
Eine religionspolitische Feldstudie im Reagenzglas der Macht
Es ist ein alter Fehler, der immer wieder gemacht wird – von wohlmeinenden Multikulturalisten, naiven Intellektuellen und staatsalimentierten Religionsbeauftragten gleichermaßen: Man beurteilt eine Religion, insbesondere den Islam, danach, wie freundlich, friedlich und anpassungsfähig sie sich gibt, wenn sie in der Minderheit lebt – in westlichen Demokratien, unter dem Schutz der Grundrechte, im Schirm der pluralistischen Gesellschaft, behütet vom Rechtsstaat, von Sozialleistungen gestützt und von journalistischer Diskurs-Feigheit flankiert. Doch das ist, mit Verlaub, so zielführend, als würde man einen Wolf danach beurteilen, wie sanft er winselt, wenn man ihm den Napf wegnimmt. Die entscheidende Frage ist nicht, wie eine Religion sich benimmt, wenn sie anpasst, sondern wie sie agiert, wenn sie dominiert. Was geschieht, wenn sie nicht um Duldung betteln muss, sondern duldet? Wenn sie nicht Rechte einfordert, sondern zuteilt – und entzieht? Erst in der Mehrheit, ja noch deutlicher: erst als Staatsreligion, zeigt sich der wahre Charakter eines theologischen Systems. Alles andere ist PR.
Vom Opfer zur Ordnungsmacht – Die Transformation der Theokratie
Der Islam – und das muss man ihm lassen – ist in der Disziplin der politischen Metamorphose ein Weltmeister. Er hat es verstanden, seine eigene Geschichte in zwei Akten zu schreiben: Im ersten Akt das leidende Opfer, benachteiligt, diskriminiert, unverstanden; im zweiten Akt die Ordnungsmacht, die auf göttlicher Unfehlbarkeit besteht, auf Gesetzesexklusivität pocht, auf Dominanz – nicht als Option, sondern als Pflicht. Wo der Islam Mehrheit wird, wird die Scharia zur Struktur, die Andersgläubigkeit zur Herausforderung, die Meinungsfreiheit zur Bedrohung. Das Wort „Toleranz“ schrumpft auf das Maß einer strategischen Geduld zusammen.
Der säkulare Beobachter, in seinem inneren Humanismus gefangen, glaubt noch immer an eine universale goldene Regel – „Was du nicht willst, das man dir tu…“ – doch in dieser Rechnung fehlt das entscheidende Moment: Die eigene Wahrheit als absoluter Imperativ. Wer glaubt, das Paradies sei exklusiv und alle anderen Wege in die Hölle führen, hat keine inneren Gründe zur Duldung, sondern bestenfalls taktische. Die Toleranz endet dort, wo sie nicht mehr nötig ist. Und da beginnt die eigentliche Wahrheit über religiöse Macht.
Pluralismus als Geduldsübung – Ein Experiment, das nur funktioniert, solange es niemand ernst meint
Natürlich kann man mit Theologen aller Religionen Kaffee trinken, sofern sie in Minderheit sind. Die Gesprächskreise, die interreligiösen Foren, die „Feste der Begegnung“ – sie alle sind nette Inszenierungen einer Welt, die so nicht existiert, wenn sie ernst gemacht wird. In pluralistischen Gesellschaften ist der Islam freundlich, weil er muss. In islamischen Gesellschaften ist der Pluralismus geduldet – solange er unbedeutend ist. In Saudi-Arabien, Iran oder Pakistan gibt es keine liberalen Diskussionen über das Verhältnis von Glauben und Staat. Dort entscheidet nicht das Verfassungsgericht, sondern der Klerus, ob ein Gedanke gedacht werden darf.
Doch wehe dem, der das anspricht – im Westen versteht man unter Kritik des Islam oft schon das, was man bei anderen Religionen „Aufklärung“ nennt. Der Islam ist die einzige Religion, die man nicht rational betrachten darf, ohne sogleich unter Verdacht gestellt zu werden: des Rassismus, der „Islamophobie“, der kulturellen Überheblichkeit. Ein Katholik, der gegen Homosexualität predigt, ist ein Relikt. Ein Imam, der dasselbe tut, ist „Teil einer anderen Kultur“. Und schon wird die Doppelmoral zur Doktrin.
Einheitsgebet oder Einheitsstaat – Was Religion will, wenn sie kann
Religionen haben ein Eigeninteresse, das in ihrer Natur liegt. Doch der Islam hat eine Besonderheit: Er ist nicht nur Glaubenssystem, sondern Rechtssystem, Gesellschaftsordnung, Identitätsmaschine. Er ist nicht nur Kirche, sondern Staat im Wartestand. Dort, wo er Mehrheit wird, beginnt das Projekt der religiösen Umformatierung – von der Kleidung bis zur Strafgerichtsbarkeit, vom Frauenbild bis zur Kunstfreiheit. Alles unterliegt der Revision, der Heiligkeit, der Kontrolle. Und all das geschieht mit einem Lächeln – bis das Lächeln nicht mehr nötig ist.
Man muss sich fragen: Wäre die katholische Kirche in Deutschland heute so „tolerant“, wenn sie noch über inquisitorische Mittel verfügte? Wohl kaum. Die Toleranz des Machtlosen ist nicht Tugend, sondern Notwendigkeit. Und der Islam – das zeigen die Beispiele von Indonesien bis zur Türkei, vom Sudan bis zu den Golfstaaten – versteht diese Dynamik meisterlich. Wo er gestalten kann, gestaltet er nicht Vielfalt, sondern Einheit. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern politische Realität – nachzulesen in Verfassungen, Gerichtsurteilen und Gesetzbüchern.
Fazit unter Vorbehalt – Oder: Warum das Schweigen manchmal klüger scheint als das Reden
Und doch wagt kaum jemand, all das auszusprechen – aus Angst, als „rechter Brandstifter“ zu gelten, als „Spalter“, als „Fundamentalismuskritiker“, was in gewissen Milieus bereits als Schimpfwort gilt. Aber Kritik ist nicht gleich Hass. Und wer das Verhalten einer Religion unter Machtbedingungen analysiert, betreibt keine Hetze, sondern Realismus. Die Frage ist nicht, wie friedlich ein Glaube klingt, sondern wie friedlich er bleibt, wenn er nicht mehr auf Zustimmung angewiesen ist.
Vielleicht ist das das traurige Fazit unserer Zeit: Die Aufklärung hat uns gelehrt, alles zu hinterfragen – außer die Motive religiöser Mehrheiten. Und so bleibt die Kritik des Islam als Machtreligion ein Minenfeld, das man nur mit literarischer Satire betreten darf – und selbst dann nur mit einem Fuß.
Fortsetzung folgt – vermutlich nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.