
Ein Land fährt gegen die Wand
Ach, Deutschland und das Auto, das ist eine Liebesgeschichte, die tragischer endet als „Romeo und Julia“. Einst die unangefochtene Krone der Industrienationen, der glänzende Stern am Firmament der Ingenieurskunst, das Synonym für Präzision und Pioniergeist. Wir erfanden nicht nur das Automobil, wir machten es zum Fetisch! Jahrzehntelang war es undenkbar, dass irgendetwas dem Autoland Deutschland Schaden zufügen könnte. Selbst die verkehrsreichen Straßen unserer verstopften Innenstädte und die endlosen Blechkarawanen auf der A8 nach Stuttgart schienen nur kleine Schönheitsfehler in dieser doch so glänzenden Lackierung zu sein. Doch jetzt, in einer Ironie von fast Shakespearescher Dimension, erleben wir einen Absturz, wie er dramatischer nicht sein könnte. Denn, meine Damen und Herren, das Autoland ist abgebrannt.
Ein Märchen, das keines blieb
Es begann wie ein Märchen. Die legendären Namen – Mercedes, BMW, Volkswagen – hatten einen beinahe mystischen Klang, schallten weltweit durch die Straßen, und man sah vor dem inneren Auge prächtige Karossen, Chrom und Stil, Eleganz und Macht. Dann kam Dieselgate. Nicht etwa eine Naturkatastrophe oder ein feindlicher Angriff, sondern ein hausgemachter Skandal, der die Grundfesten unseres heiligen Automobils tief erschütterte. Das, was seit Jahrzehnten keiner Revolution, keinem Krieg und keinem Ölpreisschock gelang, hat der Diesel mit einer schmutzigen Wolke an Stickoxiden und Lug und Betrug in wenigen Monaten vollbracht. Die glänzenden Fronten der Luxuskarossen rissen auf, und wir blickten in eine gähnende Leere, eine Dreckschleuder ohne Zukunft, den Dinosaurier der Fortbewegung.
Und was kam dann? Das Zauberwort „Elektromobilität“! Die Hoffnung aller Politiker, die Lösung für alles – von der Umweltverschmutzung bis zum schlechten Gewissen. Aber bei näherer Betrachtung wirkt es so, als würden wir an einer Party teilnehmen, auf der niemand über den Strom redet, der diese Fahrzeuge betreiben soll, über die Ressourcen, die man braucht, um Batterien zu bauen, oder über die schmutzigen Geheimnisse des globalen Lithium- und Kobaltabbaus. Nein, wir sitzen da und träumen von „sauberen“ Fahrzeugen, die nicht nur das Klima, sondern auch unser Image retten sollen, ohne zu merken, dass die glanzvolle Zukunft des Elektroautos mit der Geschwindigkeit einer Tiefkühltruhe voranschreitet.
Eine Revolution im Leerlauf
Die große „Verkehrswende“ wurde ausgerufen! So kämpferisch klingt das, als seien wir kurz davor, die Autobahnen zu verlassen und statt des Autos das Fahrrad zu einem nationalen Fetisch zu machen. Doch die Revolution rollt mehr als dass sie rast. Unser altes System aus SUV, Kombi und Diesellaster sitzt so tief in unseren Straßen wie der Ruß im Auspuff eines alten Golfs, und anstatt eine zukunftsweisende Veränderung einzuleiten, setzen wir auf halbherzige „Mobilitätskonzepte“ – wie eine Fitnessstudio-Mitgliedschaft, die niemand nutzt.
Und während sich junge Aktivisten mit Radwegen und autofreien Städten rühmen, träumt der deutsche Durchschnittsbürger weiter von zwei Tonnen Metall, die ihn sicher von der Couch zum Supermarkt bringen, am besten ohne an Geschwindigkeit oder Annehmlichkeiten zu verlieren. Man könnte sagen, dass die Verkehrswende weniger ein Plan als vielmehr ein Placebo ist, um uns alle ruhigzustellen, während wir von einer unerschütterlichen Autofantasie in die nächste schlittern. Vielleicht glauben wir auch, die 50 Jahre Verkehrspolitik, die sich exklusiv aufs Auto konzentriert hat, ließen sich mit ein paar schlecht geplanten E-Scooter-Strecken und Radwegen rückgängig machen. Lächerlich!
