Feiertage für alle! Aber ohne Bedeutung, bitte.

Christliche Feiertage? Nur noch ein Auslaufmodell mit Glitzerdeko?

Echt jetzt? Weihnachten abschaffen? Ostern „umwidmen“? Christi Himmelfahrt diversifizieren? Wer heute mit halbwegs ironiefreiem Gesichtsausdruck vorschlägt, den deutschen Feiertagskalender an eine zunehmend säkularisierte, diversifizierte, fragmentierte und emotional hyperverfügbare Gesellschaft anzupassen, der sollte sich zunächst fragen, ob er eigentlich weiß, wozu Feiertage ursprünglich einmal gedacht waren – oder ob er sie mittlerweile nur noch als stressige Kalenderhürden zwischen zwei Amazon-Bestellungen betrachtet. In einer Welt, in der man sich ernsthaft fragen muss, ob der Nikolaus bald ein interreligiös zertifizierter Lieferroboter mit Inklusionschip sein muss, um niemanden zu triggern, wirkt der Gedanke, christliche Feiertage seien „nicht mehr zeitgemäß“, wie die klimaneutrale Reinkarnation eines kulturrevolutionären Kamikazeflugs – nur mit Gendersternchen.

Man könnte meinen, die christlichen Feiertage seien eine Art symbolisches Bollwerk gegen die postmoderne Beliebigkeit. Doch statt sie zu verteidigen, wird ihre Existenz nun mit dem Argument der kulturellen Vielfalt infrage gestellt – als wären Weihnachten und Ostern nicht ohnehin schon die letzten großen Rituale, bei denen sogar Konfessionslose ihre Verwandten besuchen, Gänse essen, passive Aggression beim Familienkakao kultivieren und in sich hineinbrummen, dass Oma schon wieder denselben Karpfenwitz erzählt. Es ist grotesk: Gerade jene, die sich für Toleranz, Teilhabe und Vielfalt einsetzen, sind oft die ersten, die fordern, dass gewachsene kulturelle Strukturen weichen sollen – zugunsten eines säkularen Niemandslandes aus „freien Tagen zur individuellen Entfaltung“. Klingt nach Yogaseminar, riecht aber verdächtig nach Sinnentleerung.

Vom säkularen Selbstbetrug und der kalendarischen Cancel Culture.

Wie sähe er denn aus, dieser neue, flexible Feiertagskalender der Zukunft? Jeder bekommt „seinen“ Feiertag, je nach Herkunft, Glauben, emotionalem Ladezustand oder astrologischer Konstellation? Am Montag feiern die Buddhisten das Vesakh, am Dienstag bekommen die Muslime Eid Mubarak-Freizeit, mittwochs dürfen Atheisten kollektiv Netflix schauen, donnerstags wird ein rein hypothetischer Tag des Agnostikers eingeführt („vielleicht gibt’s frei – vielleicht auch nicht“), und freitags wird das Ganze diversitätsgerecht durch einen spirituellen „Feiertag für alle, die sich irgendwie anders fühlen“ abgerundet. Klingt fair. Und ist vollkommen absurd.

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Feiertage leben nicht davon, dass sie individuell verhandelbar sind. Sie leben davon, dass sie kollektiv erlebt werden. Dass sie – ob nun aus religiösem Bewusstsein oder kultureller Gewohnheit – eine gemeinsame Unterbrechung im Strom des Alltags markieren. Wer versucht, das in eine Art Buffetmodell umzuwandeln, an dem sich jeder nach Lust und Laune bedient, bekommt am Ende genau das: ein unübersichtliches, matschiges Durcheinander mit zu viel Soße, zu wenig Sinn und garantiert ohne soziale Bindungskraft. Integration, Inklusion und Toleranz sind keine Kalenderoptionen. Sie sind Haltungen. Und wer glaubt, man könne kulturellen Pluralismus erzwingen, indem man alle Unterschiede gleichwertig in ein formalistisch glattes Feiertagskorsett presst, verwechselt Gerechtigkeit mit Gleichmacherei – und kulturelle Vielfalt mit beliebigem Zersplittern.

Tradition als kulturelles Rückgrat – oder lästiges Relikt aus Omas Keller?

Es ist doch bezeichnend: In einem Land, das sich gerne als hochreflektierte Kulturnation verkauft, gelten christliche Feiertage inzwischen als verdächtig. Als wäre das bloße Erwähnen von „Pfingsten“ ein mikroaggressiver Akt gegenüber der globalisierten Moderne. Dabei geht es hier nicht darum, den Katechismus in die Verfassung aufzunehmen oder Messwein als offizielles Regierungsgetränk einzuführen. Es geht um etwas sehr Einfaches: kulturelle Identität durch Wiederholung, durch Symbolik, durch gemeinsam geteilte Zeiten der Stille, des Feierns, des Erinnerns.

