Freiheit, Kampf und die ewigen Amtsinhaber

Freiheit als immerwährender Mythos

Ludwig von Mises, jener heilige Patron der Freiheit, Prophet des Liberalismus und Priester der Österreichischen Schule, brachte es auf den Punkt, als er sagte: „Die Geschichte des Westens ist im Wesentlichen die Geschichte des Kampfes um Freiheit gegen die Übergriffe der Amtsinhaber.“ Natürlich, das klingt zunächst wie die ultimative Hymne auf den Widerstandsgeist, das Manifest des mutigen Bürgers, der sich mit erhobenem Haupt gegen die Despoten dieser Welt stemmt. Doch seien wir ehrlich: Gibt es in der Geschichte des Westens wirklich einen echten Kampf um Freiheit, oder haben wir es hier vielmehr mit einer gut einstudierten Inszenierung zu tun, bei der die „Amtsinhaber“ und die „Kämpfer für die Freiheit“ letztlich nur zwei Seiten derselben Medaille sind?

Die Amtsinhaber – wer sind sie überhaupt? Sind es nicht dieselben, die uns tagtäglich von der Notwendigkeit der Freiheit erzählen, nur um uns gleich darauf wieder in die bürokratischen Netze zu verstricken, die sie in unzähligen Gremien, Ausschüssen und Gipfeln spinnen? Und was ist mit den Kämpfern für die Freiheit? Sind sie nicht allzu oft diejenigen, die am Ende selbst die Amtskette umlegen und uns mit noch größeren Übergriffen beglücken? Diese Frage verdient es, einmal etwas gründlicher betrachtet zu werden – mit einem gehörigen Schuss Polemik und einem zwinkernden Auge.

Eine Geschichte des Verkaufs

Die Geschichte des Westens als ein ewiger Freiheitskampf? Eine süße Vorstellung, doch seien wir ehrlich: Der Westen ist Meister darin, „Freiheit“ wie einen schillernden Heilsbringer zu vermarkten, während die Realität oft das genaue Gegenteil ist. Vom alten Rom über das mittelalterliche Europa bis hin zur glorreichen Moderne wurden die angeblichen Befreiungskriege immer wieder in feinsäuberlich verpackte, marktfähige Slogans verpackt. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ schrien die Revolutionäre in Frankreich, während sie ein paar Köpfe rollen ließen, nur um am Ende in die Arme eines kleinen Korsen zu rennen, der sich als Kaiser krönte. Oder nehmen wir die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung, die uns weismachen will, es gehe um den edlen Kampf gegen die Tyrannei – während gleichzeitig der Sklavenhandel in den Kolonien florierte und die Rechte der Ureinwohner auf ewig mit Füßen getreten wurden.

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Die Realität sieht nüchtern betrachtet anders aus: Der Freiheitskampf des Westens ist weniger ein ewiges Streben nach Emanzipation als vielmehr ein fortwährendes Geschäft. „Freiheit“ ist das Produkt, das uns von jenen verkauft wird, die ihre Position nur zu gerne dazu nutzen, selbst die Kontrolle zu übernehmen. Die Amtsinhaber sind dabei keineswegs die Bösewichte, die sich in den Kerkern ihrer Macht verschanzen und von Freiheit nichts wissen wollen. Nein, sie sind vielmehr die Architekten eines komplexen Systems, in dem Freiheit vor allem eine Ware ist – die Ware, die man kauft, verkauft und bestenfalls auf Kredit verleiht.

Meister des Übergriffs im Namen der Freiheit

Die Amtsinhaber, diese schillernden Figuren der Geschichte, die wir in unserer kindlichen Naivität stets als Tyrannen sehen wollen – sind sie wirklich die finsteren Widersacher der Freiheit? Oder sind sie nicht vielmehr die Meister darin, uns die Freiheit als goldene Karotte vor die Nase zu halten, während sie gleichzeitig die Leine immer kürzer ziehen? Sie versprechen uns Selbstbestimmung, während sie uns ein Korsett aus Regeln und Vorschriften schnüren, das so eng sitzt, dass es kaum noch Luft zum Atmen lässt. Demokratie? Klar, aber nur, wenn wir die Formulare richtig ausfüllen. Freiheit der Meinungsäußerung? Selbstverständlich, solange wir sie in den engen Grenzen des „gesellschaftlich Akzeptierten“ äußern.

Man könnte meinen, dass die Geschichte des Westens tatsächlich eine unaufhörliche Kette von Übergriffen seitens der Amtsinhaber ist. Aber ist das nicht ein wenig zu kurz gegriffen? Sind die Amtsinhaber nicht die wahren Künstler der Illusion, die uns glauben machen, dass wir uns in einem epischen Kampf gegen die Unterdrückung befinden, während sie gleichzeitig die Fäden im Hintergrund ziehen? Der Souverän, das Volk, glaubt, die Macht in den Händen zu halten, doch es sind die Amtsinhaber, die das Spiel lenken – geschickt, elegant und mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Übergriffe der Amtsinhaber geschehen nicht mit Gewalt, sondern subtil, leise und durchsetzt von bürokratischer Raffinesse.

