Die Quadratur des Meinungskartells

Medienvielfalt: Ein Zustand wie ein Einhorn

Es gibt Dinge, die gibt es nicht. Der Weihnachtsmann. Die ehrliche Steuererklärung eines Oligarchen. Die Medienvielfalt in Österreich. Und doch haben sich hochkarätige Expertinnen und Experten, angeführt von der UNESCO-Kommission, aufgemacht, das Unmögliche zu verwirklichen. Die „Plattform Medienvielfalt“ hat sich also ein Herz gefasst, in den Maschinenraum der Medienpolitik gegriffen und Forderungen aufgestellt, die so ambitioniert sind, dass selbst Don Quijote sein Steckenpferd neidisch an die Wand gelehnt hätte.

Ein gut gehüterter Mythos

Wer braucht schon Qualitätsjournalismus? Die FPÖ ganz bestimmt nicht, wenn man Christian Hafenecker glaubt, dessen Medienbild ungefähr so differenziert ist wie ein Presslufthammer in der Beethoven-Symphonie. „Linke Postillen“ will er austrocknen, „alternative Medien“ befeuchten. Die UNESCO-Initiative indes meint, dass „nachvollziehbare Qualitätskriterien“ helfen könnten. Der Vorschlag ist charmant: So wie ein Pakt mit dem Fuchs, der gerne die Hühnerzucht rationalisieren möchte.

Ein Nischenthema für Verschwender

Was hat man sich nicht schon alles gewünscht? Mehr Frauen in Vorständen. Mehr Radwege in der Stadt. Und natürlich mehr Medienvielfalt. Nun, zumindest für die ersten beiden gibt es Beweise, dass sie realisierbar sind. Bei der dritten bleibt der Glaube. Wie soll ein Land, in dem drei Große fast alles besitzen, plötzlich entdecken, dass mehr als zwei Meinungen existieren können? Ein Dilemma, das nur durch drastische Maßnahmen zu lösen wäre: zum Beispiel ein „Unabhängigkeits-Zertifikat“ für Medien. Antrag einreichen, drei Jahre warten, ablehnenden Bescheid erhalten.

Der Algorithmus weiß, was gut für dich ist

Die UNESCO will, dass Plattformen redaktionell geprüfte Inhalte prominenter darstellen. In der Theorie klingt das gut. In der Praxis wird der Algorithmus von Facebook, YouTube und Co. darauf mit einem herzhaften Lachen reagieren. Wer die User drei Sekunden länger auf der Seite hält, gewinnt. Und da ist es dann leider nicht die akribische Recherche des Investigativteams, sondern das Video, in dem jemand behauptet, die Erde sei eine Scheibe und von Echsenmenschen regiert. Also eine Win-Win-Situation – für jene, die keine Fakten brauchen.

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Der Kampf gegen die digitale Schlaraffenlandverwahrlosung

Mehr Bildungsprogramme für Medienkompetenz fordert die Plattform. Eine wundervolle Idee. Ein bisschen wie das Installieren eines Feueralarms in einem bereits niedergebrannten Haus. In einer Welt, in der Leute lieber Telegram-Gruppen als wissenschaftliche Studien konsultieren, bleibt die Frage: Wie bringt man jemanden dazu, dass er oder sie kritisches Denken schätzt, wenn der Fernsehsender AUF1 es nicht tut? Vorschlag: Zwangsläufige Wochentests zu Fake News in allen Supermärkten. Wer durchfällt, zahlt doppelt an der Kassa.

Ein ungleiches Duell mit vorhersehbarem Ausgang

Apropos Medienkompetenz: In den Koalitionsverhandlungen wird gerade debattiert, ob man dem ORF das finanzielle Lebenselixier entziehen sollte. Die FPÖ ist dafür. Alternativen? Genügend! AUF1 steht schon bereit, eine markige Mischung aus Nationalstolz, Alternativrealität und frei erfundenen News auf das geneigte Publikum loszulassen. Wenn es nach Herbert Kickl geht, wird der ORF bald Geschichte sein, und wir alle beziehen unsere Informationen dann direkt von Leuten, die ihre Masterarbeit auf YouTube abgeschlossen haben.

Die Medienvielfalt bleibt, was sie ist

Zusammengefasst bleibt nur zu sagen: Die „Plattform Medienvielfalt“ hat ambitionierte Ziele. Doch zwischen Wollen und Können liegt die bittere Realität. Und so bleibt es wohl wie immer: Die einen machen sich Gedanken, die anderen Geld. Und das Publikum? Konsumiert, lacht, oder schaltet einfach ab.

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