Feiertage wie Weihnachten und Ostern haben über Jahrhunderte hinweg genau das geleistet. Sie sind nicht nur religiöse Marker – sie sind emotionale Anker. Sie strukturieren das Jahr, geben Halt, ermöglichen kollektive Pausen. Sie sind anthropologisch betrachtet keine Dogmen, sondern Rituale. Und wer meint, Rituale seien entbehrlich, sollte sich einmal ansehen, wie zerbröselt Gesellschaften ohne gemeinsames Symbolsystem aussehen: wie ein Haufen Puzzlestücke, die alle darauf bestehen, der Mittelteil zu sein – aber keine Ahnung haben, was das Bild zeigt.

Die Statistik-Lüge: Wenn 51,5 Prozent angeblich nicht mehr reichen

Ach ja, die Statistik: Nur noch 51,5 Prozent der Menschen in Deutschland gehören 2023 dem Christentum an. Und schon wird das Christentum zur Minderheitenmeinung erklärt, die im öffentlichen Raum bitte etwas leiser auftreten möge. Man stelle sich dieses Argument auf andere Bereiche übertragen vor: „Nur noch 51,5 Prozent der Bevölkerung sprechen fließend Deutsch – lasst uns konsequenterweise Kant auf Koreanisch lesen.“ Oder: „Nur noch 51,5 Prozent essen Fleisch – also verbieten wir die Bratwurst im Fußballstadion.“ Es ist der logische Fehlschluss einer Gesellschaft, die sich angewöhnt hat, jede Mehrheit sofort zu problematisieren, sobald sie nicht absolut ist.

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Die Reduktion auf demografische Zahlen übersieht dabei, dass kulturelle Prägung nicht automatisch mit formeller Mitgliedschaft korreliert. Man kann kein Mitglied einer Kirche sein und trotzdem jedes Weihnachten feiern. Man kann keinen Gottesdienst besuchen und dennoch an Allerheiligen innehalten. Die tieferliegende kulturelle Matrix, auf der dieses Land funktioniert – mit all seinen Gewohnheiten, Feiertagsregeln, Ladenöffnungszeiten, Schulferien – ist durch und durch christlich durchwirkt. Und das zu leugnen, nur weil es statistisch sexy klingt, ist intellektuell ungefähr so redlich wie ein veganes Schnitzel mit Schweineform.

Feiertage als politische Bühne – oder kollektive Erschöpfung?

Natürlich, man kann Feiertage auch als Plattform für gesellschaftlichen Wandel denken. Und sicher – in einer pluralistischen Gesellschaft braucht es Aushandlungsprozesse. Aber dabei sollte man nicht vergessen: Wer jede noch so tiefe kulturelle Verwurzelung mit dem Verweis auf Inklusion in Frage stellt, betreibt keine Integration, sondern Selbstverleugnung. Feiertage sind keine ideologischen Werbetafeln, die man im Fünfjahresrhythmus austauscht. Sie sind, ob man will oder nicht, Teil des kollektiven Gedächtnisses – und dieses Gedächtnis kann man nicht einfach löschen, weil die Gegenwart sich gerade in eine andere Richtung deklariert.

Die Idee, durch flexible Feiertage mehr Freiheit zu schaffen, klingt auf den ersten Blick attraktiv – wie so vieles, was postmodern daherkommt. Aber in Wirklichkeit ist sie eine Einladung zur sozialen Vereinzelung. Denn was bleibt, wenn jeder seinen eigenen Feiertag feiert? Eine Gesellschaft voller Menschen, die sich alleine freuen. Das klingt nicht nach Fortschritt. Das klingt nach Vereinzelung unter dem Deckmantel der Vielfalt.

Die Rückkehr des Kalenders

Vielleicht ist es Zeit für ein neues Denkmodell. Eines, das nicht sofort kapituliert, wenn eine kulturelle Praxis mehr als zwanzig Jahre alt ist. Eines, das den Mut hat, zwischen Tradition und Zwang zu unterscheiden – und nicht jedes kollektive Ritual sofort unter Verdacht stellt. Vielleicht sollten wir endlich wieder lernen, dass es okay ist, Dinge zu bewahren, einfach weil sie sich bewährt haben. Vielleicht ist Weihnachten nicht exklusiv – sondern einladend. Vielleicht ist Ostern kein Dogma – sondern ein Symbol der Hoffnung. Vielleicht ist Christi Himmelfahrt nicht „männlich“ – sondern einfach nur ein freier Donnerstag mit Potential für Grillgut.

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Echt jetzt? Feiertage streichen, nur weil sie christlich sind?
Vielleicht wäre es klüger, einfach mal innezuhalten – und sich daran zu erinnern, dass auch eine multireligiöse Gesellschaft irgendwann ein gemeinsames Kalenderblatt braucht. Und sei es nur, um gemeinsam zu merken: Heute ist frei. Und das ist gut so.

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