Ein unheiliges Sakrament der Moderne

Von der Cancel Culture zur Exekution:

Es gab eine Zeit, in der politische Meinungen, auch extreme, durch hitzige Debatten und nuancierte Diskussionen ausgetragen wurden. Diese Zeit, so scheint es, ist längst vorbei. Heute leben wir im Zeitalter des ultimativen moralischen Diktats. Ein Dozent der University of Kansas, Phillip Lowcock, wurde kürzlich beurlaubt, weil er in einem viralen Video ganz unverhohlen vorschlug, dass Männer, die sich weigern, für eine weibliche Präsidentschaftskandidatin zu stimmen, erschossen werden sollten. Ein klarer Fall von fehlgeleiteter Aufklärung oder etwa nur das neueste Kapitel im immer absurder werdenden Theater der sogenannten „Wokeness“?

Lowcock, seines Zeichens Dozent für Gesundheits-, Sport- und Bewegungswissenschaften, verkündete mit strahlender Überzeugung: „Wir können all diese Typen aufstellen und sie erschießen. Sie verstehen eindeutig nicht, wie die Welt funktioniert.“ Ein Satz, der in seiner brutalen Simplizität an die finstersten Momente der Geschichte erinnert. Doch der wahre Schrecken ist, dass er offenbar glaubte, damit die Menschheit auf den rechten Weg zu führen. Willkommen in der Dystopie der Tugendwächter, wo ein falsch gesetztes Kreuz auf dem Wahlzettel ausreicht, um auf der Hinrichtungsbank zu landen.

Vom aufgeklärten Diskurs zur inquisitorischen Rechthaberei

Es ist ein Paradox unserer Zeit: Die Bewegung, die einst antrat, um Unterdrückung zu bekämpfen, entwickelt sich zunehmend zu einer neuen Form des Dogmatismus. Ursprünglich war „Wokeness“ ein durchaus legitimer Begriff, der für ein Bewusstsein gegenüber sozialen Ungerechtigkeiten stand. Aber wie so viele ideologische Strömungen in der Geschichte, hat auch diese Bewegung ihre eigene Radikalisierung durchgemacht.

Die einstigen Kämpfer für Freiheit und Gleichberechtigung scheinen mittlerweile nicht nur bereit, sondern auch begierig darauf, selbst in die Rolle des Unterdrückers zu schlüpfen. Es reicht offenbar nicht mehr, eine feministische, LGBTQ-freundliche oder antirassistische Haltung zu vertreten; nein, man muss die ganze Welt zu diesem Bekenntnis zwingen. Wer sich widersetzt – aus welchen Gründen auch immer – wird zum Feind. Und dieser Feind wird – metaphorisch oder ganz real – vor die symbolische Wand gestellt. Der Schuss fällt. Punkt.

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Ein Dozent auf Abwegen

Lassen Sie uns kurz innehalten und uns die Frage stellen: Was genau hat Phillip Lowcock hier getan? Hat er wirklich dazu aufgerufen, Menschen zu erschießen? Oder handelt es sich nur um die polemische Übertreibung eines Mannes, der so frustriert von der Ignoranz einiger Zeitgenossen ist, dass ihm diese drastischen Worte entglitten sind?

Ja, es ist nicht zu leugnen, dass seine Aussage geschmacklos und völlig überzogen war. Aber haben wir in unserer Gesellschaft noch Platz für Übertreibungen, für Sarkasmus, für verbale Entgleisungen? Oder befinden wir uns bereits in einem Zustand der intellektuellen Gleichschaltung, in dem jeder Satz auf die Goldwaage gelegt wird?

Denn seien wir ehrlich: Es ist ja nicht so, dass Lowcock am nächsten Morgen mit einem Gewehr in der Hand an der Wahlurne stand und anfing, gezielt Männer zu exekutieren. Und dennoch wurde er beurlaubt, als sei er ein Attentäter, der kurz davor steht, seine Phantasien in die Tat umzusetzen.

