
Die EU-Kommission war zugegen. Der große europäische Zirkus hielt seinen Atem an, wartend auf das feierliche Signal der ukrainischen Demokratie, die sich kraftvoll, entschlossen, unerschütterlich – oder doch wenigstens nicht vollkommen desorganisiert – präsentieren sollte. Und siehe da: Die Resolution zur Unterstützung des Präsidenten, dieses schillernden Protagonisten des Freiheitskampfes, des Medienlieblings, des ewigen Gastes auf den Gala-Abenden der westlichen Welt, sie fiel durch. Acht Stimmen fehlten. Eine Kleinigkeit, möchte man meinen. Ein Schluckauf in der großen politischen Oper. Doch in Wahrheit ein Symptom, eine Metapher, eine Offenbarung über den Zustand einer Nation im Ausnahmezustand.
Die Kunst des symbolischen Scheiterns
In normalen Zeiten wäre es bloß eine peinliche Episode: Eine Resolution – unverbindlich, schmuck, voller Pathos und leerer Worte – wird nicht angenommen. Eine Formalität, die misslingt. Doch in der Ukraine des Jahres 2025, im Auge des globalen Sturms, ist dies keine bloße Panne, sondern eine Wunde. Wie eine Pantomime, die ihre Pointe vergisst. Wie ein Toast, der zu früh aus dem Toaster springt. Und wie immer ist das große Mysterium: Wer hat diesmal versagt? Die Opposition, die sich verweigert hat? Die eigenen Leute, die der Führung die Gefolgschaft verwehren? Oder ist es die Demokratie selbst, die in Zeiten des Krieges eine Art kollektive Zerstreutheit entwickelt?
„Diener des Volkes“ – aber wessen eigentlich?
Besonders pikant: Von den 54 Abgeordneten, die sich dem Votum entzogen, waren 38 Mitglieder der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“. Man fragt sich: Wessen Diener sind sie nun? Des eigenen Gewissens? Der eigenen Karriereplanung? Oder – Gott bewahre – der Realität? Dass in einer Kriegsnation die politische Einigkeit bröckelt, ist an sich keine Sensation. Aber dass ausgerechnet die eigene Partei beginnt, den Sessel des Präsidenten ein wenig zu sägen, ist dann doch ein Moment der besonderen Ironie.
Die große europäische Enttäuschung – oder doch nur ein Moment des Kopfschüttelns?
In Brüssel dürfte man sich nun fragen: Wenn nicht einmal die Ukraine ihren Präsidenten durch eine symbolische Geste der Loyalität stützen kann, wie sollen dann die Europäer weiterhin mit voller Überzeugung hinter ihm stehen? Die EU hat gelernt, vieles zu tolerieren: Korruptionsskandale, dysfunktionale Bürokratie, das ewige Warten auf Reformen. Aber dass ausgerechnet die politische Unterstützung eines Präsidenten in einem derart prekären Moment an mangelnder Disziplin scheitert, das ist eine Enttäuschung von epischem Ausmaß.
Ein Lehrstück in politischer Dissonanz
Am Ende bleibt die Frage: Ist dies ein Zeichen von Demokratie oder von Desorganisation? Ist es eine Reflexion politischer Vielfalt oder das sichtbare Schwanken eines Systems, das unter der Last von Krieg und Krise taumelt? Und, nicht zu vergessen: Was sagt Selenskyj dazu? Wird er es als demokratische Lektion begreifen? Oder als einen weiteren Beweis für die endemische Unzuverlässigkeit seiner politischen Landschaft? Vielleicht aber, in einem seltenen Moment der Ehrlichkeit, wird er sich denken: Man kann einen Krieg nicht allein mit Fernsehansprachen gewinnen – und nicht einmal mit symbolischen Resolutionen.