
Friedrich Merz, seines Zeichens Multiaufsichtsrat, Nebenverdiener-Millionär und CDU-Vorsitzender, ist ein Mann der klaren Worte – zumindest in den Momenten, in denen er sich nicht in Widersprüche verheddert. So ließ er einst verlauten, er zähle sich zur „oberen Mittelschicht“. Ein Satz, der in seiner grotesken Selbstverkennung beinahe poetische Qualitäten entwickelt. Ob man ihm diesen Ausrutscher nachsehen kann? Nun, in einer Gesellschaft, die es gewohnt ist, sich im politischen Bullshit-Bingo zu bewegen, mag dies fast untergehen. Doch ein genauerer Blick auf den Mann, seine Aussagen und seine Selbstwahrnehmung lohnt sich allemal. Denn wenn Merz eines ist, dann nicht „obere Mittelschicht“ – sondern, und das ist fast noch amüsanter: Er ist absolutes Mittelmaß.
Der Mittelmaß-Manager: Ein Produkt seiner Zeit
Friedrich Merz ist kein herausragender Politiker. Er ist kein brillanter Redner, kein charismatischer Visionär, kein mutiger Reformer. Er ist nicht einmal besonders einfallsreich. Stattdessen verkörpert er das, was Deutschland in den letzten Jahrzehnten auf der politischen Bühne perfektioniert hat: ein gewisses solides, unaufgeregtes, verwaltendes Mittelmaß. Seine Karriere ist die eines Mannes, der in der richtigen Partei zur richtigen Zeit war und sich, ohne größere Eigenleistung, nach oben arbeiten konnte.
Natürlich wird man nun einwenden, dass jemand, der es bis an die Spitze der CDU und ins Spitzenmanagement eines der größten Finanzinvestoren der Welt gebracht hat, per Definition erfolgreich sein muss. Doch Erfolg und Exzellenz sind zwei verschiedene Dinge. Merz‘ Erfolg ist nicht das Resultat genialer strategischer Manöver oder herausragender intellektueller Schärfe – sondern vielmehr das Produkt von Opportunismus, Netzwerken und einer erstaunlichen Resistenz gegen jegliche Selbstreflexion.
Ein Millionär mit Mittelschichts-Mindset
Aber bleiben wir kurz bei seinem denkwürdigen „obere Mittelschicht“-Moment. Was hat ihn nur dazu bewogen, eine derart absurde Selbsteinschätzung von sich zu geben? Eine wohlwollende Interpretation wäre, dass er sich schlicht in der Perspektive geirrt hat – dass sein Bezugspunkt nicht das normale Deutschland, sondern sein eigenes, von Konzernlobbyismus und Steueroptimierung geprägtes Paralleluniversum ist. Dort, wo eine Villenetage in Berlin und eine Ferienhütte im Sauerland nur „bescheidene Rückzugsorte“ sind, mag man tatsächlich glauben, dass das mittlere Millionenvermögen noch keine echte Reichtumsgrenze darstellt.
Die weniger wohlwollende Interpretation? Merz ist schlichtweg ein Meister der politischen Selbstinszenierung. Die „obere Mittelschicht“ war ein Versuch, sich nahbarer zu machen, sich als Mann des Volkes zu stilisieren. Doch wie so oft bei den inszenierten Volksnähe-Versuchen der Wohlstands-Elite verheddert er sich in einem grotesken Widerspruch. Denn natürlich ist er kein Teil der Mittelschicht – sondern ein typischer Vertreter der globalen Wirtschafts-Elite, der durch cleveres Positionieren und lukrative Netzwerke ganz oben mitspielt.
Ein Mann des Gestern im Heute
Es wäre unfair, Friedrich Merz bloß auf seine absurden Einkommens-Definitionen zu reduzieren. Er ist auch in anderen Bereichen ein Musterbeispiel für die seltsame Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Ob er sich nun als Vertreter des konservativen „gesunden Menschenverstands“ inszeniert, obwohl er regelmäßig mit kulturpessimistischen Phrasen aus den 90ern um sich wirft, oder sich als Verfechter wirtschaftlicher Vernunft gibt, während er die Interessen der Großindustrie über die der kleinen Leute stellt – Merz ist ein Mann, der sich stets anders sieht, als er ist.
Und genau darin liegt die Ironie: In einem gewissen Sinne ist er doch Mittelschicht – aber nicht in der Einkommenshierarchie, sondern im intellektuellen und politischen Anspruch. Seine Ideen sind nicht neu, seine Positionen nicht originell, sein politisches Talent nicht herausragend. Er ist Mittelmaß in Reinform. Nur eben sehr, sehr gut bezahlt.