Der Zynismus des moralischen Absolutismus

Es ist fast schon tragikomisch: Die gleichen Leute, die uns unermüdlich predigen, wie wichtig es sei, „differenziert“ zu denken und die „Komplexität“ der Welt zu erkennen, verwandeln sich blitzschnell in kleine Diktatoren, wenn es darum geht, ihre eigene Moralvorstellung durchzusetzen. „Wir können all diese Typen aufstellen und sie erschießen“, sagt Lowcock. „Sie verstehen nicht, wie die Welt funktioniert.“ Und genau hier liegt der Kern des Problems: Es ist dieser moralische Absolutismus, der jegliche Differenzierung im Keim erstickt.

Wer nicht versteht, „wie die Welt funktioniert“, wird eliminiert – nicht etwa durch Argumente, durch Überzeugung oder durch den Dialog, sondern durch einen symbolischen Genickschuss. Es ist die Tyrannei der Tugend, die keine andere Meinung duldet als die eigene. Und das Erschreckende ist: Viele scheinen diesen Weg mit leuchtenden Augen zu beschreiten.

Die hässliche Fratze der Radikalisierung

Es wäre zu einfach, Phillip Lowcock als verrückten Professor abzutun, der in einer emotionalen Überhitzung die Kontrolle verlor. Vielmehr sollten wir uns die Frage stellen, warum solche Aussagen überhaupt in den Mainstream diskursiver Möglichkeiten gerückt sind. Es ist die konsequente Folge einer Radikalisierung, die unter dem Deckmantel des „Guten“ operiert. Wokeness hat sich von einer Bewegung der Aufklärung zu einer Bewegung der Einschüchterung und des Zwanges entwickelt.

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Wer nicht mitmacht, der wird nicht mehr nur angeprangert oder lächerlich gemacht, sondern muss mit realen Konsequenzen rechnen. Nicht nur in Form von Shitstorms, sondern auch in beruflicher, sozialer oder sogar juristischer Hinsicht. Und die Grenze zwischen symbolischer und realer Gewalt verschwimmt zunehmend. Es ist der Zynismus unserer Zeit: Gewalt im Namen der Moral wird akzeptiert, ja sogar gefordert.

Erschießung im Namen der Gerechtigkeit

Es bleibt eine bittere Erkenntnis: Wenn selbst Akademiker, Menschen, die eigentlich für den offenen Diskurs und die freie Meinungsäußerung stehen sollten, derart ins ideologische Fahrwasser abdriften, dass sie zur „Erschießung“ Andersdenkender aufrufen, dann ist es um die geistige Freiheit unserer Gesellschaft schlecht bestellt.

Es ist, als hätte Orwell das Drehbuch für unser Jahrhundert geschrieben: Die Woke-Ideologie als neue Form des Totalitarismus, in dem Tugend nicht mehr durch Überzeugung, sondern durch Zwang und Gewalt erlangt wird. Es ist die ultimative Ironie einer Gesellschaft, die angeblich nach Gerechtigkeit strebt und dabei bereit ist, ihre eigenen Prinzipien über Bord zu werfen.

Zwischen Aufklärung und Dystopie

Phillip Lowcock mag beurlaubt worden sein, aber die Fragen, die sein Fall aufwirft, bleiben unbeantwortet. Wie weit darf Wokeness gehen, bevor sie selbst zur Gefahr wird? Wann hört der Kampf für Gleichberechtigung auf und wann beginnt die Tyrannei der Ideologie?

Der Fall ist ein warnendes Beispiel für eine Gesellschaft, die zunehmend unfähig ist, zwischen Polemik und ernsthafter Bedrohung zu unterscheiden. Wir brauchen nicht mehr „Erschießungskommandos“, sondern eine Rückkehr zu einem zivilisierten Diskurs, in dem auch unangenehme Meinungen gehört werden dürfen. Alles andere führt uns geradewegs in den Wahnsinn – oder noch schlimmer: in die absolute Diktatur der „Guten“.

Weiterführende Quellen und Links:

  1. Artikel über Phillip Lowcock und seine Beurlaubung (University of Kansas)
  2. Hintergrund zur Woke-Bewegung und ihren Auswirkungen auf die akademische Freiheit
  3. Diskurs über Cancel Culture und ihre radikalen Auswüchse in der modernen Gesellschaft
  4. Orwell und die Gefahr des modernen Totalitarismus im Gewand des Progressivismus
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