Die gelenkte Masse

Es war einmal ein Märchen, das so oft erzählt wurde, dass man es für wahr hielt: das Märchen der freien Meinung. Seine gläubigen Anhänger predigten von einem pluralistischen Paradies, in dem jeder Bürger seine Überzeugungen unbehelligt hegen und pflegen dürfe, als wären sie sorgsam gehegte Bonsai-Bäumchen – individuell, wohlgestaltet und autonom gewachsen. Doch wie jeder halbwegs aufgeweckte Mensch inzwischen bemerkt haben sollte, wird die Meinung der Masse nicht nur beeinflusst, sondern mit chirurgischer Präzision geformt, bearbeitet, getrimmt und, falls nötig, amputiert.

Die Magier der Meinung: Wer lenkt das Denken?

Edward Bernays, der große Puppenspieler der Public Relations, wusste bereits vor hundert Jahren: Die herrschende Minderheit benötigt nur das richtige Werkzeug, um die Mehrheit nach ihrem Willen tanzen zu lassen. Und siehe da, die Mittel zur Massenbeeinflussung haben sich seither geradezu kunstvoll verfeinert. Früher bedurfte es noch grober Propagandamethoden, martialischer Plakate und pathetischer Reden. Heute reichen geschickt platzierte Narrative, wiederholte Schlagworte und eine Prise Empörung, um das öffentliche Denken in gewünschte Bahnen zu lenken.

Die Medien? Unabhängig! Natürlich – so unabhängig wie der Dompteur vom Zirkusdirektor. Was sich als kritischer Journalismus ausgibt, ist in Wahrheit oft nur gut kaschierte Agenda-Umsetzung. Wer zahlt, bestimmt die Musik, und die Konzerne, Stiftungen und Regierungen, die das Orchester finanzieren, wünschen sich eine einheitliche Melodie, die in den Ohren der Massen als harmonische Wahrheit erklingt.

Der selbstverschuldete Gedankenkäfig

Nun könnte man meinen, dass die Bevölkerung irgendwann misstrauisch würde. Dass die ewige Wiederholung identischer Phrasen in Leitmedien und „unabhängigen“ Fact-Checking-Portalen Verdacht erregen müsste. Doch weit gefehlt! Die Kunst der Manipulation besteht nicht nur darin, Gedanken zu lenken, sondern auch, den Glauben zu etablieren, dass man diese Gedanken selbst gedacht hat. Wer in seinem eigenen Kopf eine Meinung entdeckt, die zufällig exakt der medialen Erzählung entspricht, hält sich für informiert und klopft sich auf die Schulter. „Ich habe mir eine eigene Meinung gebildet!“, sagt er – und merkt nicht, dass er nur die vorgefertigte Meinung wiederkäut, die ihm serviert wurde.

TIP:  IM Journalist

Und wehe dem, der aus dem Chor der Gleichdenkenden ausschert! Wer es wagt, gegen die orchestrierte Wahrheit aufzubegehren, wird gnadenlos mit der moralischen Keule erschlagen. Von „Desinformation“ bis „gefährlicher Verschwörungstheorie“ reicht das Repertoire der modernen Gedankenpolizei, die mit der Eleganz eines Vorschlaghammers jede Abweichung niederknüppelt.

Der Konsument als Komplize

Doch was wäre das System der gelenkten Meinung ohne seine eifrigen Vollstrecker? Die Masse selbst spielt eine nicht unwesentliche Rolle in diesem absurden Theater. Wie Lemminge, die sich gegenseitig zur Klippe treiben, bekämpfen sich Menschen im Namen einer Wahrheit, die nicht die ihre ist. Mit Feuereifer überwachen sie sich gegenseitig, korrigieren sich in sozialen Medien und stellen sicher, dass niemand den vorgegebenen Pfad verlässt. Es ist eine Form der freiwilligen Zensur, die so effizient ist, dass die alte autoritäre Methoden längst obsolet geworden sind. Orwell hätte seine Freude daran.

Der letzte Akt: Ein Applaus für die Illusion!

Und so stehen wir hier, bewundern unser eigenes geistiges Gefängnis und nennen es Freiheit. Wir lachen über vergangene Diktaturen, über plumpen Stalinismus und die groteske Propaganda vergangener Epochen – und merken nicht, dass wir heute in einer raffinierteren Version desselben Spiels gefangen sind.

Vielleicht, nur vielleicht, gibt es noch Hoffnung. Aber wer will schon die unbequeme Wahrheit hören, wenn die Lüge so süß klingt?

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