Fünf sind harmlos, einer ist tödlich

Die Anatomie des Witzes in Zeiten religiöser Empfindlichkeit

Es ist ein alter Witz, der da sagt, Humor sei die letzte Bastion der Freiheit. Wer lacht, sagt man, sei frei. In Zeiten globaler Unsicherheiten, politischer Brisanz und der fragilen Koexistenz diverser kultureller, religiöser und moralischer Wertesysteme jedoch, scheint auch das Lachen unter Bewachung zu stehen. So gibt es heute Witze, die flüstern und solche, die schallen – doch einige müssen buchstäblich in den Keller verbannt werden, wenn man die Gefahr einer eskalierenden Empörung vermeiden will. Besonders riskant scheinen heute die Witze über den Islam zu sein: „Fünf sind harmlos, einer ist tödlich.“ Das Zitat kursiert in der digitalen Welt als halb-ironischer, halb-ernster Hinweis darauf, dass der Grat zwischen Humor und Blasphemie hier besonders schmal geworden ist.

Es lässt sich ein gewisser Thrill nicht leugnen, der die Auseinandersetzung mit diesem Thema begleitet. Ein befreiendes, doch gleichsam beängstigendes Kichern, das den Nacken hinunterkriecht. Die Frage, die sich nun stellt, ist ebenso fundamental wie unbequem: Warum gibt es kaum eine Religion oder Ideologie, die so eng mit der Angst vor Humor verknüpft scheint wie der Islam? Und was sagt es über eine Gesellschaft aus, die sich zunehmend zensiert, um ja nicht in den Verdacht der Islamophobie zu geraten?

Der Witz als Waffe und das Dilemma der kulturellen Sensibilität

Ein Witz, heißt es, sei nicht nur ein kurzer Moment der Freude, sondern zugleich ein Abbild der Gesellschaft, eine Metapher für Machtverhältnisse und Hierarchien. Witze über den Islam liegen daher besonders schwer auf der Zunge, denn sie tangieren mehr als bloße Glaubensinhalte; sie rühren an geopolitische Realitäten, an jahrhundertealte Konflikte und an die komplexen Wunden des Kolonialismus. Hier hat das Lachen einen Preis, und die Frage, wer ihn zu zahlen hat, ist eine Frage von Religion, Kultur und Politik.

Seltsam ist jedoch, dass der islamische Witz – oder besser gesagt, der Witz über den Islam – kaum in den Rang der humoristischen Traditionen aufgenommen wurde. Während andere Religionen ihr komisches Potenzial halbwegs ausgeschöpft haben, vom jüdischen Schlemiel über den katholischen Priester bis zum protestantischen Pastor, bleibt der Imam meist ein Schweigen. Der Witz über den Islam ähnelt einer tickenden Zeitbombe – ein falsches Wort zur falschen Zeit und die Explosion ist unausweichlich. So blicken wir auf einen Witz, den wir weder hören noch erzählen dürfen, aus Angst vor seiner möglichen Sprengkraft.

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Humor auf Messers Schneide

„Fünf sind harmlos, einer ist tödlich“ – dieses Bonmot mag lächerlich klingen, doch in ihm liegt eine tragische Wahrheit verborgen. Es gibt eine Grenze im Islam, die für viele unsichtbar und unverständlich bleibt. Wo ein katholischer Priester beim dritten schlechten Witz über Maria vielleicht entnervt den Kopf schüttelt und ein jüdischer Rabbi bei der siebten Anspielung auf Moses’ Humorfähigkeit augenzwinkernd weiterzieht, scheint die islamische Perspektive weniger tolerant. Und nicht nur das: Die Unvorhersehbarkeit, welche Pointe akzeptabel ist und welche gefährlich, verstärkt die Spannung.

So scheint sich der Islam – oder besser gesagt die Gesellschaften, die sich auf ihn berufen – von allen Religionen am ehesten einer besonderen, oft nahezu unmenschlichen Ehrfurcht zu bedienen. Eine Ehrfurcht, die bisweilen in Angst umschlägt und die jeden Versuch, auch nur halbwegs humorvoll mit dem Thema umzugehen, in den Verdacht der Blasphemie und Respektlosigkeit bringt. Hier stellt sich die Frage: Ist es die Religion selbst oder die politisierte Auslegung, die den Humor so gefährlich macht? Oder ist es gar die westliche Wahrnehmung, die sich selbst dermaßen in Angst und Respekt voreinander gefangen hält, dass ein vermeintlicher Witz zur weltpolitischen Krise stilisiert wird?

