
Mit dem Privatjet zum Klimagipfel
Es gibt Orte, die allein durch ihre bloße Erwähnung unsere Phantasie beflügeln. Paris – die Stadt der Liebe. New York – die Stadt, die niemals schläft. Und dann gibt es Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans. Jene Perle am Kaspischen Meer, die für Ölfontänen, Glastürme und neuerdings auch als Austragungsort des weltweit größten Klimagipfels bekannt ist. Dass dieser Gipfel, eine veritable Messe des guten Gewissens und der CO₂-Emissionen, ausgerechnet im Herzen eines Ölstaates stattfindet, ist jedoch weniger Ironie als vielmehr bezeichnend für unsere Zeit.
Ein Treffen von 40.000 Menschen aus aller Herren Länder, mit einer beneidenswerten Flugaffinität und exquisitem Hang zu Hotelpools, bietet nämlich einen großartigen Rahmen, um die drängendsten Fragen der Welt zu diskutieren. Zum Beispiel: Wo gibt es den besten Kaviar? Welches ist die kürzeste Route von Dubai nach Baku? Und vor allem: Warum zum Teufel sind wir eigentlich hier?
Baku calling
Der Veranstaltungsort ist keineswegs zufällig gewählt. Baku, jene Stadt, die auf den ersten Blick wie eine dystopische Science-Fiction-Kulisse wirkt, glänzt nicht nur durch ihre futuristischen Architektur-Kuriositäten, sondern auch durch die Fähigkeit, sich mit endlosen Ölmilliarden als „grünes Vorzeigeprojekt“ zu präsentieren. Es ist, als ob ein Zigarettenhersteller eine Anti-Raucher-Kampagne finanziert. Aber hey, Symbolik war gestern. Heute zählen Gesten!
Das Klima ist dabei natürlich Hauptprotagonist. Der einzige unsichtbare Gast auf diesem Fest der Eitelkeiten. Die übrigen Akteure sind umso sichtbarer: Politiker, Lobbyisten, Aktivisten und Influencer, die über Nachhaltigkeit dozieren, während sie in maßgeschneiderten Smokings und flimmernden Abendkleidern Champagner aus biologisch abbaubaren Gläsern schlürfen.
Mit Vollgas in die Klimaneutralität
Der Hinweg war natürlich bereits ein Highlight. Nicht wenige der Anreisenden wählten den Privatjet – nicht etwa aus Bequemlichkeit, sondern aus reinem Pragmatismus. Schließlich kann man nur in der Stille einer Gulfstream wirklich tief über die Rettung des Planeten nachdenken. Und wer könnte das übelnehmen? Ein Airbus ist schließlich keine Denkfabrik.
Die CO₂-Bilanz des Events? Selbstverständlich tadellos. Denn die Organisatoren haben versprochen, sämtliche Emissionen durch den Erwerb von 300 Hektar kasachischer Wüste auszugleichen, die fortan als „Klimaschutzpark“ firmieren wird.
Worte, Worte, Worte
Die Tagesordnung ist lang. Zwölf Panels, sechzehn Workshops und vier Galas, um den Auftakt zu feiern, das Durchhalten zu honorieren und den Abschluss zu begießen. Zwischen all dem bleibt genügend Zeit für wichtige Themen wie „Dekarbonisierung des Yoga-Matten-Marktes“, „Nachhaltige TikTok-Trends“ oder „Wie kann ich aus recyceltem Plastik eine exklusive Handtasche machen?“
Das Highlight: die Abschlussrede eines Star-Ökonomen, der nachdrücklich betont, dass die Welt am Abgrund steht – während er eine Rolex trägt, die mehr kostet als ein ganzer Wald in Brasilien. Die Antwort des Publikums ist überwältigend. Standing Ovations, Blitzlichtgewitter, ein paar Tränen. Es wird sogar gemunkelt, dass jemand spontan seine vegane Praline gespendet hat.
Die Moral von der Geschichte?
Man sollte meinen, die Teilnehmer flögen nach Hause, inspiriert und mit der klaren Absicht, etwas zu ändern. Doch wie immer im Leben geht es vor allem um Symbolik. Wenn man also mit dem vierten Martini im Glase und der zehnten Schlagzeile über das schmelzende Grönlandeis im Kopf seinen Privatjet besteigt, kann man sich mit Fug und Recht sagen: Es war ja fürs Klima.
Und wenn irgendwann in der fernen Zukunft Historiker auf diesen Gipfel blicken, werden sie nicht von Heuchelei oder Ironie sprechen, sondern von der Geburt einer neuen Ära. Einer Ära, in der nichts unmöglich ist – nicht einmal, mit 40.000 Menschen einen Ozean aus fossilen Brennstoffen zu durchqueren, um über deren Abschaffung zu diskutieren.