Die Revolution wird nicht getweetet

Früher waren Revolutionäre noch echte Haudegen. Sie standen auf Barrikaden, riskierten Gefängnis, manchmal ihr Leben. Heute? Heute ist die Barrikade eine Kommentarspalte und der größte Feind der Aktivisten ist der Algorithmus, der die eigene Wut nicht genug pusht. Die moderne „Revolution“ findet in klimatisierten Wohnräumen statt, mit Laptop auf dem Schoß, Kaffee in der einen Hand, Smartphone in der anderen.

Der Bundestag hat also wieder eine Unverschämtheit durchgeboxt. Menschen sind entsetzt – online. „Unfassbar!“, „Wir müssen aufstehen!“, „Das lassen wir uns nicht gefallen!“ … schreiben sie, bevor sie auf „Senden“ klicken und sich entspannt zurücklehnen. Irgendwo auf dem Server von Twitter (Verzeihung, X – Gott bewahre, dass wir einen Musk’schen Markennamen falsch aussprechen) verrottet der empörte Post, gelesen von drei Gleichgesinnten, die ihn liken und weiterziehen.

Wenn Widerstand keine Blasen verlässt

Wir leben in einer Welt, in der Menschen glauben, dass politische Macht durch Retweets gebrochen wird. Dass sich ein Ministerium für einen Wut-Thread interessiert. Dass ein Hashtag die Verhältnisse stürzt.

Das politische Establishment lehnt sich derweil entspannt zurück und genießt das Schauspiel. „Lass sie twittern“, denkt sich der Abgeordnete, während er seine nächste Diätenerhöhung plant. „Lass sie toben – solange sie nicht vor meiner Tür stehen.“ Denn wahre Veränderung kam nie aus der Kommentarspalte.

Aber genau das ist der Trick: Gib den Leuten das Gefühl, dabei zu sein, ohne dass sie wirklich etwas tun. Gib ihnen eine Plattform, auf der sie schimpfen können, ohne unbequem zu werden. Lass sie sich moralisch überlegen fühlen, während sie auf dem Sofa versacken.

Straßenprotest? Viel zu anstrengend!

Heute waren also Kundgebungen. Der Bundestag wurde von einigen wenigen Menschen umringt, die wirklich noch glauben, dass Druck auf der Straße funktioniert. Und was machen die anderen 99,9 %? Sie „unterstützen“ – aber passiv. Sie retweeten, sie posten ein Instagram-Story-Bild von der Demo, mit einem kämpferischen Emoji, aber sie bleiben selbst zu Hause.

TIP:  ALLES ANTIFA, ODER WAS?

Klar, es gibt ja auch wichtigere Dinge zu tun! Der neue Netflix-Hit wartet, die Playstation rief, und wer hat schon Lust, bei schlechtem Wetter auf die Straße zu gehen, wenn man auch von der Couch aus „Solidarität zeigen“ kann?

Die Politik lacht – mit Recht

Die politische Klasse beobachtet das Ganze amüsiert. Ein Protest ohne Teilnehmer ist ein Witz. Eine Revolution ohne Widerstand ist ein Geschenk. Und wenn es brenzlig wird, wenn doch mal 50.000 Menschen auf der Straße stehen? Dann startet man eine PR-Offensive, lädt ein paar Vertreter in Talkshows ein, schüttelt verständnisvoll den Kopf und macht am nächsten Tag trotzdem, was man will.

Denn was will das Volk tun? Wieder empört twittern? Noch ein Hashtag starten? Vielleicht eine Online-Petition unterschreiben, damit man sich so richtig aktiv fühlt?

Die Wahrheit ist bitter: Die Leute wollen keinen echten Wandel, sie wollen sich nur so fühlen, als wären sie Teil davon. Doch solange Protest nicht über das Display hinausgeht, bleibt alles, wie es ist – und die Mächtigen reiben sich die Hände.

Ein Fazit für die Hashtag-Krieger

Wirklicher Protest bedeutet Risiko. Unbequemlichkeit. Eine verpasste Netflix-Folge. Kalte Füße auf einer echten Demonstration, nicht nur warme Empörung am Touchscreen.

Also, liebe digitale Empörten, die ihr glaubt, dass euer Wut-Post die Welt verändert: Die Wahrheit ist, er tut es nicht. Und während ihr glaubt, die Politik zum Zittern zu bringen, lacht sie nur über euch.

Widerstand ist kein Tweet. Und wenn ihr das nicht begreift, dann bleibt ihr genau da, wo sie euch haben wollen – in eurer gemütlichen, nutzlosen digitalen Blase.

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