Die doppelte Moral

Es bleibt eine gewisse Heuchelei in der Rezeption von Witzen über den Islam bestehen, die unausgesprochen in der Luft hängt. In westlichen Gesellschaften wird der Wert der Meinungsfreiheit großgeschrieben – solange diese Freiheit nicht auf den Islam abzielt. Im Alltag werden Witze über so ziemlich alles gemacht: Politiker, Geschlechterrollen, religiöse Rituale und kulturelle Gepflogenheiten. Doch beim Islam spüren viele eine leise Furcht in ihrem Inneren, die sie schweigen lässt. Wer wagt es schon, Witze zu machen, wenn man mit harschen Konsequenzen rechnen muss? Humor ist das erste Opfer, wenn der Respekt zum Imperativ erhoben wird und die Angst vor Eskalation in den Vordergrund tritt.

Es entsteht ein paradoxes Bild: Der Islam wird in westlichen Ländern als Minderheit verehrt und geschützt – bis hin zur selbstauferlegten Zensur im Namen der Toleranz. Während viele liberale Denker lautstark den offenen Diskurs fordern und stolz auf ihren Anti-Klerikalismus verweisen, wird beim Islam eine Ausnahme gemacht. Die Toleranz, die man dem Christentum oder Judentum entgegenbringt, wird hier zur stillen Angst vor Konsequenzen. Aber warum diese Zurückhaltung? Ist es wirklich eine besondere Rücksichtnahme – oder eine Form von paternalistischer Bevormundung, die impliziert, dass der Islam nicht genauso humorvoll behandelt werden könnte wie andere Religionen?

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Der moderne Märtyrer des Humors

Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass der Humor über den Islam zur Hochrisikozone geworden ist. Satiriker und Komiker befinden sich in einer absurden Position, wenn sie Witze über eine Religion machen wollen, die als „heilig und unantastbar“ betrachtet wird – zumindest in den Köpfen jener, die sie vor Spott und Hohn „bewahren“ wollen. Es bleibt ein seltsames Dilemma zurück: Auf der einen Seite beteuern wir die Freiheit des Wortes, auf der anderen Seite definieren wir den Islam als eine Art „Tabuzone“, die unter besonderem Schutz steht. Wäre dies nicht der Stoff für die besten Witze? Doch die besten Witze bleiben im Dunkeln verborgen, denn das Risiko des Missverständnisses und der Empörung ist einfach zu groß.

Die Worte „fünf sind harmlos, einer ist tödlich“ scheinen das perfekte Symbol für diese Unberechenbarkeit zu sein. Was auf dem Papier als unschuldiger Scherz daherkommt, kann leicht zum politischen Skandal, zur sozialen Kontroverse oder sogar zum handfesten Gewaltereignis mutieren. Man könnte beinahe meinen, der Witz selbst sei zum modernen Märtyrer geworden – eine tragische Figur, die im Namen des interkulturellen Respekts geopfert wird, um die Gefühle einer globalen und politisch gespaltenen Menschheit zu schonen.

Der Witz als verlorene Kunstform

Wenn wir heute über den Islam schweigen, aus Angst vor möglichen Reaktionen, dann wird nicht nur der Humor geopfert, sondern auch ein Stück kultureller Freiheit. Der Witz als Form des Widerstands, als Werkzeug der Reflektion und der kulturellen Integration wird ad absurdum geführt, wenn er sich einem Tabu unterwerfen muss. Das Schöne und Wichtige am Humor ist doch, dass er dort ansetzt, wo die Dinge nicht perfekt sind. Ein Lachen befreit, es baut Brücken, es zeigt, dass Menschen mit Fehlern leben und vielleicht gerade durch diese Fehler zueinander finden.

Doch in einer Welt, in der „fünf sind harmlos, einer ist tödlich“, wird Humor zum Risiko – und wir müssen uns fragen, ob diese Form des kulturellen Schutzwalls wirklich nötig ist. Oder ob wir uns am Ende selbst die Fesseln anlegen, die unsere Gesellschaft enger und enger schnüren, bis kaum noch Raum zum Lachen bleibt.

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Quellen und weiterführende Links

  1. Lewis, Bernard. Islam and the West. Oxford University Press, 1993.
  2. Hirsi Ali, Ayaan. Heretic: Why Islam Needs a Reformation Now. HarperCollins, 2015.
  3. Hamid, Shadi. „Islam and the Tensions of Liberalism.“ The Atlantic, 2018.
  4. Lipman, Steve. „Humor and Religious Sensitivity in the Muslim World.“ Journal of Religion & Society, vol. 14, 2016.
  5. Qaradawi, Yusuf. The Lawful and the Prohibited in Islam. American Trust Publications, 1993.
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