
Wenn Geben seliger ist als Nehmen
Wohl dem Land, das genug hat, um zu geben. Und wohl noch seliger jenem, das dies nicht nur tut, sondern dabei auch mit einer Mischung aus selbstloser Großzügigkeit und bewundernswerter Naivität jegliche Fragen nach dem Verbleib der Mittel als ungehörig abtut. Deutschland, dieser moralische Riese mit Hang zur chronischen Vergangenheitsbewältigung, hat im vergangenen Jahr über 142 Millionen Euro an das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) überwiesen. Ein stolzer Betrag. Und ein deutliches Zeichen, dass wir weiterhin mit leuchtendem Beispiel vorangehen, auch wenn andere Länder sich mit missbilligendem Kopfschütteln abwenden.
Moral als Währung: Ein Exportgut der Extraklasse
In einem Land, in dem Kinderheime um jeden Euro kämpfen, Schulen in Trümmern liegen und Rentner in Mülltonnen nach Pfandflaschen suchen, ist es nur folgerichtig, dass die politische Klasse sich einem wahrhaft erhabenen Ziel verschreibt: der Verbesserung der Lebensumstände anderswo. Denn nichts drückt moralische Reinheit besser aus als die Umverteilung von Steuergeldern an eine Organisation, deren Namen in internationalen Untersuchungen immer wieder in unangenehme Kontexte gerät. Es ist der Stoff, aus dem Legenden gewebt werden: ein mitleidvolles Volk, das sich in selbstloser Hingabe überbietet, während der eigene Sozialstaat mit grimmiger Sparpolitik auf Effizienz getrimmt wird.
Ein Fass ohne Boden oder ein Hoffnungsträger?
Dass einige Staaten, darunter die USA und die Schweiz, nach den Vorwürfen gegen UNRWA-Mitarbeiter, die in den Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 verwickelt gewesen sein sollen, ihre Zahlungen eingestellt haben, sollte uns in Deutschland natürlich nicht weiter beunruhigen. Wir lassen uns von solch kleinlichen Bedenken nicht irritieren. Ist doch allein schon der Zweifel an der Unfehlbarkeit der UNRWA ein Zeichen von Zynismus und fehlendem globalen Verantwortungsbewusstsein!
Gewiss, es gibt Berichte, dass sich mitunter fragwürdige Strukturen innerhalb der UNRWA breitgemacht haben. Doch sollte uns das von unserer humanitären Mission abbringen? Sicherlich nicht! Schließlich sind 142 Millionen Euro – oder gar die insgesamt über 440 Millionen Euro an Palästinenserhilfen in 2024 – doch nur ein kleiner Preis für unser Seelenheil.
Das Problem mit der Kontrolle: Wer will schon genau wissen, wohin das Geld fließt?
Nun fordern einige unverbesserliche Bedenkenträger tatsächlich eine „stärkere Kontrolle der zweckgemäßen Mittelverwendung“. Wie kleinlich! Als wäre es unser Anliegen, den Empfängern unserer Großzügigkeit Vorschriften zu machen. Nein, Deutschland gibt bedingungslos. Kontrolle ist etwas für Kleingeister. Wir aber, die wir uns der reinen, selbstlosen Hilfe verschrieben haben, fragen nicht nach der Effizienz unseres Tuns. Denn über allem steht die unverrückbare Gewissheit: Die Welt braucht uns. Mehr als wir uns selbst brauchen.
Ein Hoch auf die unerschütterliche Spendenfreude!
Machen wir uns also nichts vor: Auch in Zukunft wird Deutschland nicht davon abrücken, der größte Geber der UNRWA zu bleiben. Natürlich zahlen wir auch fleißig in den EU-Haushalt ein, der seinerseits wiederum Mittel an das Hilfswerk verteilt. Unsere Spendierhosen sitzen so fest, dass es kaum noch eine Frage des Ob ist – sondern nur des Wieviel.
Und so dürfen wir uns weiterhin daran erfreuen, wie unser Geld in der großen, weiten Welt Gutes tut. Oder zumindest Gutes tun soll. Oder vielleicht einfach nur Gutes zu tun vorgibt. Aber wer will sich mit solchen Details schon aufhalten? In Deutschland gibt es eben für alles ein Budget – und für Bedenken leider keines.