Alerta, Alerta, sonst Omerta

Wütende Romantik mit Pflastersteinen

Es gibt wohl keine Bewegung im deutschen politischen Spektrum, die derart polarisierende Gefühle auslöst wie die „Antifa“. Für die einen ist sie das letzte Aufgebot im Kampf gegen Rechts, die „Schutzengel des Antifaschismus“ in Bomberjacke und mit Sturmmaske, stets bereit, mit Pflastersteinen gegen das drohende Vierte Reich vorzugehen. Für die anderen ist sie ein chaotischer Haufen von Krawallmachern, die in jeder regierungs- oder systemkritischen Äußerung den Ruch von Faschismus wittern, um dann mit selbigem Stein, den sie eigentlich dem rechtsextremen Mob entgegenschleudern wollten, auf die nächste SPD-Demo loszugehen.

Doch, wie so oft, liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Oder auch nicht. Vielleicht ist die Wahrheit auch nur ein unbequemer Gast in einer Antifa-Bar, der wütend vor die Tür gesetzt wird, sobald er sein Bierglas kritisch betrachtet und fragt: „Ist das Glas halb leer oder halb voll?“ Am Ende wird es ihm eh aus der Hand geschlagen – aus Prinzip.

Alerta! Oder auch nur ein lauter Knall

„Alerta, Alerta, Antifascista!“ – wer kennt ihn nicht, diesen Ruf, der so manchem einschlägig frequentierten Protestzug vorausgeht wie das Startsignal zu einer neuen Runde ideologischer Selbstbestätigung. Es ist das laute Brüllen einer Bewegung, die sich in ihrer Feindschaft zum Faschismus definiert, ohne immer so genau zu wissen, was sie eigentlich als „faschistisch“ empfindet. Ein AfD-Infostand, ein Polizeihelm, oder gar die Lokalität des ortsansässigen Bäckers, der sich weigerte, auf seiner Quittung den Spruch „Nazis raus“ aufzudrucken?

Die „Antifa“ steht in der Selbstwahrnehmung als moralisch unantastbare, kompromisslose Kraft des Widerstands. Und so kompromisslos wie sie ist, so wenig Platz lässt sie für Differenzierung. Wer nicht mitzieht, ist gegen sie. Oder besser: gegen das Gute. In der Denklogik der Antifa gibt es keinen Platz für Schattierungen, für Grauzonen, oder – noch schlimmer – für abweichende Meinungen. Das faschistoide Potential, das darin liegt, scheint niemandem aufzufallen. Ach, Ironie des Schicksals.

Widerstand ist heroisch, und die Antifa liebt nichts mehr als den Gedanken, Widerstand zu leisten. Mit der Zeit scheint dieser aber vor allem zu einem Selbstzweck verkommen zu sein: Der Widerstand gegen den Widerstand – eine endlose Rebellion, in der es weniger um konkrete Ziele als um die Selbstverwirklichung im endlosen, sinnfreien Kampf geht. So etwas wie einen klaren politischen Fahrplan gibt es nicht, nur ein permanentes „Dagegen“. Dagegen wofür, fragt man sich? Alerta, Alerta, sonst Omerta. Schweigen, wenn es um Selbstkritik geht. Wer sich auf den moralischen Hochsitz erhebt, muss sich nicht hinterfragen. Warum auch? Schließlich ist der Feind immer der andere.

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Lisa E. und die Hammerbande

Und da tritt sie auf die Bühne, wie eine moderne Jeanne d’Arc der Straßenschlachten: Lisa E., die medienwirksame Anführerin der „Hammerbande“. Mit einem Grinsen, das man als bedrohlich oder charmant interpretieren kann, je nachdem, ob man gerade auf ihrer oder der falschen Seite steht. Ihre Gang – wahlweise als „wütende Jugend“, „antifaschistische Bürgerwehr“ oder „Stadtteilverschönerer“ beschrieben – hinterlässt eine Spur der Verwüstung, die von eingeschlagenen Fensterscheiben bis hin zu demolierten Autos reicht.

„Wir kämpfen gegen das System“, erklärt Lisa E. in Interviews. Doch welches System? Der Kapitalismus, der Patriarchat, der Rassismus, oder einfach nur der Laternenmast, der gerade im Weg steht? Es scheint fast so, als würden sie selbst nicht mehr ganz durchblicken. Und genau das macht ihre Aktionen so schwer greifbar. Ein organisiertes Chaos, das nicht an festen Ideologien, sondern an lose definierten Feindbildern hängt.

Lisa und ihre Mitstreiter definieren sich über das Zerstören – alles andere wäre auch zu langweilig. „Kreative Zerstörung“ nennen sie es, wenn sie durch die Innenstadt ziehen, die Fäuste in die Luft strecken und die Parolen grölen, die in einem Einheitsbrei aus aufgebrachter Wut und verzweifeltem Aktionismus versickern. Die Welt geht zugrunde, da hilft nur noch der Hammer.

