ALLES ANTIFA, ODER WAS?

Antifaschismus als Deko-Objekt

Antifaschismus – welch erhabenes Wort, das einem förmlich auf der Zunge zergeht, wie ein altmodisches Dessert, süß und schwer zugleich, von dem man nicht weiß, ob es gut für einen ist, aber das man dennoch stolz präsentiert. Es ist das sprachliche Äquivalent eines dicken, roten Teppichs, den man ausrollt, um sich selbst zu feiern. „Seht her, ich bin antifaschistisch!“ Das klingt gut, es klingt nach moralischer Überlegenheit, nach historischer Bewältigung und nach der beruhigenden Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen – was ja heutzutage ohnehin das höchste Ziel im Leben ist.

Doch lassen Sie uns kurz innehalten und den Begriff mit der Lupe betrachten. Ist Antifaschismus tatsächlich die klare, unmissverständliche Haltung, die er vorgibt zu sein? Oder ist er längst zu einem Totschlagargument verkommen, das mehr dient, als es definiert? Faschismus, so hört man, sei das ultimative Böse – und das ist unbestritten. Aber der reflexhafte Antifaschismus, der sich in vielen Diskussionen wie ein universeller Heiligenschein aufsetzt, ignoriert gern die Frage, was genau Faschismus heute bedeutet.

Das Chamäleon der Macht

Hier tritt ein Begriff auf die Bühne, der ungleich komplizierter, dafür aber viel treffender ist: Totalitarismus. Während der Faschismus sich mit dem Stil eines Opern-Bösewichts inszeniert – allzu erkennbar, laut, hässlich und peinlich aggressiv –, schleicht sich der Totalitarismus in feinerem Gewand in unsere Lebenswelt. Er ist ein Chamäleon, ein Meister der Tarnung. Mal kleidet er sich in die Uniform des „gesellschaftlichen Fortschritts“, mal im Anzug der „Sicherheitspolitik“, mal in den bunten Roben der „Gemeinschaftlichkeit“.

Totalitarismus kann lachen, weinen, rühren und begeistern. Er muss nicht einmal brüllen, wenn er auch flüstern kann. Er liebt Formulare, Vorschriften und Paragrafen. Und er ist weitaus geschickter als sein lauterer Verwandter, der Faschismus. Der Totalitarismus tätschelt dir die Schulter, während er dir die Ketten anlegt, und flüstert: „Das ist zu deinem Besten.“

TIP:  Rindersteak und Regenwald

Die wahre Gefahr besteht nicht darin, dass Faschismus wiederkehrt – zumindest nicht in seiner alten, plumpen Form. Nein, sie besteht darin, dass wir den Totalitarismus nicht erkennen, weil er sich so verdammt gut verkauft.

Antifaschismus als Einbahnstraße

Der Antifaschist, so scheint es, hat eine klar umrissene Welt vor Augen: Auf der einen Seite das Gute, auf der anderen Seite das Böse. Faschismus ist der Feind, das Böse in Reinform, der schwarze Hut im Westernfilm. Und der Antifaschist? Der trägt selbstverständlich den weißen Hut, schwingt sich auf sein moralisch überlegenes Ross und reitet los, um die Welt zu retten.

Doch was, wenn die Dinge komplizierter sind? Was, wenn die Welt keine Westernkulisse ist, sondern ein zynisches, kafkaeskes Drama, in dem sich die Hüte permanent verfärben? Der Antifaschismus, in seiner oft dogmatischen, reflexhaften Form, sieht den Feind stets dort, wo er laut „rechts“ draufsteht. Aber er übersieht allzu gern, dass der Totalitarismus längst gelernt hat, sich auch links oder in der Mitte zu tarnen.

Wer „antifaschistisch“ ist, ist nicht automatisch gegen Überwachung, gegen Zensur, gegen Meinungsunterdrückung oder gegen die Gleichschaltung von Gesellschaft und Politik. Warum? Weil „Antifaschismus“ – wie er heute oft verstanden wird – keine universelle Haltung ist, sondern eine Einbahnstraße. Er wendet sich gegen ein spezifisches historisches und politisches Phänomen, ohne das zugrunde liegende Muster zu erkennen, das sich immer wieder in neuen Formen zeigt.

Der kleine, aber feine Unterschied

Und hier, liebe Leserinnen und Leser, kommen wir zum entscheidenden Punkt: Ich bin nicht antifaschistisch, ich bin antitotalitär. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass ich nicht nur gegen das laute, plumpe Übel des Faschismus bin, sondern auch gegen das schleichende Gift, das unter dem Deckmantel von Ideologien, Bürokratie oder Fortschrittlichkeit daherkommt.

Antitotalitär zu sein bedeutet, wachsam zu bleiben gegenüber allen Formen der Macht, die keine Gegengewalt dulden. Es bedeutet, kritisch zu sein gegenüber Regierungen, Institutionen und Bewegungen – egal, wie „gut“ ihre Absichten auch erscheinen mögen. Es bedeutet, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, selbst wenn die Meinung des anderen idiotisch, beleidigend oder falsch ist. Es bedeutet, die Gleichheit vor dem Gesetz zu schützen, auch wenn es unbequem ist. Und es bedeutet, Nein zu sagen, wenn jemand fordert, dass wir unsere Freiheit gegen ein trügerisches Gefühl der Sicherheit eintauschen.

TIP:  Der Jesus-Beweis

Antifaschismus, so gut gemeint er auch sein mag, greift oft zu kurz. Er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, weil er sich zu sehr auf die alten Muster des Faschismus konzentriert, während der Totalitarismus neue, subtilere Wege findet, die Menschen zu unterwerfen.

Wenn der Antifaschist den Totalitaristen küsst

Hier liegt die größte Ironie unserer Zeit: Während sich viele Antifaschisten als die Verteidiger der Freiheit sehen, unterstützen sie – oft unwissentlich – Mechanismen, die in ihrer Konsequenz totalitär sind. Sie fordern „Cancel Culture“, um angebliche „Hassrede“ zu unterdrücken, und merken nicht, dass sie selbst zu Zensoren werden. Sie jubeln über jede neue Vorschrift, die die „falschen“ Meinungen aus dem öffentlichen Raum verbannt, und ignorieren, dass sie damit auch die Werkzeuge für künftige Unterdrücker schaffen.

Die Geschichte ist voll von Beispielen, wie die besten Absichten in die schlimmsten Albträume mündeten. Jede Diktatur beginnt mit dem Versprechen, das Volk zu schützen – vor Feinden, vor Chaos, vor sich selbst. Und der Totalitarismus? Er liebt nichts mehr als naive Verbündete, die glauben, das Richtige zu tun.

Wachsamkeit statt Moralinsäure

Antitotalitär zu sein ist keine glamouröse Haltung. Es gibt keine Orden, keine Selfie-tauglichen Parolen, keine leicht zugänglichen Feindbilder. Es bedeutet, sich immer wieder selbst zu hinterfragen, die eigene Macht kritisch zu betrachten und Prinzipien zu verteidigen, auch wenn sie unbequem sind.

Ich bin nicht antifaschistisch, weil mir das nicht genügt. Ich bin antitotalitär, weil Freiheit nicht in Schablonen passt. Totalitarismus ist ein Trickster, ein Überlebenskünstler, der immer neue Masken trägt. Und nur wer das erkennt, hat eine Chance, ihm zu widerstehen – egal, ob er in Braun, Rot oder Regenbogenfarben daherkommt.

Please follow and like us:
Pin Share