Altersarmut beginnt in der Jugend

Butternudelzeit reloaded

Es begann mit den Butternudeln. Jene kulinarische Ikone der prekären Haushalte, die in der Volkshilfe-Studie zum Symbol für das Ende des Monats wurde. Doch selbst diese bescheidene Tradition erlag der Teuerungskrise, als Butter zum Luxusgut avancierte und das bescheidene Toastbrot seinen Platz einnahm. Toastbrot: trocken, kalt, karg. Willkommen in Österreich, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, wo hungrige Kinderbäuche nur mit billigem Weißbrot und bestenfalls etwas Margarine gefüllt werden.

Ein kostenloses, warmes Mittagessen für Schulkinder? Zu teuer, sagt die Regierung. Burger von McDonald’s? Offenbar ein vertretbarer Kompromiss, wie ein geleaktes Video von Kanzler Karl Nehammer nahelegt. Die Widersprüche sind erschütternd. Eine halbe Million Menschen kann es sich in diesem Land nicht leisten, alle zwei Tage eine vollwertige Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, während der Finanzminister von Rekordüberschüssen schwärmt.

Das zerbrochene Versprechen der halben Kinderarmut

Im Regierungsprogramm klang es so nobel: Kinderarmut halbieren! Doch statt Halbierung kam die Verdopplung. Heute leben 88.000 Kinder in schwerer Armut – das sind 88.000 Kinder zu viel, die frieren, hungern und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. Währenddessen verheddert sich die ÖVP in regressiven Ideen wie der Herabsetzung der Strafmündigkeit. Kinderrechte? Ein Kollateralschaden auf dem Altar des Populismus.

Und die Grünen? Einst Hoffnungsträger, jetzt Statisten in einem Theaterstück des sozialen Rückschritts. Die Oppositionsparteien reichten in den letzten Jahren zahllose Anträge ein – Mietpreisstopp, Mehrwertsteuerbefreiung für Grundnahrungsmittel, kostenlose Kinderbetreuung – und jedes Mal folgte dasselbe Schauspiel: Ablehnung durch die Koalition. Es war ein Trauerspiel, dessen Hauptrolle die systematische Ignoranz des Regierungsduos spielte.

Armutsbekämpfung light: Zwei Euro pro Tag

„Anti-Armutspaket“ nennt die Regierung die Einführung einer Geldleistung von zwei Euro pro Kind und Tag. Zwei Euro: Das ist eine halbe Kugel Eis, ein Drittel einer Kinokarte, eine Karikatur von Unterstützung in einer Krise, die selbst Butter zu einer Kostbarkeit macht. Dass dieses Almosen ernsthaft als Maßnahme verkauft wird, sagt mehr über die Verachtung der politischen Elite gegenüber armutsbetroffenen Familien aus, als jede Satire es vermag.

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Die Kinderarmut ist kein isoliertes Problem. Sie pflanzt sich fort in die Jugend, in die Erwachsenenzeit, wird zur Altersarmut. Wer als Kind keine Chancen hat, keinen Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheit, wird im Erwachsenenalter keine sozialen Aufstiegsmöglichkeiten finden. Und wer im Berufsleben nie Fuß fasst, wird im Alter von einer mickrigen Pension in die nächste Armutsfalle stolpern. Altersarmut beginnt in der Jugend, und diese Jugend wird heute von den Regierenden im Stich gelassen.

Das stille Sterben des sozialen Gewissens

Es gibt einen roten Faden in der österreichischen Sozialpolitik der letzten Jahre: Sie ist nicht untätig, sondern aktiv destruktiv. Nicht nur Kinder, sondern auch ihre Eltern sind von einer Kaskade aus Vernachlässigung und Verachtung betroffen. Ein Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Bildungsplatz? Niedergestimmt. Eine Erhöhung des Arbeitslosengelds? Ebenfalls nicht. Mütter verlieren Karenzmonate, wenn Väter nicht mitziehen – eine feministische Errungenschaft, die wie ein schlechter Witz wirkt, wenn parallel keine Anreize geschaffen werden, Männer in die Familienarbeit zu bringen.

Und dann gibt es da die kleinen Schritte, die niemals gemacht werden: mehr Schulpsycholog, mehr Schulärzt, Gewaltschutzprogramme. Sie alle bleiben auf der Strecke, während die Verantwortlichen in den Koalitionsrunden hocken und sich gegenseitig blockieren. Das Kindeswohl wird zum rhetorischen Feigenblatt in einer Politik des Stillstands.

Resignation ist keine Option

Doch was bleibt uns? Der Zynismus der Realität darf nicht in Resignation münden. Ja, die Butternudeln sind verschwunden, das Toastbrot ist Realität – aber die Empörung über diese Zustände darf nicht verklingen. Wir dürfen uns nicht an eine Gesellschaft gewöhnen, die Kinder und Familien so schamlos im Stich lässt. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die nächste Generation ohne Perspektiven aufwächst, weil politische Willenslosigkeit den Ton angibt.

Die Zukunft dieser Kinder ist die Zukunft unseres Landes. Und Altersarmut beginnt in der Jugend. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns weniger über die Symptome empören und mehr über die Ursachen sprechen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass nicht Toastbrot, sondern Solidarität auf den Tisch kommt.

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Weiterführende Quellen:

  1. Volkshilfe: Studie zur Kinderarmut in Österreich
  2. Statistik Austria: Bericht zu materieller Deprivation 2023
  3. Regierungsprogramm 2020–2024 – eine kritische Bilanz
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