Die deutsche Seele und die PS-Perspektive
Der wahre Grund für den Zusammenbruch des Autolands ist kein technisches Problem. Es ist das Ende eines nationalen Lebensgefühls. Autos waren für uns Deutsche nie einfach nur Transportmittel; sie waren Statements, Statussymbole, psychologische Krücken, auf denen unser Selbstverständnis ruhte. Wenn wir also auf das Automobil verzichten sollen, fühlt sich das an wie eine radikale Persönlichkeitsstörung. Da stehen wir dann in unseren Garagen, blicken auf die glänzenden Aluräder unseres Schätzchens und fragen uns, ob das wirklich alles gewesen sein soll.
Für einen Amerikaner mag das Auto nur ein Mittel zum Zweck sein. Für den Deutschen ist es der einzige Ort, wo er echte Freiheit erleben kann – nämlich auf der Autobahn, ohne Geschwindigkeitslimit, das Herz bis zum Anschlag aufgedreht. Jeder Versuch, dieses Gefühl zu rationalisieren, ist ein Affront gegen die deutsche Seele. Ein Land ohne Auto ist für viele wie ein Meer ohne Wasser: eine reine Absurdität. Die Deutsche Bahn mag dafür plädieren, uns alle in ihre hoffnungslos überfüllten Waggons zu quetschen, doch allein die Vorstellung lässt viele das kalte Grausen packen. Die Seele des Deutschen verlangt nach Motor und Freiheit – ein Dilemma, das sich wohl kaum überbrücken lässt.
Die düstere Zukunft der Elektromobilität
Natürlich setzen wir alles auf die Elektromobilität. Die Idee, dass ein Tesla oder ein ID.3 die Welt retten könnte, ist ja auch ganz nett. Aber die Ironie an der Sache ist kaum zu übersehen: Die Rohstoffe, die wir für diese „grüne Revolution“ benötigen, stammen aus Ländern, in denen man Menschenrechte und Umweltschutz mit Füßen tritt. China besitzt einen Großteil der seltenen Erden, Kobalt wird im Kongo unter Bedingungen abgebaut, die an die Frühzeit der Industrialisierung erinnern. Ist das unsere „grüne“ Zukunft? Für den Anschein der ökologischen Verantwortung opfern wir Werte, die uns angeblich heilig sind. Wir kaufen uns ein reines Gewissen und vergessen dabei, dass es auf den Rücken der ärmsten Menschen auf dieser Erde geschieht.
Und doch machen wir weiter. Die Schlagzeilen klingen vollmundig, die Politik scheint entschlossen, und das „Autoland Deutschland“ wird immer wieder neu beschworen – als hätte der blinde Glaube daran schon einmal irgendwas gebracht. Und so rasen wir in die Zukunft, halbherzig elektrisch, irgendwie nachhaltig und doch tief im Inneren zerrissen.
Von Blechromantik zu Burnout
Und hier stehen wir nun, mit einem Fuß in der Vergangenheit und einem in der Zukunft, und wissen nicht, wohin wir sollen. Wir taumeln durch den Nebel des fossilen Erbes, des Elektromärchens und der verkehrspolitischen Ratlosigkeit. Wir haben uns aus wirtschaftlicher Gier, aus nationaler Selbstüberschätzung und aus purem Narzissmus in diese Krise gefahren – und das auch noch im sprichwörtlich „grünen“ Deutschland. Die Zukunftsvisionen der deutschen Autobauer schwanken zwischen der nostalgischen Sehnsucht nach einem „Motorenwunder“ und den unsicheren Aussichten einer überteuerten E-Autoflotte, die keiner wirklich will.
Die verbrannte Erde des Autolands
Das Autoland ist abgebrannt, aber vielleicht auch nur in unseren Köpfen. Es mag zynisch klingen, aber wir haben uns selbst überfahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Deutschland steht mit qualmendem Motor am Straßenrand der Geschichte und scheint es noch nicht einmal zu bemerken. Solange wir uns krampfhaft an einem veralteten Selbstbild festklammern, werden wir weiter im Kreis fahren, im Leerlauf. Ein bisschen Hybrid hier, ein bisschen Elektro da, und jede Menge heiße Luft in der politischen Debatte – das ist der wahre Untergang der deutschen Autofantasie. Der Rauch verzieht sich, die Trümmer bleiben.
Quellen und weiterführende Links:
- Spiegel Online, „Das Ende der deutschen Autoindustrie?“, https://www.spiegel.de/wirtschaft/ende-der-autoindustrie
- FAZ, „Der Aufstieg und Fall der deutschen Autokonzerne“, https://www.faz.net/deutschland-autoland
- Die Zeit, „Elektromobilität: Hoffnung und Hürden der Zukunft“, https://www.zeit.de/e-mobilität
- Süddeutsche Zeitung, „Verkehrswende oder Verkehrswunder?“, https://www.sueddeutsche.de