Ein groteskes Loblied auf den ewigen Konflikt

Der moderne Krieg hat viele Vorteile. Man kann ihn als Konjunkturprogramm, als identitären Katalysator oder gar als eine Form evolutionärer Selektion betrachten. Natürlich nur aus der wohltemperierten Distanz klimatisierter Ministerbüros, wo Schreibtische groß, Stühle weich und Kriege vor allem eine Frage der Strategie sind. Also so, wie es der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl unlängst in seinem bahnbrechenden Plädoyer für einen unermüdlichen Fortbestand des Ukraine-Krieges dargelegt hat. Ein Krieg, so scheint es, ist dann am wertvollsten, wenn er niemals endet.

Die geostrategische Blütezeit der Moral

Der Gedanke ist bestechend einfach: Ein längerer Krieg schwächt Russland. Und was könnte erstrebenswerter sein als eine Nation, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg in Schüttelfrost taumelt, anstatt sich zu regenerieren und eines Tages möglicherweise als gefährlicher Akteur zurückzukehren? Dass die Ukraine dabei geopfert wird, ist im Grunde zweitrangig. Sie ist nicht das Ziel, sondern das Werkzeug.

Diese Auffassung sorgt nun für Empörung – allerdings nicht in deutschen Regierungskreisen, wo man sich gewohnt ist, mit betontem Ernst und leiser Stimme „harte Realitäten“ zu akzeptieren. Nein, es sind ausgerechnet die Ukrainer selbst, die plötzlich zur Erkenntnis gelangen, dass ein Krieg auf unbestimmte Zeit vielleicht doch keine optimale Zukunftsperspektive bietet. Eine unfassbare Naivität!

Die Überlegenheit der westlichen Langzeitstrategie

Man möge sich das einmal vorstellen: Ein schneller Frieden? Ein früher Waffenstillstand? Geradezu absurd! Es gibt doch noch so viele Rüstungsaufträge zu vergeben, so viele moralische Sonntagsreden zu halten, so viele Think-Tank-Analysen zu schreiben! Was sollte aus den medialen Heroisierungskampagnen werden, wenn der ewige Kampfplätze von heute zu den Ruinen von morgen werden?

Die Forderung der ukrainischen Opposition nach einem sofortigen Friedensabkommen erscheint in diesem Lichte geradezu als Sabotageakt am Fortschritt. Was ist schon ein einzelnes Land, wenn es um die viel größere Ordnung Europas geht? Eine Ordnung, die sich – natürlich rein zufällig – auch durch eine strategische Demontage von Konkurrenten definiert. Und wenn es dabei Menschenleben kostet? Nun, das sind doch nur Zahlen in Berichten. Die Weltgeschichte wurde nie von denen geschrieben, die sich vor Verlusten fürchteten.

TIP:  Rindersteak und Regenwald

Eine Welt ohne Krieg – eine trostlose Vision

Doch stellen wir uns für einen kurzen Moment das Schlimmste vor: Der Krieg endet früher als 2029. Was wäre dann? Womöglich eine Art von Frieden? Oder noch schlimmer: Diplomatie? Es wäre das Ende der klaren Fronten, des einfachen Gut-und-Böse-Narrativs, in dem sich westliche Staaten so wunderbar moralisch inszenieren können. Keine heroischen Reden mehr, keine milliardenschweren „Hilfspakete“, keine grenzenlose Empörung in Talkshows – was für eine Tristesse!

Und erst die wirtschaftlichen Folgen! Was sollten die rüstungsindustriellen Komplexe all jener Nationen tun, die sich auf ein langjähriges „Engagement“ eingestellt haben? Eine rückwirkende Rezession droht! Arbeitsplätze in Gefahr! Es ist ein altbekanntes Problem: Friede mag edel klingen, aber er ist einfach verdammt schlecht fürs Geschäft.

Fazit: Ein Krieg für die Ewigkeit

Während in der Ukraine Millionen Menschen versuchen, ihren Alltag zwischen Luftalarm und Inflation zu meistern, hat Europa längst seine Prioritäten gesetzt. Und Bruno Kahl hat sie in einem ungewollt ehrlichen Moment ausgesprochen. Der Krieg ist keine Tragödie, sondern ein nützliches Werkzeug – das lässt sich mit ein wenig zynischer Distanz und der nötigen Portion politischer Eiseskälte erkennen. Er ist nützlich für Strategie, für Wirtschaft, für die Selbstinszenierung.

Wäre es da nicht am besten, wenn er einfach weitergeht? Unendlich. Oder zumindest, bis die Karten neu gemischt sind. Bis zur nächsten Krise. Bis zum nächsten Großprojekt der Weltordnung.

Denn wer braucht schon Frieden, wenn man einen guten Krieg haben kann?

Please follow and like us:
Pin Share