
Von der Wiege des Ablasses zur Wiege des Emissionszertifikats
Einst standen wir staunend vor den Portalen mittelalterlicher Kathedralen, ehrfürchtig lauschend dem lateinischen Gemurmel geweihter Männer, die mit fliegenden Gewändern und goldverzierten Büchern in der Hand ewiges Seelenheil versprachen – gegen klingende Münze, versteht sich. Der Ablasshandel, jenes sakrosankte Geschäftsmodell der römischen Kirche, florierte prächtig. Der Sündenerlass per Einzahlung auf göttlich autorisierte Konten: eine transzendente Transaktion mit Rendite auf dem Jenseitskonto.
Heute stehen wir staunend vor den Portalen der Bürokratie, lauschen den wortgewaltigen Litaneien der Klimawissenschaft und Politsprech, die uns einreden, dass jede ausgestoßene Tonne CO₂ ein Akt metaphysischer Schuld sei – und wie damals gilt: Wer zahlt, wird frei. Die CO₂-Steuer ist die moderne Hostie des guten Gewissens, die Kommunion des moralischen Bürgers. Doch der Mönch Tetzel, der wenigstens noch mit schillernder Verlogenheit und echtem Theatralismus die Gnade feilbot, ist abhandengekommen. Heute stehen grüne Minister*innen mit PDF-Präsentationen vor uns und reden vom „Bepreisungsmechanismus“. Wie langweilig. Wie deutsch.
Der neue Katechismus der Klima-Kirche
Es ist ein neuer Glaube, ein universaler Kult, der sich aufgeschwungen hat, die Weltherrschaft zu übernehmen. Seine Gebote sind ebenso schlicht wie unumstößlich: Du sollst kein Fleisch essen. Du sollst nicht fliegen. Du sollst kalt duschen und dein Auto durch einen moralisch überlegenen Akku ersetzen, der aus den Tränen kongolesischer Kinder gespeist wird.
Die CO₂-Steuer ist das Sakrament dieses Glaubens. Sie funktioniert nicht durch Änderung der Realität, sondern durch Bekehrung des Gewissens. Denn der gläubige Bürger, geplagt von der Schuld, beim letzten Mallorca-Flug zu tief geatmet zu haben, darf sich nun freikaufen – mit ein paar Cent mehr pro Liter Sprit. Halleluja. Die Welt wird gerettet, ein Tankvorgang nach dem anderen.
Und wehe dem Ketzer, der es wagt, Zweifel zu äußern. „Klimaleugner!“ schallt es wie einst „Hexe!“ über den Marktplatz des Meinungsaustauschs. Der moderne Scheiterhaufen ist digital, doch die Flammen der Empörung brennen nicht minder heiß. Selbst der heilige Franziskus würde heute mit dem Lastenrad zur Predigt erscheinen, während Greta als unsere Johanna der Klima-Offenbarung mit finsterem Blick über die sündige Menschheit richtet.
Der Markt der Moral – Bekenntnisse eines emissionsgeplagten Sünders
In der himmlischen Buchhaltung des Weltklimarats zählt jede Tonne CO₂. Der moderne Mensch, ausgestattet mit Paypal-Zugang und ökologischer Angststörung, lebt im permanenten Ablass. Für 12,90 Euro kann man den Inlandsflug zur Oma mit einem Zertifikat segnen lassen. Es heißt „Kompensation“, klingt nach Verantwortung, riecht aber streng nach Ablenkung.
Denn während wir mit LED-Kerzen Energie sparen, verbrennen jenseits der Komfortzonen Containerfrachter weiter Schweröl wie einst Wikinger Bier bei der Siegesfeier. Doch Hauptsache, der Bürger trennt seinen Müll und klebt sich ein Solarzellen-Sticker ans Fenster. Die Weltrettung, ein bürgerliches Hobby – mit SEPA-Mandat.
Ironischerweise ist der Emissionshandel nicht etwa ein Instrument der Vermeidung, sondern ein Vehikel der Verlagerung. Der Westen verkauft sich Reinheit durch den Import der Sünde. Unsere CO₂-Neutralität beruht auf der Verlagerung schmutziger Industrien nach Fernost – ein Export von Schuld mit Rückkauf von Tugend. Es ist ein ökologischer Ablassbrief deluxe: Made in China, geweiht in Brüssel.
Wo bleibt der neue Tetzel?
Wo ist er, der neue Tetzel, der mit spitzbübischem Lächeln und dramatischem Pomp von Tür zu Tür zieht und ruft: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Atmosphäre sich reinlich schwingt“? Nein, statt dessen kriegen wir Steuerbescheide mit Fußnoten und ein moralinsaures „Das ist alternativlos“ ins Gesicht gedrückt.
Der Unterschied zum Mittelalter? Damals war der Ablasshandel wenigstens unterhaltsam. Heute ist er Verwaltungsakt. Eine kafkaeske Übung in Pseudomoral, verordnet von Technokraten, denen selbst der Humor verboten wurde. Der neue Ablass ist effizient, emotionslos und rechnet in Emissionsäquivalenten. So stirbt nicht nur die Umwelt, sondern auch der Witz.
Vielleicht ist das der wahre Skandal: Nicht, dass wir unsere Emissionen besteuern, sondern dass wir dabei so fürchterlich langweilig, so bar jeder Ironie, so unfassbar humorfrei vorgehen. Der Kapitalismus hat sich nicht reformiert, er hat sich eine Maske aufgesetzt – aus recyceltem Bio-Plastik, natürlich.
Und am Ende bleibt… die heiße Luft
Natürlich ist Klimaschutz wichtig. Natürlich sollten wir nicht die Atmosphäre grillen wie ein Discounterhähnchen. Aber muss die Lösung wirklich ein bürokratisches Monstrum sein, das dem Bürger eine Tasche voller Schuld auflädt, um sie ihm dann per Lastschrift wieder abzunehmen?
Der CO₂-Ablass ist keine Lösung – er ist ein Beruhigungsmittel, ein Placebo für ein System, das sich selbst nicht ändern will. Man spricht von Transformation, handelt aber im Modus der Kontinuität. Und währenddessen geht der Planet leise vor die Hunde – unter Begleitung eines Steuerbescheids und dem sanften Piepen eines Elektroautos, das von Kohlestrom gespeist wird.
Der Ablass lebt. Nur der Glaube fehlt. Und der Humor auch.