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Vom Freiheitskämpfer zum Verwalter seiner eigenen Ketten

Und was ist mit dem Bürger? Jenem ehrwürdigen, aufgeklärten Freiheitskämpfer, der sich von den Fesseln der Obrigkeit befreien will? Auch hier lohnt es sich, einmal genauer hinzusehen. Denn der moderne Bürger ist nicht mehr der furchtlose Rebell, der mit der Fackel der Aufklärung die Bastillen der Macht niederreißt. Nein, der moderne Bürger ist zu einem Verwalter seiner eigenen Ketten geworden. Er unterschreibt bereitwillig die Datenschutzverordnungen, setzt brav seine Kreuzchen bei Wahlen, von denen er insgeheim weiß, dass sie nichts ändern werden, und protestiert bestenfalls auf Twitter – wo seine Entrüstung von Algorithmen in Marktdaten umgewandelt wird.

In dieser seltsamen Konstellation wird der Bürger zum perfekten Komplizen der Amtsinhaber. Denn er fordert zwar Freiheit, aber er fürchtet gleichzeitig die Verantwortung, die diese mit sich bringt. Er beschwert sich über Übergriffe, aber er sehnt sich insgeheim nach der Sicherheit, die ihm die Bürokratie bietet. Und so wird die Geschichte des Westens zu einer Tragikomödie, in der der Freiheitskämpfer am Ende immer wieder zum Untertanen wird – und zwar mit einem Lächeln im Gesicht.

Wenn uns die Unsichtbare Hand den Mittelfinger zeigt

Mises, ein Ökonom von Welt, hätte uns sicher auch etwas über die Freiheit der Märkte erzählen können. Jene sagenumwobene „unsichtbare Hand“, die Adam Smith einst beschworen hatte, um den selbstregulierenden Mechanismus der freien Wirtschaft zu beschreiben, hat sich in der Realität oft als verdammt sichtbare Faust erwiesen. Der Markt als Inbegriff der Freiheit? Wohl eher ein Käfig aus Stahl und Glas, in dem wir uns, angetrieben von Konsumzwang und ökonomischer Unsicherheit, im Hamsterrad drehen.

Der Kapitalismus, dieser große Hoffnungsträger der Freiheit, hat seine besten Tage hinter sich. Was uns heute bleibt, ist eine Welt, in der die „Freiheit des Marktes“ vor allem bedeutet, dass die Großen sich die Freiheit herausnehmen, die Kleinen zu verschlingen. Doch wie immer geht es um die Verpackung: Solange uns die Amtsinhaber und Wirtschaftsbosse erzählen, dass dies der Preis der Freiheit sei, nicken wir zustimmend – und kaufen noch eine Runde Aktien.

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Die Amtsinhaber in uns selbst

Doch der vielleicht größte Witz an der ganzen Geschichte ist, dass die wahren Amtsinhaber nicht in den Parlamenten, den Konzernzentralen oder den Finanzinstitutionen sitzen – sondern in uns selbst. Jeder von uns trägt seinen eigenen kleinen Amtsinhaber in sich: jenes winzige, bürokratische Monster, das uns daran hindert, wirklich frei zu sein. Wir setzen uns selbst Grenzen, wir verwalten uns selbst, wir zensieren unsere eigenen Gedanken. Und so wird der Kampf um Freiheit, von dem Mises spricht, am Ende zu einer inneren Schlacht, die wir mit uns selbst austragen. Die Frage ist nur, ob wir bereit sind, diesen Kampf wirklich zu führen, oder ob wir uns lieber mit der Illusion der Freiheit zufriedengeben – und den Amtsinhabern in uns selbst den Thron überlassen.

Die Geschichte des Kampfes – oder des großen Kompromisses?

Am Ende bleibt die Frage: Ist die Geschichte des Westens wirklich die Geschichte eines Kampfes um Freiheit? Oder ist es nicht vielmehr die Geschichte des großen Kompromisses? Der Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit, zwischen Unabhängigkeit und Bequemlichkeit, zwischen Rebellion und Verwaltung. Vielleicht ist der wahre Kampf nicht der gegen die Übergriffe der Amtsinhaber, sondern der gegen unsere eigene Tendenz, uns mit der Freiheit zufrieden zu geben, die uns von oben gewährt wird – anstatt sie selbst in die Hand zu nehmen.

Quellen und weiterführende Links

  1. Mises, Ludwig von. Human Action: A Treatise on Economics. Yale University Press, 1949.
  2. Smith, Adam. The Wealth of Nations. W. Strahan & T. Cadell, 1776.
  3. Foucault, Michel. Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Suhrkamp Verlag, 1976.
  4. Arendt, Hannah. The Origins of Totalitarianism. Harcourt, Brace & World, 1951.
  5. Zizek, Slavoj. Living in the End Times. Verso, 2010.

Möge dieser Essay als augenzwinkernde Einladung dienen, sich den Widersprüchen der Freiheit zu stellen – und die Amtsinhaber, ob im Parlament oder in uns selbst, mit einem Lächeln zu entlarven.

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