
Es gibt Sätze, die bleiben einem im Gedächtnis haften wie Kaugummi unter der Schuhsohle. Nicht, weil sie von unermesslicher Tiefe oder brillanter Eloquenz wären, sondern weil sie ein Vakuum hinterlassen, in dem man die Hoffnung, den Glauben und manchmal auch die Vernunft sucht. Elmar Theveßens jüngste Einlassung bei Maybrit Illner fällt zweifellos in diese Kategorie. „Die gute Nachricht ist, es wird nicht schon am ersten Tag der Frieden ausbrechen, in dieser Region.“ Ein Satz, der so verstörend wie rätselhaft wirkt – eine sprachliche Eselsbrücke, die ins Nirgendwo führt. Man könnte ihn als Scherz auffassen, hätte nicht die deutsche Journalismus-Elite jenes traurige Pokerface perfektioniert, das jeden Ansatz von Ironie im Keim erstickt.
Man fragt sich unweigerlich: War das ein rhetorischer Unfall oder kalkulierte Provokation? Und wenn es das Letztere war – wem sollte damit geholfen sein? Vielleicht war es auch ein unfreiwilliger Blick in den trüben Abgrund unserer gegenwärtigen Medienlogik, die mit dem Zynismus der Alltagspolitik längst ein Liebesverhältnis eingegangen ist. Willkommen im Jahr 2025, wo „gute Nachrichten“ scheinbar bedeuten, dass es wenigstens nicht gleich die Apokalypse gibt. Noch nicht.
Die Kunst des destruktiven Optimismus
Es gibt verschiedene Arten, eine Botschaft zu übermitteln. Manche sprechen Klartext, andere tarnen sich in dichterischen Metaphern. Und dann gibt es jene, die in scheinbar beiläufiger Manier das eigentliche Problem enthüllen, während sie vorgeben, Hoffnung zu verbreiten. Theveßen, man muss es ihm lassen, beherrscht diese letzte Disziplin wie ein Virtuose. Man stelle sich nur den hypothetischen Zuschauer vor, der in seiner Couch versunken diesen Satz hört. Die Stirn kräuselt sich, die Augen werden schmal, und spätestens nach drei Sekunden setzt das große Grübeln ein: „Habe ich das richtig verstanden?“ Ja, lieber Zuschauer, hast du. Die Botschaft ist so klar wie deprimierend: Der Krieg wird weitergehen, und das ist, nun ja, besser, als wenn er nicht weiterginge.
Natürlich ist es unfair, sich allein an Theveßens unfreiwillig grotesker Formulierung abzuarbeiten. Vielleicht wollte er ja nur ausdrücken, dass Trump 2.0 nicht sofort mit dem Zauberstab die Ukraine in ein russisches Protektorat verwandeln wird. Vielleicht war es eine versteckte Spitze gegen die oft naive Vorstellung, dass ein einzelner Mann – sei er Orange oder nicht – den Lauf der Geschichte über Nacht ändern kann. Aber selbst, wenn man dem Satz diese wohlwollende Interpretation zugesteht, bleibt doch der Nachgeschmack einer bitteren Wahrheit: Wir haben uns an den Zynismus gewöhnt, so sehr, dass wir ihn mit „guter Nachricht“ verwechseln.
Die Ukraine als Kulisse für westliche Befindlichkeiten
Ein weiteres Problem des Theveßenschen Bonmots liegt darin, dass es – ohne es auszusprechen – die Ukraine zu einer Art Statistenrolle degradiert. Der Krieg in der Ukraine ist in dieser Lesart weniger eine humanitäre Katastrophe, weniger ein Angriff auf die Grundlagen der europäischen Friedensordnung, sondern vielmehr ein Prüfstein für die geopolitischen Schachzüge eines Donald Trump. Die Ukrainer, so könnte man zynisch formulieren, dürfen in diesem Narrativ weiter leiden, damit wir hier im Westen darüber spekulieren können, was das für die nächste US-Wahl bedeutet. Die eigentlichen Opfer des Konflikts werden zu Schachfiguren, zu Variablen in einem strategischen Planspiel, das mit jedem Tag grotesker wirkt.
Natürlich ist diese Perspektive nicht neu. Sie ist Teil des westlichen Diskurses, der es hervorragend versteht, moralische Entrüstung und strategisches Kalkül miteinander zu verknüpfen, ohne jemals die innere Widersprüchlichkeit zu thematisieren. Wir liefern Panzer, aber keine Jets. Wir sprechen von Prinzipien, aber bitte nicht zu laut, wenn es um Gasimporte geht. Und jetzt also diese „gute Nachricht“, die impliziert, dass wir uns irgendwie mit dem Krieg arrangiert haben, solange er uns nicht zu direkt betrifft.
Der tiefe Fall der Hoffnung
Es ist bezeichnend für den Zustand unserer Zeit, dass selbst die Hoffnung zur Ware geworden ist. Gute Nachrichten sind kein Ausdruck einer besseren Zukunft mehr, sondern eine taktische Durchhalteparole. Sie bedeuten nicht, dass sich etwas zum Positiven wendet, sondern nur, dass es nicht noch schlimmer wird – jedenfalls nicht sofort.
Elmar Theveßen hat das vielleicht gar nicht bewusst so gemeint, aber sein Satz könnte als Lehrbeispiel für die schleichende Erosion unserer Maßstäbe herhalten. Wo einst Visionäre und Optimisten über Frieden und Gerechtigkeit philosophierten, analysieren wir heute nüchtern, wie lange ein Krieg noch dauern könnte, bevor er „geopolitisch relevant“ wird. Das ist keine Kritik an Theveßen allein, sondern an einer gesamten Klasse von Kommentatoren, die sich irgendwo zwischen Expertenmeinung und Boulevard-Alarmismus eingerichtet haben.
Zwischen Ironie und Tragik
Am Ende bleibt nur die Frage, ob man über all das lachen oder weinen sollte. Vielleicht ist Theveßens Satz genau deshalb so verstörend, weil er die Absurdität unserer Lage in aller Kürze zusammenfasst. Vielleicht ist es aber auch genau das, was ihn zu einer unfreiwilligen Satire auf unsere eigene Hilflosigkeit macht.
Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in den Worten des großen Kurt Tucholsky Trost zu suchen: „Satire darf alles.“ Sogar gute Nachrichten über einen nicht eintretenden Frieden.