DNA und das große Ganze

Wie bewirbt man im öffentlich-rechtlichen Rundfunk am besten sein neues Buch?

Es gibt zahlreiche Ratgeber für erfolgreiche Buchvermarktung, strategische Social-Media-Postings und raffinierte Self-Publishing-Taktiken. Aber nichts, absolut gar nichts, bereitet einen wirklich darauf vor, wie man sein neues Buch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk präsentiert. Hier tritt man nicht einfach als Autor auf – man wird zur moralischen Instanz, zur wandelnden Meinungsmaschine, zur Stimme des Volkes. Wer nur über den Inhalt seines Buches sprechen will, hat verloren. Wer hingegen die tiefen Sehnsüchte des deutschen Rundfunkpublikums anspricht und eine Prise politisch aufgeladene Provokation hinzufügt, kann auf eine hohe Auflage hoffen. Willkommen im Club der Bestseller-Autoren!

Unterhaltung trifft Weltrettung

Beispiel gefällig? Hape Kerkeling, allseits bekannter Komiker und Medienliebling, machte es jüngst in der Talkshow „Maischberger“ vor: Er spricht über sein Buch und sorgt gleichzeitig für kontroverse Schlagzeilen, indem er AfD-Wähler als Idioten bezeichnet und das Konzept eines „biologischen Deutschen“ als Fantasie abtut. Ein DNA-Test, ein bisschen Britische Thronfolge, eine historische Einordnung, etwas provokanter Witz – fertig ist die Rezeptur.

Warum diese Mischung so gut funktioniert? Ganz einfach: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk lebt davon, den Zuschauer nicht nur zu informieren, sondern auch zu erziehen, und zwar mit einem Lächeln. Man serviert ihm komplexe Themen leicht verdaulich und ein bisschen scharf. Der Autor als Weltverbesserer – das ist die Rolle, die der Sendeplatz verlangt. Man könnte auch sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sucht nicht nach Literaten, sondern nach moralischen Leuchttürmen. Wer ein Buch über Achtsamkeit im Alltag geschrieben hat, kann also ebenso gut den Weltfrieden proklamieren. Eine spirituelle Abhandlung über Zen-Buddhismus? Perfekt, um über die AfD zu diskutieren.

Die Kunst der Provokation – aber bitte subtil

Man darf sich das nicht zu einfach vorstellen. Wer denkt, es genüge, die AfD oder ihre Wähler direkt zu beleidigen, irrt. Man muss es fein dosieren. Wie hat Kerkeling das gemacht? Er nennt AfD-Wähler „Idioten“, was natürlich medial aufgegriffen wird. Aber er tut das im Kontext einer tieferen, intellektuellen Diskussion über Rassismus, Ethnie und die Missdeutung von DNA-Daten. Es geht nicht um plumpes Schimpfen, sondern um moralische Überlegenheit. Er sagt: „Es gibt keinen biologischen Deutschen, das ist eine üble Fantasie.“ Maischberger ergänzt den Satz mit einer unheilvollen Warnung, und schon klatscht das Publikum.

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Der Trick dabei: Niemand widerspricht. Die AfD wird als das Böse dargestellt, als etwas, das intellektuell und moralisch keine Daseinsberechtigung hat. Wer diesem Narrativ folgt, ist auf der sicheren Seite, wer es nicht tut, ist halt – nun ja, ein Idiot.

DNA, AfD und der Thron von England

Aber reden wir noch einmal über die DNA-Untersuchung, die Kerkeling gemacht hat. Eine grandiose Idee! Sie ist scheinbar harmlos, irgendwie unterhaltsam und eignet sich perfekt als Sprungbrett für schwerere Themen. Erst kommt die humorvolle Anekdote über die britischen Vorfahren und die absurde Vorstellung, der 111. in der Thronfolge zu sein (real 111: Katarina Yugoslavia (*1959) m. Desmond de Silva). Das Publikum lacht, man gewinnt Sympathie. Dann dreht sich das Gespräch schlagartig und wird politisch: „Die Abstammung könnte wieder wie zu Zeiten der Nazis übel missbraucht werden“, warnt Kerkeling. Der perfekte Übergang zu ernsteren Tönen. Aus Spaß wird plötzlich tödlicher Ernst.

Der Zuschauer, inzwischen emotional gebunden durch das Lachen, folgt ihm bereitwillig. DNA? Klar, wissen wir alle, kann man missbrauchen. Nazis? Ganz schlimm. Und ehe man es sich versieht, befindet man sich in einer Diskussion über Rassismus und totalitäres Denken, ausgelöst durch einen harmlosen Speicheltest aus Texas.

Wer wagt, gewinnt

Der Schlüssel zur erfolgreichen Buchvermarktung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk liegt also in der gekonnten Verknüpfung des persönlichen Narrativs mit den großen gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit. Es reicht nicht aus, nur über das eigene Buch zu sprechen. Das Buch wird zur Nebensache, ein Anlass, über „das größere Ganze“ zu reden. So zeigt Kerkeling nicht nur, wie DNA-Daten missbraucht werden könnten, sondern eröffnet gleichzeitig eine umfassende Kritik an politischen Ideologien, die ethnische Homogenität propagieren. Eine Lektion in angewandter Satire: Der Autor hat die moralische Oberhand, indem er scheinbar einfache, persönliche Themen mit den großen Fragen der Zeit verknüpft.

Das funktioniert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk besonders gut, weil es dem Publikum ein moralisches Sicherheitsnetz bietet. Man sitzt nicht nur vor dem Fernseher, um unterhalten zu werden. Nein, man wird durch die richtige Meinung gesäubert und moralisch gestärkt.

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Das entscheidende Verkaufsargument

Und dann, ganz entscheidend, der Humor. Wer sich ernsthaft in einer Talkshow auf die Bühne stellt und nur trockene Belehrungen von sich gibt, ist verloren. Kein Mensch kauft ein Buch von jemandem, der auf der Fernsehcouch den Oberlehrer gibt. Humor ist die Waffe der Wahl, um das Publikum zu gewinnen. Hape Kerkeling macht das meisterhaft. Egal wie ernst das Thema wird – es bleibt immer ein Schmunzeln im Raum. Das ist die große Kunst. Man könnte zynisch sagen, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Themen so lange politisiert werden, bis selbst der triviale DNA-Test zu einer gesellschaftlichen Debatte führt. Aber Kerkeling weiß, wie man es charmant verpackt.

Ein Buch vermarktet man am besten, indem man die Welt erklärt

Am Ende bleibt die simple Erkenntnis: Wer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein Buch bewerben will, darf nicht über sein Buch sprechen. Man spricht über die Gesellschaft, über das politische Klima, über den drohenden Untergang der Zivilisation – und zwischendurch vielleicht kurz über den Inhalt des Buches. Humor ist der Schlüssel, Provokation das Sahnehäubchen. Der Rest ist Show.

Und so wird ein DNA-Test zur moralischen Lektion über die Gefahren des Totalitarismus. Die AfD wird dabei gleich mit in die Tonne geklopft, und wer das nicht mitmacht, ist halt ein Idiot.

Weiterführende Links und Quellen

  • ARD Mediathek: „Maischberger“ Sendung vom 2. Oktober
  • DNA-Untersuchungen und ihre gesellschaftlichen Implikationen
  • Satire im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Ein Überblick
  • Die Rolle des Humors in der politischen Talkshow
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