, das Credo des Marktfundamentalismus zu stützen.

Der Politikwissenschaftler Dieter Plehwe hat dies treffend formuliert: „In einem Think Tank wie Agenda Austria ist eine direkte Einflussnahme der Geldgeber gar nicht nötig – die zahlungskräftige Kundschaft weiß genau, was sie bekommt.“ Und was sie bekommt, sind Argumente, die sich nahtlos in ein globales Netzwerk neoliberaler Denkschulen einfügen.

International vernetzt – Lokal wirksam

Die Agenda Austria ist nicht einfach nur ein österreichisches Phänomen. Sie ist eingebettet in ein dichtes Netzwerk neoliberaler Organisationen wie der Mont Pèlerin Society oder dem Atlas Network. Diese Gruppen teilen ein gemeinsames Ziel: Den Staat auf das Nötigste zu reduzieren und die Marktlogik zum ultimativen Maßstab jeder politischen und gesellschaftlichen Entscheidung zu erheben.

Ihr Einfluss reicht dabei weit über akademische Diskurse hinaus. Sie verstehen es meisterhaft, mit griffigen Schlagworten und mediengerechten Aussagen ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Egal, ob es um Renten, Arbeitsrechte oder Steuerpolitik geht – die Lösung lautet immer: weniger Staat, mehr Markt.

Die wahre Mission: Diskurssteuerung statt Wissenschaft

Die Agenda Austria will keine Forschung betreiben, die ergebnisoffen ist. Ihr Geschäftsmodell basiert auf der Produktion und Verbreitung einfacher Botschaften, die ihre finanzielle Basis stärken. Mit gezielten Kampagnen und einer exzellenten Vernetzung in die Medienlandschaft – besonders bei Zeitungen wie Die Presse oder TV-Sendern wie ServusTV – gelingt es ihr, ihre Thesen als vermeintlich „objektive“ Wahrheiten zu verkaufen.

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Das funktioniert, weil die Argumente der Agenda Austria stets im Kern dieselben sind:

  • Der Sozialstaat sei ineffizient und verschwenderisch.
  • Privatwirtschaft könne alles besser.
  • Wirtschaftliche Freiheit müsse immer Vorrang vor sozialer Gerechtigkeit haben.

Der Klassenkampf von oben – Ein Think Tank als Kampfmaschine

Wenn Karl Marx vom Klassenkampf sprach, hatte er wohl kaum eine Organisation wie die Agenda Austria im Sinn. Doch die Denkfabrik verkörpert diesen Kampf in seiner modernsten und perfidesten Form. Sie agiert nicht mit den Mitteln der offenen Konfrontation, sondern mit den subtilen Werkzeugen des Diskursmanagements.

Während progressive Einrichtungen wie das Momentum-Institut oder Gewerkschaften die Interessen der Mehrheit vertreten, spricht die Agenda Austria für eine verschwindend kleine Elite. Sie setzt sich dafür ein, die Privilegien des reichsten Prozents zu sichern und auszubauen – koste es, was es wolle.

Wer also das nächste Mal eine „Studie“ oder einen Kommentar der Agenda Austria liest, sollte sich fragen: Cui bono? Wem nützt das? Denn hinter der glänzenden Fassade der vermeintlichen Unabhängigkeit steckt nichts anderes als eine politische Agenda, die gezielt auf die Interessen einer kleinen, aber mächtigen Gruppe ausgerichtet ist.


Quellen und weiterführende Links

  • Plehwe, Dieter (2020). Think Tanks und die Macht der Netzwerke.
  • Schäfer, Armin (2013). Neoliberalismus und Demokratie: Eine unglückliche Liaison.
  • Dokumentationen: „Die Strippenzieher – Wie Think Tanks die Welt lenken“ (Arte, 2021).
  • Momentum-Institut: Studien zu neoliberaler Politik in Österreich.

PS: Den nächsten „unabhängigen“ Agenda-Austria-Experten kann man nun mit einem Lächeln betrachten – oder mit einer gehörigen Portion Skepsis.

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