
Wie der Verbund zum Dividenden-Mekka wurde
Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Land, in dem Energie keine Ware, sondern ein Luxusgut ist. Wo der Sonnenschein der Wasserkraft sich nicht auf die Gesichter der Menschen legt, sondern in den Portfolios der Aktionärverschwindet. Willkommen in Österreich 2023, wo der teilstaatliche Energiekonzern Verbund ein Rekordergebnis erzielt hat – und die Bevölkerung fröhlich mitfinanziert. Während die Preise für Strom schwindelerregende Höhen erreichen, erstrahlen die Dividenden der Aktionärheller als je zuvor. Willkommen im goldenen Zeitalter der Ungerechtigkeit.
Rekord-Dividenden: Das Hochwasser der Gewinne
Mit einer Gewinnsteigerung von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hat der Verbund 2023 sozusagen den Jackpot geknackt. Aber warum bescheiden sein? Wenn schon Rekorde, dann bitte gleich doppelt: Die Aktionärdürfen sich über die höchste Dividende in der Geschichte des Unternehmens freuen. Diese Auszahlung ist nicht nur beeindruckend, sie ist astronomisch. Viermal so hoch wie noch 2021, dem bescheidenen Jahr vor der Energiekrise, als das Geld offenbar noch nicht so sprudelte wie heute.
Fast zwei Drittel der Gewinne landen direkt in den Taschen der Investoren. Einem Publikum, das ohnehin nicht zu den finanziell Schwächsten zählt. Man stelle sich vor: Während Familien überlegen, ob sie lieber frieren oder hungern sollen, entscheiden Investmentfonds und Großaktionär, ob sie ihre Gewinne lieber in Immobilien, Yachten oder Kunst investieren. Es ist ein Spektakel für die Geschichtsbücher, ein moralisches Lehrstück für die Ewigkeit – oder zumindest für die nächste Börsensitzung.
Von Wasserkraft und Gier: Die wahre Energiequelle
Dass Strompreise in Europa seit 2022 drastisch gestiegen sind, ist keine Überraschung. Die Gaspreise explodierten nach Russlands Angriff auf die Ukraine, und die europäische Energiekrise wurde zum Dauerbrenner in den Schlagzeilen. Doch hier kommt der Clou: Der Verbund produziert kaum Strom aus Gas. Fast der gesamte Strom stammt aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wasserkraft. Wasserkraft! Ein Rohstoff, der – zumindest bisher – kostenlos vom Himmel fällt.
Und trotzdem? Die Strompreise folgten brav dem sogenannten „Merit-Order-Prinzip“, das die Kosten an der teuersten Produktionsform orientiert. In diesem Fall: Gas. Was macht also der Verbund? Produziert billig, verkauft teuer. Und kassiert. Dass dabei Familien, Alleinerziehende und ältere Menschen ihre Stromrechnungen kaum noch stemmen können, ist ein Kollateralschaden, der im glänzenden Licht der Rekorddividenden wohl untergeht.
Lasst sie Strom essen: Der Marie-Antoinette-Moment der österreichischen Energiepolitik
Die Strompreise in Österreich waren 2023 die höchsten weltweit. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Höher als in Ländern, die Energie importieren müssen, höher als in Staaten, die kein einziges Wasserkraftwerk besitzen. Es ist ein Kunststück, das fast an Genialität grenzt – wenn man sich denn auf die Perspektive der Aktionäreinlässt.
Für die Konsumentist die Realität weniger rosig. Während die Gehälter stagnieren und die Inflation fröhlich weitergaloppiert, wächst die Zahl jener, die von Energiearmut betroffen sind. Man könnte meinen, dass ein teilstaatlicher Konzern hier eine soziale Verantwortung hätte. Doch offenbar ist das einzige „staatliche“ an diesem Unternehmen die Tatsache, dass es sich um einen besonders effizienten Steuer-Gewinn-Transfer-Apparat handelt – von der Bevölkerung hin zu den Finanzmärkten.
Spanien zeigt: Es geht auch anders
Doch muss das wirklich so sein? Natürlich nicht. Während Österreich mit seiner Strategie des „Reichen-reicher-Machens“ glänzt, zeigt Spanien, wie man eine Energiekrise auch bewältigen könnte. Die linke Regierung in Madrid hat Übergewinne der Energiekonzerne mit einer speziellen Steuer abgeschöpft. Und was haben sie mit diesem Geld gemacht? Etwa neue Subventionen für Aktionär? Nein. Sie haben die Bevölkerung entlastet.
Steuern auf Grundnahrungsmittel wurden ausgesetzt. Der Mindestlohn und kleine Pensionen wurden erhöht. Der öffentliche Verkehr wurde kostenlos gemacht. Die Botschaft ist klar: In Spanien wird die Krise nicht auf den Schultern der Schwächsten ausgetragen. Es ist ein Modell, das zeigt, dass sozial gerechte Politik kein Utopiegedanke ist, sondern machbar – wenn der politische Wille da ist.
Das Wasser steht uns bis zum Hals
Zurück nach Österreich, wo diese Logik offenbar nicht ankommt. Stattdessen wird der Verbund als Paradebeispiel eines „erfolgreichen Unternehmens“ gefeiert, das stolz Rekordergebnisse verkündet. Man könnte fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Die Einnahmen aus Wasserkraft hätten genutzt werden können, um die Menschen zu entlasten, die unter den hohen Lebenshaltungskosten leiden. Doch stattdessen wurde entschieden, die Gewinne an jene umzuverteilen, die ohnehin keine Hilfe brauchen.
Es ist eine Ironie, die Österreich ins Zentrum der wirtschaftlichen Absurditäten rückt: Ein Land voller Ressourcen, das es nicht schafft, diese zum Wohle seiner Bevölkerung einzusetzen. Ein Land, in dem Gewinne priorisiert werden, während Grundbedürfnisse zu Luxusgütern verkommen.
Eine Frage der Verantwortung
Die Energiekrise hat gezeigt, dass die Macht der Märkte größer ist als die Moral der Politik. Doch das muss nicht so bleiben. Es braucht nur den politischen Mut, den Kreislauf der Ungerechtigkeit zu durchbrechen. Wie Spanien beweist, ist das durchaus möglich. Es geht nicht darum, Gewinne zu verteufeln, sondern darum, sie gerecht zu verteilen.
Vielleicht ist es an der Zeit, dass Österreich aufwacht und erkennt, dass Wasserkraft nicht dazu da ist, Yachten zu finanzieren, sondern das Leben der Menschen zu erleichtern. Doch bis dahin bleibt wohl nur ein bitteres Fazit: Im Fluss der Gewinne ertrinkt die Gerechtigkeit.
Quellen und weiterführende Links:
- Der Standard: „Rekordgewinne beim Verbund – eine Analyse der Ursachen“
- Profil: „Wie Österreichs Strompreise zum globalen Spitzenreiter wurden“
- Eurostat: „Vergleich der Energiepreise in der EU“
- El País: „Wie Spanien die Energiekrise gemeistert hat“
- OECD-Bericht: „Energiearmut und soziale Gerechtigkeit in Europa“