
Die Melancholie der Dekadenz
Europa stirbt. Langsam, genussvoll, in voller Absicht. Es stirbt nicht an einem plötzlichen Herzinfarkt, der noch einmal, so kurz vor dem Ende, das Adrenalin durch die Adern peitscht, sondern an einem langen, gepflegten Dahinsiechen, einer morbiden, fast erotischen Hingabe an den eigenen Verfall. Hier ein bisschen Werteverfall, dort ein wenig politisches Chaos, dazwischen ein Hauch von kulturellem Selbsthass – das sind die Ingredienzen eines Kontinents, der sich selbst in sein finales Kunstwerk verwandelt: die große Dekadenzperformance, ein barockes Endspiel voller Pomp, Ironie und tragischer Schönheit.
Die EU als kafkaeskes Ballett
Einst eine Vision von Völkerversöhnung, einer nie dagewesenen friedlichen Einheit, stolpert die Europäische Union heute durch die Hallen der Macht wie ein alternder Operettenstar, der noch einmal die Bühne betreten will, obwohl die Stimmbänder längst versagt haben. In Brüssel tagt ein Bürokratenapparat, der so sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dass er den Bezug zur Realität vollständig verloren hat. Richtlinien zur Krümmung von Bananen, Gender-Sternchen und Subventionsmillionen für längst gescheiterte Projekte – das sind die Träume, die hier geträumt werden. Währenddessen zerbrechen an den Außengrenzen Nationen, verzweifelte Flüchtlinge kämpfen um das nackte Überleben, und im Inneren rebelliert eine Generation, die mit Parolen von Klimagerechtigkeit und Identitätspolitik erzogen wurde, gegen einen Kapitalismus, den sie selbst mit ihrem neuesten iPhone in der Hand tagtäglich füttert.
Wer hat Angst vor der eigenen Geschichte?
Ein besonders faszinierendes Phänomen der europäischen Tragödie ist die vollständige Amnesie gegenüber der eigenen Geschichte. Während andere Kulturen sich in Stolz auf ihre Errungenschaften suhlen, übt sich Europa in einer Selbstkasteiung, die an religiösen Fanatismus grenzt. Kolonialismus! Rassismus! Patriarchat! Die Liste der Sünden ist lang, und so darf der moderne Europäer nichts mehr mit aufrechter Haltung tun – außer sich zu entschuldigen. Für alles. Ständig. Die einstige Kultur der Philosophen, Literaten, Künstler und Wissenschaftler ist heute eine Kultur der moralischen Überanstrengung, eine endlose Abbittelei, ein Bekenntnis zu eigener Schuld, das als höchste Form der Tugend gilt.