Wobei, wer nun denkt, dass die „Hammerbande“ eine rein destruktive Kraft sei, der täuscht sich. Sie sind sich ihrer symbolischen Macht bewusst – und wie bei jeder guten Inszenierung kommt es auf die Show an. Mal sind es brennende Barrikaden, mal die Provokation durch das Tragen von Shirts, die irgendwo zwischen Ironie und bitterem Ernst oszillieren. „Mein Herz schlägt links“, steht auf dem einen. „Mein Hammer schlägt alles“, auf dem anderen.

Von Schwarz zu Rot – die Farben des Kampfes

Es ist faszinierend zu beobachten, wie die Antifa sich ihrer Symbole bedient. Schwarz, die Farbe des Anarchismus, und Rot, die Farbe des Sozialismus – hier treffen zwei Strömungen aufeinander, die sich nicht unbedingt lieben, aber gemeinsam Feinde haben. In einem anderen historischen Kontext wäre die Antifa wohl selbst zerfallen, zerrieben zwischen den Flügeln ihrer unterschiedlichen ideologischen Wurzeln. Aber die pragmatische Logik des gemeinsamen Feindes übertrumpft die internen Differenzen.

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Rot gegen Schwarz, Marx gegen Bakunin, das hat schon früher nicht gut funktioniert. Aber wer hat heute noch Zeit für solche Feinheiten? Feingefühl ist ohnehin nichts, was der Bewegung innewohnt. Grobe, plakative Phrasen dominieren das Bild. Die „Hammerbande“ wäre stolz, sich als Vorhut dieser widersprüchlichen Allianzen zu sehen: ein unheiliger Pakt gegen alles, was nicht in ihr selbst definierte Raster passt. Eines ist klar: der Kampf ist nicht mehr nur eine Ideenschlacht. Es ist eine Ästhetik, die gepflegt werden will – die Ästhetik des Widerstands, des künstlerisch inszenierten Chaos.

Die Geister, die sie riefen

Was passiert, wenn der Feind sich auflöst? Was, wenn die Gesellschaft es doch irgendwann schafft, eine Art von Gleichgewicht zu finden, in dem Extremisten – egal welcher Couleur – keinen Nährboden mehr finden? Die traurige Wahrheit ist, dass die Antifa dann keinen Sinn mehr hätte. Wie ein Geist, der nur dann existieren kann, wenn er jemanden hat, den er heimsuchen kann.

Doch dieses Szenario ist für die Antifa so unwahrscheinlich wie wünschenswert. Sie lebt davon, Feinde zu sehen – in der Gesellschaft, in Institutionen, in Einzelpersonen. Der Kampf gegen den Faschismus ist längst nicht mehr nur ein politisches Anliegen, sondern eine Identität. Die Vorstellung, eines Tages keinen Feind mehr zu haben, ist für sie ähnlich beängstigend wie für einen Vampir das Fehlen von Blut. Kein Faschismus, keine Antifa. Alerta, Alerta, sonst Omerta.

Und während Lisa E. mit ihrer Hammerbande durch die Städte zieht, immer auf der Suche nach dem nächsten „System“, das es zu zerstören gilt, beginnt sich eine bittere Wahrheit abzuzeichnen: Der Feind ist nicht mehr der Faschismus, sondern die Leere, die nach ihm bleibt. Ein Feind, der schwerer zu besiegen ist, weil er nicht greifbar ist. Die Antifa kann keine Welt bauen – sie kann nur eine Welt bekämpfen. Aber was bleibt dann? Am Ende, nach all dem Brüllen, nach all der Wut?

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Das Ende der Geschichte – oder nur der Anfang des nächsten Kreislaufs

In einem stillen Moment – wenn die Barrikaden abgebrannt sind und die Stadt sich langsam von den Verwüstungen erholt – bleibt eine Frage offen: Wofür das alles? Der Krieg gegen den Faschismus, so edel er auch klingen mag, scheint zunehmend ein Vorwand für eine Bewegung zu sein, die sich in ihrer eigenen Rolle als ewiger Kämpfer gefällt. Wer seine Existenz nur im Kampf gegen den Feind definiert, wird zwangsläufig zum Gefangenen dieser Definition.

Lisa E. und ihre Hammerbande mögen heute noch als revolutionäre Helden stilisiert werden, aber was, wenn die Revolution längst nicht mehr um Inhalte geht? Was, wenn sie nur noch das Schauspiel sind, das uns von den eigentlichen Problemen der Zeit ablenkt? Vielleicht geht es ja gar nicht mehr um links oder rechts, um Schwarz oder Rot. Vielleicht sind wir längst in einer Zeit angekommen, in der die größte Rebellion darin besteht, sich der ewigen Rebellion zu verweigern.

Aber Lisa E. wird das nicht hören wollen. Alerta, Alerta – sonst Omerta. Schweigen ist Verrat, und Denken auch

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