Hass ist (k)ein Verbrechen

In Liebe, Euer Gesetzgeber!

Es ist eine der großen zivilisatorischen Errungenschaften der Europäischen Union, dass sie nicht nur Gurkenkrümmungen standardisiert, sondern nun endlich auch unsere Emotionen fein säuberlich in strafrechtlich verwertbare Kategorien unterteilt. Wir dürfen uns geehrt fühlen, dass die Europäische Kommission sich rührend um unsere seelische Hygiene sorgt, indem sie dem Hass den Kampf ansagt – mit der geballten Faust des Paragraphen! Denn Hass, so klärt man uns auf, schadet nicht nur der geliebten Margarete aus der Buchhandlung, die sich eines Tages auf Facebook über eine Buchbesprechung ärgerte, sondern gleich der ganzen Gesellschaft. Ja, wenn wir nicht aufpassen, könnte eine harmlose Meinungsverschiedenheit morgen schon zum Untergang des Abendlandes führen! Und das kann niemand wollen. Oder?

Wenn Gefühle Justizsache werden

Die Kriminalisierung von Hassrede hat eine lange Tradition – nein, nicht in der EU, sondern in jenen Staaten, die man sonst gerne als warnende Beispiele für repressiven Gesinnungsstaat anführt. Doch diesmal ist es anders! Diesmal geschieht es zum Wohle aller! Endlich wird der EU-Bürger vor dem schädlichen Einfluss seiner eigenen Gedankenwelt geschützt. Was früher nur ein innerer Monolog war, kann nun den Sprung in den Gerichtssaal schaffen, denn Hass ist überall: in sozialen Netzwerken, in Kommentarspalten, ja, sogar in Leserbriefen an die Lokalzeitung! Und wo Hass ist, da muss der Staat einschreiten. Denn das Internet, liebe Freunde der Rechtsstaatlichkeit, macht alles grenzüberschreitend! Wer heute auf X (früher Twitter) schreibt, dass er oder sie ein bestimmtes Musikgenre für eine akustische Umweltkatastrophe hält, könnte morgen schon als Hasskrimineller von Interpol gesucht werden.

Nun gut, der Vergleich hinkt vielleicht ein wenig – aber das tun Gesetzgebungen dieser Art ja auch.

Wer hasst, der zahlt!

Die EU hat viele Einnahmequellen: Zuckersteuer, Plastiksteuer, CO2-Zertifikate – und bald vielleicht auch die Hasssteuer? Man stelle sich das Potenzial vor: Jemand äußert eine kritische Meinung, ein Algorithmus analysiert den Tonfall, ein Beamter stellt das digitale Strafmandat aus. Zack, 500 Euro Bußgeld wegen grenzüberschreitendem Unmut! Der Betroffene könnte Einspruch einlegen, aber – Überraschung! – auch dieser muss natürlich durch eine lückenlose bürokratische Prozedur geschleust werden, deren Ausgang so vorhersehbar ist wie die nächste Brüsseler Regulierung für Einhorngummibärchen.

TIP:  Habeck Welcome Center

Eine Frage bleibt aber offen: Wenn Hass kriminalisiert wird, was passiert dann mit der Hassliebe? Ist das ein minderschwerer Fall? Und wie verhält es sich mit dem gesunden Hass auf Montagmorgende, Steuererklärungen oder die dritte E-Mail mit der Betreffzeile „Dringend: Letzte Chance, Ihre Daten zu aktualisieren!“? Kann man von Hassrede freigesprochen werden, wenn man nachweisen kann, dass es sich lediglich um eine „emotionale Überreaktion“ gehandelt hat? Oder bleibt am Ende doch die große Wahrheit: Alles, was wir sagen, kann und wird gegen uns verwendet werden?

Das große Missverständnis

Es gibt Menschen, die fälschlicherweise glauben, dass Hassrede nur bedeutet, jemandem direkt zu drohen oder ihn zu entmenschlichen. Ach, wie naiv! In einer Welt, in der Begriffe immer dehnbarer werden, kann Hass heute vieles sein: ein kritischer Kommentar, ein sarkastischer Tweet oder gar ein nachdenklicher Blick, der falsch interpretiert wird. Denn wie wir wissen, zählen nicht nur Worte – auch Mimik kann eine Mikroaggression sein! Und wenn sich genug Menschen betroffen fühlen, könnte es bald heißen: „Angeklagter, Sie haben in der Öffentlichkeit missbilligend die Stirn gerunzelt. Wie plädieren Sie?“

Doch keine Sorge, es gibt eine einfache Lösung: Einfach nur noch Positives sagen! Loben Sie alles! Lieben Sie alle! Verfassen Sie nur noch Posts voller Sonnenschein, Glücksgefühle und bedingungsloser Zustimmung! Die Europäische Kommission wird es Ihnen danken. Und wenn Sie sich einmal fragen, ob etwas, das Sie sagen wollen, vielleicht strafbar sein könnte, dann erinnern Sie sich an diesen einfachen Grundsatz: Im Zweifelsfall – schweigen!

Freiheit? Aber sicher, nur ohne Meinung!

Die Kriminalisierung von Hassrede ist der nächste große Schritt in Richtung einer Welt voller Liebe, Friede und Einheitsmeinung. Bald wird niemand mehr kritisiert, niemand mehr beleidigt, niemand mehr mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert. Das Beste daran? Wir brauchen uns nicht einmal mehr selbst zu zensieren – das übernehmen freundliche Algorithmen und wachsame Institutionen für uns! Dank EU-Kommission und zukünftiger Gesetzgebung können wir uns darauf verlassen, dass jeder Gedanke, jedes Wort und jede Meinung endlich dort landen, wo sie hingehören: im Orkus der Geschichte.

TIP:  Als Männer noch Männer waren

Und wenn Sie sich jetzt fragen, ob dieser Text vielleicht schon als strafbare Hassrede gewertet werden könnte – dann wissen Sie, dass das neue Gesetz bereits wirkt. Willkommen in der schönen neuen Welt!

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