Der Staat macht keine Fehler

In einer Ära, die sich gerne als die Spitze der Aufklärung und Rationalität feiert, hat sich eine alte Weisheit still und heimlich wieder in das gesellschaftliche Gedächtnis eingeschlichen: Die Unfehlbarkeit der Autorität. Wir dachten, die Zeiten, in denen ein Mensch unantastbar, über jegliche Kritik erhaben war, seien längst vorbei. Doch, ach, wie töricht war diese Annahme! Robert Habeck, seines Zeichens Vizekanzler und Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, hat uns mit einem einzigen Satz von unserem Irrglauben befreit: „Der Staat macht keine Fehler.“

Nun, wenn man lange genug in der Politik tätig ist, könnte man vielleicht irgendwann auch das Gefühl entwickeln, dass man auf eine göttliche Position aufgestiegen sei. Die Logik dahinter? Wenn man lange genug an den Schalthebeln der Macht sitzt, umgeben von Beamten, Beratern und Lobbyisten, fängt man offenbar irgendwann an zu glauben, dass das, was man selbst tut, keine Fehlbarkeit mehr besitzt. Und falls doch etwas schiefgeht? Nun ja, das war dann sicher eine „äußere Einwirkung“ – oder noch besser: „höhere Gewalt“.

Der grüne Papst und sein Heiligenschein

Klingt das nicht vertraut? Wir haben das doch irgendwo schon einmal gehört. War da nicht eine Geschichte im 19. Jahrhundert, als der Papst auf dem Ersten Vatikanischen Konzil feierlich verkündete, dass er – zumindest in Glaubens- und Sittenfragen – unfehlbar sei? Ach ja, ex cathedra, so nannte man das. Wie wunderbar bequem! Der Papst, das Oberhaupt der katholischen Kirche, war ab sofort nicht mehr zu hinterfragen, wenn er seine Weisheiten über das gemeine Volk ausbreitete. Und heute? Heute haben wir die Minister, die Grünen Minister, die nach ähnlichem Prinzip ihre Wahrheiten verkünden.

Man stelle sich den Grünen Minister vor, wie er in seinem modernen päpstlichen Gewand vor den Mikrofonen steht. Nicht in Rom, sondern in Berlin. Nicht mit einem goldenen Stab, sondern mit einem nachhaltigen, biologisch abbaubaren Holzmicroschalter in der Hand. „Liebe Untertanen, der Staat macht keine Fehler!“ Der Satz prallt von der Wand des Bundeskanzleramts wider und hallt in den Köpfen widerwillig applaudierender Journalisten nach, die allesamt wissen: Kritik ist hier fehl am Platz.

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Die Logik des Unfehlbaren

Aber, meine Damen und Herren, was bedeutet das eigentlich, dass der Staat keine Fehler macht? Haben wir hier etwa das Ende jeglicher Verantwortlichkeit erreicht? Brauchen wir keine Rücktrittsdebatten mehr, wenn Projekte krachend scheitern, wenn öffentliche Gelder verschwendet werden, wenn die Bürger in kalten Wohnungen sitzen, weil das Wärmekonzept der Regierung gerade auf halber Strecke in sich zusammenbricht? Nein, denn der Staat macht ja keine Fehler.

Man könnte fast meinen, es sei eine spirituelle Erfahrung, Teil dieses Staates zu sein. Der grüne Minister ist nur ein Kanal für die höhere Weisheit, die durch ihn fließt. Wenn er spricht, dann verkündet er die unbestreitbare Wahrheit – eine Wahrheit, die über das Volk hinwegrauscht wie ein Windstoß, der lediglich dazu dient, die Blätter der öffentlichen Meinung ein wenig aufzufrischen.

Denken wir an die großen Projekte der letzten Jahre. Nehmen wir die Energiewende: ein leuchtendes Beispiel für staatliche Perfektion! Die Deutschen sind bekanntlich Spitzenreiter im „Wir retten die Welt“-Marathon, und die Idee, die gesamte Energieversorgung eines Industrienation auf Wind und Sonne umzustellen, mag für Laien ambitioniert klingen, aber das Volk muss verstehen: Es ist der Weg der Unfehlbarkeit. Es gibt keinen Plan B. Die Tatsache, dass das Stromnetz wackelt und die Industrie stöhnt, ist nichts als eine lästige Randerscheinung auf dem unvermeidbaren Pfad zur Erleuchtung. Denn der Staat macht keine Fehler.

