Die große Gleichheitsparty

Zwischen Euphemismus und Realitä

„Diversität ist unsere Stärke!“ prangt es in leuchtenden Lettern über dem Empfangsbereich moderner Unternehmen. Das Logo ist natürlich in Regenbogenfarben getaucht, denn wer es nicht tut, macht sich verdächtig. Ein Katalog der Tugendhaftigkeit liegt aus – voll von Versprechungen über Inklusion, Gleichberechtigung und die Wichtigkeit, jeden mitzunehmen. Natürlich nur, solange er oder sie keine zu laute Meinung hat. Denn, oh Ironie der neuen Weltordnung, die glorreiche Mission der Vielfalt erlaubt keine abweichenden Ansichten.

Die DEI-Strategie, so wird uns erklärt, sei keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Ohne sie wäre der Unternehmensgeist wie ein karges Wüstenfeld, in dem jegliche Kreativität verdorrt. Klingt edel, nicht wahr? Aber wie viel dieser Erzählung basiert tatsächlich auf dem Streben nach einem besseren Miteinander – und wie viel auf der verzweifelten Angst vor öffentlichem Shitstorm und Social-Media-Mob?

Wie Workshops die Welt retten sollen

Wer je das Vergnügen hatte, an einem „Inklusions-Workshop“ teilzunehmen, kennt das Prozedere: Eine strahlende Moderatorin, vermutlich mit mindestens einer extravaganten Frisur, erklärt den Begriff der „unconscious bias“. Die Teilnehmerinnen, peinlich bemüht, keine Fehler zu machen, nicken beflissen. Wer wagt es schon, die heilige Kuh der Diversität infrage zu stellen? Wer nicht mitzieht, wird kurzerhand zum Fossil des 20. Jahrhunderts erklärt.

Nach der Pause gibt es praktische Übungen. Zwei Minuten intensiver Augenkontakt mit Kolleg*innen (außer natürlich, es wird als unangenehm empfunden, denn Consent matters), gefolgt von Fragen wie: „Wie können wir ein sichereres Umfeld schaffen?“ Die Antworten sind immer dieselben: mehr Schulungen, mehr Toleranz, mehr Akzeptanz. Alles schön und gut, aber was hat das mit der Realität zu tun, in der der Praktikant immer noch den Kaffee holt und Frauen in Führungspositionen wie Einhörner erscheinen?

Zahlen lügen nicht – oder doch?

Statistiken werden herangezogen, um zu beweisen, wie viel „besser“ diverse Teams performen. Der ROI von Diversität wird in Millionenbeträgen ausgedrückt, aber die Details bleiben nebulös. Es geht nicht um Menschen, es geht um Zahlen. Ein Mann, eine Frau, jemand aus der LGBTQ+-Community und eine Person mit Migrationshintergrund in einem Raum? Perfekt! Die KPI ist erfüllt, und wenn man Glück hat, entwickelt sich sogar ein funktionierendes Team. Wenn nicht? Na ja, Hauptsache, es sieht auf dem Unternehmensprofil gut aus.

TIP:  Das Comeback eines Untoten im Maßanzug

Doch wehe dem, der darauf hinweist, dass wahre Diversität nicht an der Hautfarbe oder sexuellen Orientierung abgelesen werden kann, sondern an der Vielfalt der Gedanken. Das wäre zu komplex, zu anstrengend, zu gefährlich. Lieber bleibt man bei den einfachen Lösungen: Schubladen auf, Menschen hinein, Label drauf.

Wenn Werte zur PR werden

Es gibt diese wunderbaren Momente im Jahr, wenn Unternehmen sich besonders tugendhaft präsentieren: der Pride Month, der Weltfrauentag, der Internationale Tag gegen Rassismus. Mit penibler Präzision werden Social-Media-Kampagnen ausgearbeitet, Banner aufgehängt, Hashtags gepostet. In diesen Wochen ist kein Konzern zu klein, um nicht lauthals seine „Wokeness“ zu verkünden.

Hinter den Kulissen jedoch sieht es oft anders aus: Der Gender Pay Gap ist noch immer so breit wie der Grand Canyon, und die Entscheidungsträger*innen sind in ihrer überwältigenden Mehrheit männlich, weiß und – Überraschung – über 50. Aber das ist egal, denn die Marketingabteilung hat ganze Arbeit geleistet. Und wer es wagt, Kritik zu üben, bekommt umgehend einen Vortrag über die „komplexen Herausforderungen“ der Umsetzung.

Das Echo der Bubbles

Die Ironie, dass eine Bewegung, die sich Vielfalt und Akzeptanz auf die Fahnen geschrieben hat, so oft keine Kritik verträgt, könnte Stoff für ein ganzes Theaterstück liefern. Die Rhetorik der Diversität ist inzwischen so unantastbar, dass jede Form von Skepsis automatisch als feindlich, rückständig oder – der Klassiker – als „privilegiert“ abgestempelt wird. Dabei ist es keineswegs verwerflich, zu fragen, ob die endlosen Schulungen und Strategien wirklich nachhaltige Veränderungen bringen oder nur eine teure Übung in Selbstbeweihräucherung sind.

Die unperfekte Perfektion

Was bleibt also von der großartigen DEI-Mission? Ein gut gemeinter Ansatz, der allzu oft in symbolischer Geste und oberflächlichem Marketing stecken bleibt. Ja, Diversität ist wichtig, Gleichberechtigung unverzichtbar und Inklusion das Gebot der Stunde. Aber sie sind keine Ziele, die sich durch Hochglanz-Poster und Buzzwords erreichen lassen.

Vielleicht ist es an der Zeit, den Anspruch der Perfektion abzulegen und stattdessen das Menschliche in den Mittelpunkt zu stellen – inklusive all seiner Widersprüche, Schwächen und Ecken. Denn echte Vielfalt bedeutet auch, Platz für Fehler zu lassen. Und vielleicht, ganz vielleicht, wäre das der ehrliche Anfang eines tatsächlich inklusiveren Miteinanders.

Please follow and like us:
Pin Share