Europas Gaspreis-Champion

Hurra, Österreich ist die Nummer Eins

Ein Aufschrei der Freude zieht durchs Land, die rot-weiß-rote Fahne weht stolz im Wind, und ein neuer, strahlender Titel krönt die Alpenrepublik: Österreich hat es geschafft, sich an die Spitze der Europäischen Union zu setzen. Doch der Triumph hat einen bitteren Beigeschmack. Es handelt sich nicht um den Eurovision Song Contest, nicht um die erfolgreichsten Skiweltmeisterschaften, und auch nicht um die geringste Staatsverschuldung. Nein, die Rede ist von den Gaspreisen. Österreich hat sich in einem wahren Kraftakt an die Spitze der EU-Gaspreissteigerung katapultiert und dabei alle Erwartungen – und Haushaltsbudgets – pulverisiert.

Von Jänner 2021 bis Februar 2024 verzeichneten die Gaspreise in Österreich eine rekordverdächtige Steigerung von 201 Prozent. Damit lässt das Land sogar die sonst so wettbewerbsfreudigen Baltenstaaten Lettland (136 Prozent) und Litauen (130 Prozent) weit hinter sich. Was für ein historischer Moment! Man mag gar nicht mehr von Inflation sprechen – das klingt zu harmlos. Österreich erlebt eine Gaspreis-Explosion, bei der selbst der Hadronenbeschleuniger in Genf neidisch wird.

Die Vermieterjubeln, die Mieterfrieren

Während die Spitzenreiterposition in den Gaspreis-Charts der EU für die Regierung vielleicht als „wirtschaftlicher Erfolg“ erscheint, sieht die Realität für die Bürgerdes Landes weniger rosig aus. Besonders hart trifft es die Mieter, denn über die Hälfte aller Gasheizungen in Österreich sind in Mietwohnungen installiert. Ohne Mitspracherecht über die Heizungsart sind sie den Preisspiralen ausgeliefert, wie Schiffbrüchige auf einem Floß inmitten eines Ozeans aus Euroscheinen.

Die Vermieter? Sie sehen dem Treiben von ihren geheizten Logenplätzen aus zu und profitieren von steigenden Betriebskosten, die sie munter an die Mieterweiterreichen. Ein echter Glücksfall für jene, die schon immer fanden, dass Kapitalismus einfach nur ein Synonym für „Gewinnmaximierung auf Kosten anderer“ ist.

Jeder braucht Strom, aber nicht jeder braucht Gas

Finanzminister Magnus Brunner brachte das Drama bereits 2022 auf den Punkt. In einem Interview sagte er den mittlerweile legendären Satz: „Jeder braucht Strom, aber nicht jeder braucht Gas.“ Eine so scharfsinnige Analyse hätte den Herren wohl auch einen Stuhl in der antiken Akademie Athens gesichert, direkt neben Platon und Aristoteles. Nur, dass die Realität in Österreich zeigt, dass doch ziemlich viele Menschen Gas brauchen. Zum Beispiel jene Millionen, die in ihren Wohnungen mit Gas heizen und sich mittlerweile überlegen, ob sie im Winter besser frieren oder bankrott gehen sollen.

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Die Regierung hat den gigantischen Preisanstieg weitgehend ignoriert. Stattdessen wurde eine Strompreisbremse implementiert, die weder die Krisengewinner unter den Energiekonzernen noch deren Anlegerbelastete, sondern die Kosten brav auf die Bürgerabwälzte. „Solidarität“ bekommt so eine neue Definition: Wir halten zusammen – um die Dividenden der Aktionäre zu maximieren.

Milliarden für die Konzerne, Krümel für die Menschen

Die wahren Gewinner dieses grotesken Schauspiels sind die Energiekonzerne. Sie haben in den letzten Jahren Milliardengewinne eingefahren, als gäbe es kein Morgen. Während Haushalte sparen müssen, indem sie sich zwischen Lebensmitteln und Heizkosten entscheiden, klingeln bei den Unternehmen die Kassen. Zwar wurde eine sogenannte „Übergewinnsteuer“ eingeführt – ein Begriff, der so kryptisch klingt, dass man meinen könnte, er sei direkt aus einem dystopischen Wirtschaftsroman entsprungen –, doch geändert hat das nichts. Die Extraprofite landeten weiter in den Taschen der Aktionär, während die Politik stolz mit Maßnahmen prahlte, die auf dem Konto der Bevölkerung keinen Unterschied machten.

Wie wir uns an die Spitze kämpften – Eine Polemik

Man könnte fast bewundern, wie Österreich es geschafft hat, eine derart absurde Führungsposition zu erreichen. Während andere Länder immerhin versuchten, mit Gaspreisdeckeln oder subventionierten Heizprogrammen gegenzusteuern, setzte Österreich auf eine Mischung aus laissez-faire und Ignoranz. Der Markt sollte es regeln, hieß es. Dass der Markt dabei vor allem die Energiepreise und damit die Existenzgrundlage der Bürger„regelt“, wurde als Kollateralschaden abgetan.

Doch was soll man sagen? Österreich hat den Wettbewerb angenommen und die Latte der Preissteigerung höher gelegt als jedes Land zuvor. Wenn das kein Erfolg ist, was dann?

Vom „Gaspreis-Champion“ zum Mahnmal der Untätigkeit

Der 201-prozentige Preisanstieg ist mehr als nur eine statistische Anomalie. Er ist ein Mahnmal für die Untätigkeit der Regierung, die lieber dabei zusah, wie Energiekonzerne Gewinne anhäuften, anstatt die Bürgerzu schützen. Während andere Staaten zumindest versuchten, mit Maßnahmen wie Gaspreisdeckeln gegenzusteuern, blieb in Österreich alles beim Alten. Die Regierung agierte so, als wäre der Anstieg der Gaspreise ein Naturereignis, gegen das man ohnehin nichts ausrichten könne – wie ein plötzlicher Schneesturm oder ein Lawinenabgang.

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Quo vadis, Österreich

Die Frage bleibt: Wohin führt dieser Weg? Wird Österreich weiterhin an der Spitze der Gaspreisstatistiken stehen und dabei zusehen, wie immer mehr Menschen in die Energiearmut abrutschen? Oder wird irgendwann doch jemand in der Regierung aufwachen und begreifen, dass es vielleicht doch sinnvoll wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die die Last von den Schultern der Bevölkerung nehmen?

Bis dahin bleibt Österreich wohl ein trauriger Rekordhalter – ein Gaspreis-Champion, dessen Titel niemand feiern möchte.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Eurostat-Datenbank: Gaspreise in der Europäischen Union, [Link zur Quelle]
  2. „Österreichs Gaspreiswahnsinn“ – Der Standard, [Link zur Quelle]
  3. „Profit statt Krise: Die Gewinner der Energiekrise“ – Profil, [Link zur Quelle]
  4. Bericht des Rechnungshofs: Energiearmut in Österreich, [Link zur Quelle]
  5. Magnus Brunner Interview – Die Presse, [Link zur Quelle]
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