Die Partei hat immer Recht

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an das Lied, dasin der DDR, diesem Vorreiter der lupenreinen Demokratie, gerne gesungen wurde: „Die Partei, die Partei, die hat immer recht!“ Nun, es scheint, als ob wir nicht so weit von dieser Geisteshaltung entfernt sind, wie wir dachten. Doch jetzt singen wir das Lied nicht mehr in den Plattenbauten von Ost-Berlin, sondern in den schicken Co-Working-Spaces von Kreuzberg, in denen der Latte Macchiato vegan ist und die Moral über jeden Zweifel erhaben.

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Was läuft da eigentlich falsch? Haben wir es verlernt, den Staat zu hinterfragen? Die Antwort ist simpel: Es braucht gar keine kritische Auseinandersetzung mehr. Wenn die Unfehlbarkeit einmal festgelegt wurde, wird jede Form von Kritik zur Häresie. Wer es wagt, Zweifel an den großen Plänen zu äußern, ist ein Ketzer – oder, wie es heute so schön heißt: ein „Klimaleugner“, ein „Verweigerer des Fortschritts“ oder, noch schlimmer, ein „rechter Populist“.

Fehler, ach, das waren doch nur Alternativlosigkeiten!

Selbstverständlich gibt es in diesem System keinerlei Fehler. Es gibt nur Alternativen, die alternativlos waren. Nehmen wir die völlig zufällig gewählte Situation, in der ein Ministerium über Nacht den Geldhahn für ein energiepolitisches Mammutprojekt zusperrt, weil irgendein kleiner Paragraph übersehen wurde. Natürlich hat hier niemand einen Fehler gemacht! Es war die „beste verfügbare Option“, die zufällig zu einer Vollkatastrophe führte. Aber hey, solange niemand mehr friert, ist doch alles gut, oder? Ach ja, der Winter steht ja erst noch vor der Tür…

Man kann sich nur schwerlich des Eindrucks erwehren, dass diese Form der Unfehlbarkeit eine charmante Parodie auf den gesunden Menschenverstand ist. Man wünscht sich förmlich, dass jemand aufspringt und laut ruft: „Aber er hat ja gar nichts an!“, wie in dem Märchen vom Kaiser ohne Kleider. Doch der Hofstaat schweigt – aus Angst, den warmen Platz an der Heizung zu verlieren.

Ein kritischer Blick hinter den Vorhang

Schließlich drängt sich die Frage auf: Was macht diesen Mechanismus der Unfehlbarkeit so wirkmächtig? Es ist die Mischung aus Ideologie, Selbstgerechtigkeit und der stillschweigenden Akzeptanz einer Bevölkerung, die aus Angst, als „unprogressiv“ oder gar „rückschrittlich“ zu gelten, jede noch so absurde Maßnahme hinnimmt.

Es geht nicht mehr um rationale Debatten, um das Abwägen von Pro und Kontra. Nein, es geht um Glaubensbekenntnisse. Du glaubst an die Energiewende, oder du bist ein Ketzer. Du glaubst an die staatliche Unfehlbarkeit, oder du bist ein Feind des Fortschritts. Es ist kein Wunder, dass in dieser neuen Welt die Minister wie Hohepriester agieren. Denn wer die Macht hat, über die Wahrheit zu entscheiden, hat auch die Macht, die Realität zu formen.

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Der grüne Kaiser in neuen Kleidern

Am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass die „Unfehlbarkeit des Staates“ nichts weiter ist als ein neues Kleid für die alte Anmaßung, die uns schon Jahrhunderte begleitet: die Idee, dass Macht nicht hinterfragt werden darf. Und ob es sich dabei um einen Kaiser ohne Kleider, einen Papst ex cathedra oder einen Grünen Minister handelt, macht am Ende keinen Unterschied.

Aber wir, das gemeine Volk, müssen daran glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind – auch wenn wir frieren, auch wenn der Strom ausfällt, auch wenn die Preise explodieren. Denn: Der Staat macht keine Fehler. Oder?


Weiterführende Literatur und Quellen:

  • Enzyklika „Pastor Aeternus“ (Erstes Vatikanisches Konzil, 1870) zur Unfehlbarkeit des Papstes.
  • „Die Energiewende: Ein Überblick“ – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
  • „Die Partei hat immer recht“ – Die schönsten Lieder aus der DDR.
  • „Politische Unfehlbarkeit im 21. Jahrhundert“ – Ein Essay von Hans-Ulrich Wehler.
  • „Robert Habeck: Vom Grünen Philosophen zum Minister der Unfehlbarkeit“ – Artikel aus der Zeit.
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