Die große Gleichzeitigkeit des Verschweigens und Verkündens

Es war einmal ein Stromausfall. Kein romantisches Kerzenlicht bei Rotwein im baskischen Hirtendorf, sondern ein kompletter Zusammenbruch des Stromnetzes auf der Iberischen Halbinsel – jener sonnendurchfluteten Insel der Glückseligen, die weder Insel noch selig ist, aber dafür zuverlässig mit heißer Luft versorgt wird, auch wenn die Ventilatoren ausfallen. Schuld, so munkelten einige Elektriker mit Restverstand, war das flatterhafte Wesen erneuerbarer Energien – diese meteorologischen Diven, die sich weigern, zuverlässig zu liefern, wenn der Mensch sie braucht, und dafür Überfluss speien, wenn keiner ihn will. Doch so etwas darf man nicht sagen. Nicht einmal denken. Denn plötzlich herrscht Dunkelheit – nicht nur auf der iberischen Steckdose, sondern vor allem in der medialen Großhirnrinde unserer Republik.

Wer sucht, der findet nichts. Kaum Schlagzeilen. Keine Brennpunkte. Kein investigativer Nervenzusammenbruch mit Kamerateam in der Trafostation. Keine sorgenvollen Talkrunden mit Habeck und Heizstrahler. Und wenn doch, dann allenfalls im verschämten Kleingedruckten der Digitalhölle – hinter der Cookie-Wall, wo das gemeine Nachrichten-Nagetier eh nicht mehr schürft. Es war ein „Nicht-Ereignis“, das sich durch das Fehlen seiner eigenen Darstellung ins kollektive Bewusstsein derer eingebrannt hat, die gelernt haben, zwischen den Schlagzeilen zu lesen. Es war, mit Verlaub, eine Informationsverweigerung von epochalem Ausmaß – ein Schelmenstreich der Verdeckung, orchestriert vom Orchester der Scheinaufklärung.

„Gesichert rechtsextrem“ – und medienwirksam versiegelt

Vom Mainstream-Megaphon zur moralischen Maschinenpistole

Ganz anders dagegen die AFD, dieses mediale Perpetuum Mobile der Empörung, das – ob steigend oder fallend in den Umfragen – stets den Stoff für Schlagzeilen liefert. „Gesichert rechtsextrem“ titelt es nun allerorten – eine Etikettierung, so offiziell wie ein TÜV-Stempel, so präzise wie ein deutsches Formularwesen und so erquicklich für das sendungsbewusste Herz wie ein doppelter Espresso für den Chefredakteur, der endlich wieder eine Story hat, bei der er nicht differenzieren muss.

Hier sind alle Kanäle voll aufgedreht: Talkshows überschlagen sich in moralischem Orgelspiel, Presseschaffende erklären mit bebender Stimme die Notwendigkeit, „klare Kante zu zeigen“ (ein Slogan, der klingt, als hätte man ihn aus einem Friseursalon für maskuline Selbstfindung entführt), und der öffentlich-rechtliche Rundfunk jongliert zwischen Bildungsauftrag und Gesinnungsdressur. Die AFD – ob man sie mag oder nicht – ist der Clickgarant, das Feindbild mit eingebauter Selbstvergewisserung: Solange es die gibt, ist man selbst noch auf der richtigen Seite. Ein mediales Reinwaschungsritual in Echtzeit.

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Die doppelte Wahrheit der vierten Gewalt

Was berichtet wird – und was nicht – erzählt mehr als der Inhalt selbst

Und so steht sie da, die deutsche Medienszene, diese einst stolze Bastion der Aufklärung, mit schiefem Helm und blankem Schwert, bereit, die Wahrheit zu verteidigen – solange sie in das ideologisch genehmigte Raster passt. Es ist eine merkwürdige Dialektik, diese Gleichzeitigkeit des Überberichtens und des Unterlassens, des Hochkochens und des Versickerns, des lärmenden Schweigens und des dröhnenden Murmelns. Eine Dialektik, die nicht auf Aufklärung zielt, sondern auf Einrahmung. Was wichtig ist, bestimmen nicht mehr Ereignisse, sondern Haltungen. Und Haltung ist, was die Redaktion draus macht.

Die „Nicht-Berichterstattung“ über den iberischen Blackout – verursacht durch die sprunghafte Natur jener Energien, die wir mit staatsnaher Inbrunst als unsere Zukunft feiern – zeigt, wie sehr Berichterstattung zur Kuratierung geworden ist: Die Realität wird nicht mehr erklärt, sondern vorsortiert, etikettiert, auf Instagram-Format zusammengedampft oder im Archiv versenkt. Währenddessen wird die politische Rechte – und sei sie noch so demokratisch gewählt – mit dem semantischen Flammenwerfer bearbeitet. Beides folgt demselben Prinzip: Aufmerksamkeit ist kein Spiegel der Relevanz, sondern ein Werkzeug der Steuerung.

Fazit: Der journalistische Offenbarungseid im Spiegel der selektiven Aufklärung

Wie man mit der Wahrheit Schach spielt – und dabei immer Weiß zieht

Was sagen diese beiden Beispiele – die verschämte Auslassung dort, die lärmende Fixierung da – über den Zustand unserer Medien aus? Sie zeigen, dass der Journalismus in großen Teilen nicht mehr Beobachter ist, sondern Mitspieler. Ein Schiedsrichter mit Lieblingsmannschaft, ein Kommentator mit Parteibuch, ein Chirurg mit Missionsauftrag. Der noble Auftrag der Presse – Macht zu kontrollieren, Licht ins Dunkel zu bringen, Orientierung zu geben – ist auf seltsame Weise mutiert: Zur moralischen Redaktion mit Narrativbindung. Zur Haltungsfabrik.

Wer nun sagt, das sei überzogen, der möge sich fragen: Warum herrscht Funkstille beim Blackout, und Dauerfeuer bei der AFD? Warum ist ein Stromnetz weniger berichtenswert als ein Verfassungsschutzurteil? Warum wird der eine Skandal versendet wie ein Werbespot – und der andere verschluckt wie ein unliebsames Furzgeräusch in der Tagesschau?

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Die Antwort ist ebenso banal wie beunruhigend: Weil nicht Wahrheit zählt, sondern Narrativkohärenz. Der gute Journalismus stirbt nicht am Fake, sondern am Frame.

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