
Wiedergeburt auf LSD. wie Jaguar die Karre endgültig an die Wand fuhr
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem anderen Planeten gelandet. Die Luft flimmert in grellen Farben, Menschen mit absurd bunten Kleidern und extravaganten Frisuren tänzeln durch eine surreal anmutende Landschaft, während aus dem Off kryptische Slogans wie „Create exuberant“, „Live vivid“ und „Delete ordinary“ schallen. Ist das ein Trailer für den nächsten Ridley-Scott-Film? Nein, meine Damen und Herren, das ist Jaguar.
Jaguar, jener traditionsreiche britische Automobilhersteller, der einst mit Eleganz und Leistung glänzte, hat sich offenbar entschieden, nicht mehr Autos zu verkaufen, sondern Ideologien. Der zentrale Schockmoment des Werbespots: Es gibt kein einziges Auto zu sehen. Keine glänzenden Motorhauben, kein röhrender V8-Motor, kein eleganter Innenraum. Stattdessen wütend blickende, divers gecastete Protagonisten, die, nun ja, durch die Gegend laufen.
Und dann kommt Elon Musk, unser aller Lieblings-Milliardär, mit seiner messerscharfen Ironie und twittert trocken: „Do you sell cars?“ Ein Satz, der sitzt. Ein Satz, der die Essenz eines Problems erfasst, das Jaguar offenbar nicht verstanden hat: Menschen kaufen keine Autos, weil sie sich wie in einem avantgardistischen Kunstfilm fühlen wollen.
Vom Statussymbol zum Selbsthilfeprojekt
Die Jaguar-Werbung soll offenbar die Renaissance einer Marke einleiten, die dringend eine Wiedergeburt nötig hat. „Renaissance“, so nennt es jedenfalls Jaguar. Aber sind wir ehrlich: Eine Renaissance setzt voraus, dass irgendwann mal ein goldenes Zeitalter existiert hat. Und dieses liegt bei Jaguar schon einige Zeit zurück. Spätestens seit 2018 sind die Verkaufszahlen im freien Fall. Damals setzte Jaguar noch stolze 180.000 Fahrzeuge ab; 2023 sind es nur noch 64.000. Das ist kein Rückgang – das ist eine Katastrophe.
Und anstatt sich darauf zu konzentrieren, die Probleme ihrer Autos zu lösen – wie die notorisch schlechte Zuverlässigkeit oder das altbackene Design –, entscheidet sich Jaguar, in den Kampf der kulturellen Narrative einzusteigen. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Ein Autohersteller, dessen Hauptproblem es ist, keine Autos zu verkaufen, bewirbt sich mit einer Kampagne, in der es keine Autos gibt.
Zwischen Fortschritt und Fremdscham
Nun, was bedeutet eigentlich dieses „Go Woke, Go Broke“, das Kritiker so gerne skandieren? Die Grundidee ist einfach: Wenn Unternehmen anfangen, politische oder gesellschaftliche Botschaften über ihr Produkt zu stellen, verlieren sie den Fokus auf ihre Kernkompetenz – und ihre Kunden. Es ist ein Tanz auf dem Drahtseil zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Überheblichkeit.
Doch Jaguar hat das Drahtseil offenbar nicht bemerkt und ist direkt ins Netz gefallen. Wokeness ist ja nicht per se schlecht – Diversität, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, all das sind wichtige Themen. Aber wenn diese Themen die Produktqualität, die Kundenzufriedenheit und die Markenidentität überlagern, wird es kritisch. Und genau das passiert hier: Jaguar wirkt plötzlich wie ein verzweifeltes Start-up, das versucht, mit Buzzwords Aufmerksamkeit zu erregen, während die Substanz fehlt.
Der Mythos der „Zukunftsvision“
Natürlich könnte man einwenden, dass Jaguar einfach einen mutigen Schritt in Richtung Zukunft gehen will. Vielleicht stellen sie sich eine Welt vor, in der wir keine Autos mehr besitzen, sondern nur noch „Mobilität“ konsumieren. Vielleicht ist dieser Werbespot ein Versuch, diese Vision zu illustrieren.
Aber selbst wenn das der Fall wäre, bleibt die Frage: Wie sollen Kunden Vertrauen in eine Marke gewinnen, die sich weigert, ihr eigenes Produkt zu zeigen? Das ist, als würde ein Spitzenkoch ein Menü anbieten, ohne jemals ein Gericht auf den Tisch zu bringen. Oder als würde ein Politiker nur Phrasen dreschen, ohne jemals konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. (Oh, Moment, das passiert ja täglich.)
Was Kunden wirklich wollen
Am Ende des Tages bleibt eine simple Wahrheit: Kunden wollen keine Ideologie kaufen, sondern ein gutes Produkt. Sie wollen ein Auto, das zuverlässig ist, gut aussieht und Spaß macht – und das zu einem vernünftigen Preis. Sie wollen wissen, dass ihre Investition etwas wert ist, dass sie Teil einer Marke sind, die Qualität und Beständigkeit repräsentiert. Aber Jaguar vermittelt genau das Gegenteil: Unsicherheit, Verwirrung und ein Hauch von Verzweiflung.
Ein cleverer Werbespot hätte diese Renaissance als Rückkehr zu den Wurzeln dargestellt – als Wiederentdeckung dessen, was Jaguar einst groß gemacht hat: kraftvolle Motoren, elegante Designs und ein Hauch von britischem Luxus. Stattdessen bekamen wir ein Farbspiel ohne Substanz.
Fokussieren statt fantasieren
Was können wir also aus dem Fall Jaguar lernen? Vielleicht dies: Es ist nichts falsch daran, mutig zu sein. Aber Mut ohne Richtung ist nur Chaos. Und Chaos ist selten eine gute Verkaufsstrategie.
Oder, um es mit Elon Musk zu sagen: „Do you sell cars?“ Eine Frage, die Jaguar hoffentlich in den kommenden Jahren beantworten kann. Ansonsten bleibt nur noch eines zu sagen: Go Woke, Go Broke.
Weiterführende Quellen:
- Verkaufsstatistiken Jaguar 2018-2023, Quelle: Automobilwoche
- Analyse des Werbespots: Kommentar von Elon Musk, Twitter, Oktober 2023
- Diskussion über „Woke Marketing“ und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft, Forbes, 2023
- Hintergrund zu Jaguar’s Marketingstrategie, Financial Times, 2023