Als Männer noch Männer waren

Vom Kreischen und Knattern der guten alten Zeit

Es gab eine Zeit, da war die Formel 1 der Inbegriff von Geschwindigkeit, Gefahr und schmerzhaftem, schweißgetränktem Ruhm. Da raste kein Jugendlicher in quietschbunter Corporate-Montur über die Strecke, eingeklemmt in das glattpolierte Plastik seiner markenkonformen Kapsel, während er via Funk vor jeder Kurve brav instruiert wurde. Nein, damals saß ein Mann am Steuer, ein echtes Individuum mit Namen und Gesicht, und der fuhr mit einem solchen Verve und einem Gaspedal aus purem Mut. Wo es jetzt nur um Politik und Daten geht, da schrie damals der Motor, da dampfte der Asphalt, da blies der Rauch noch wild aus den Auspuffen. Jochen Rindt, Jim Clark, Graham Hill – das waren Fahrer. Da wurde der Fahrer vom Sound seines Autos begleitet, einem echtem Konzert aus Knattern, Rattern und Kreischen, als ob die Motoren selbst sich in den Tod werfen wollten. Und die Männer? Sie saßen wie Cowboys mit Helm hinter dem Steuer und schalteten noch per Hand.

Echte Fahrer, echte Gangschaltung, echter Schweiß

Oh, die Gangschaltung! Ein Wort, das heute in der Formel 1 klingt wie eine Art Museumsrelikt. Die heutigen Jungspunde am Steuer könnten eine manuelle Gangschaltung vermutlich nicht mal bedienen, wenn sie neben dem Toaster auf der Frühstückstheke läge. Damals jedoch gehörte das Schalten und die hohe Kunst des schnellen Wechselns zu den Fähigkeiten eines Fahrers. Der sogenannte „Herrenfahrer“ war nicht irgendein computergestützter Pilot, der sich zwischen Medienevents und Sponsoreninterviews durch ein Rennen klickte. Nein, er war ein Mann von Format, der sich selbst und sein Auto verstand, der in engen Kurven die Gänge schaltete, nicht weil ein Computer es für ihn tat, sondern weil es zu seinem Handwerk gehörte. Ein Lenkrad war damals noch ein Steuergerät, kein multifunktionales Raumschiff-Cockpit, in dem jeder Knopf eine NASA-Erfindung vermuten lässt.

Wenn man die damaligen Fahrer ansieht, sieht man keine Instagram-Models, die ihre Lächeln für eine Marke zur Schau stellen. Sie sahen aus, als ob sie gerade aus dem Pub gekommen wären, mit Öl auf den Händen und einem verschmitzten Grinsen. Sie fuhren, weil sie wollten – nicht, weil ein Manager es verlangte. Heute? Ein bisschen Regen und der Rennleiter überlegt, ob man das Rennen nicht besser absagt. Aber Rindt oder Clark? Sie lachten, wenn es regnete, denn Regen bedeutete Risiko, und Risiko bedeutete, dass der Bessere gewinnen würde. Kein Sicherheitsnetz, keine Airbags, keine Ratschläge aus der Boxengasse – einfach purem Fahrkönnen überlassen.

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Die Symphonie der Pferdestärken

Man erinnere sich an den Sound. Diese Autos klangen, als würde sich eine Armee mechanischer Drachen auf die Welt stürzen. Ein infernales Heulen, das die Zuschauer in die Ohren biss, das noch Minuten nach einem Rennen im Kopf nachhallte. Wer einmal den donnernden Klang eines alten V12 gehört hat, der weiß, dass dies kein Geräusch war, sondern ein Naturereignis. Jeder Start, jeder Ritt über die Gerade – eine akustische Symphonie der Maschinen, ein Konzert des Chaos. Heute? Heute hört man piepende Funkanweisungen und abgeregeltes Gewinsel, mit „sauberen“ Motoren und nichts als langweiligem Sounddesign.

Das Publikum war damals mitgerissen, hatte Angst, bangte um jeden Meter. Die Fahrer waren echte Gladiatoren, und das Dröhnen der Motoren war ihr Schlachtruf. Der heutige Sound jedoch – falls man ihn so nennen kann – ist eine Konserve von der Stange, vom Klangcharakter eher ein schüchternes Wimmern als ein Schlachtruf. Da fragt man sich doch, ob diese „Verbesserungen“ wirklich Verbesserungen sind. Ein Auto, das flüsterleise fährt, ist vielleicht nett für die Umwelt, aber was, bitte, hat das mit Motorsport zu tun? Wer flüstert, gewinnt nicht.

Eine Sportart für Hasardeure, keine Theateraufführung für gesponserte Teenager

Wer damals Rennen fuhr, war kein blutjunger Nachwuchsfahrer, der mit Mediencoaching und Corporate-Speak in den Sport eingeführt wurde, sondern ein Haudegen, ein selbstbewusster Kerl, der alles riskiert hat, weil es ihm Spaß machte. Das „Risiko“ war nicht berechnet, es war nicht versichert, es war blankes Überleben, und die Fahrer wussten das. Wer in der ersten Reihe stand, hatte oft keine Ahnung, ob er das Rennen lebend überstehen würde. Das ist keine Übertreibung, sondern die brutale Wahrheit, denn bis in die 1980er-Jahre waren tödliche Unfälle an der Tagesordnung. Männer wie Niki Lauda fuhren nach einem beinahe tödlichen Crash wieder aufs Feld zurück – nicht, weil ein Sponsor das wollte, sondern weil sie wussten, dass es um mehr ging. Eine Entschlossenheit, die kaum noch jemand kennt.

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Die heutige Formel 1? Wenn ein Fahrer eine „riskante“ Kurve fährt, wird er bestraft. Früher war eine Kurve gefährlich, weil die Streckenführung noch menschliche Grenzen kannte, nicht weil ein Regelbuch dies oder das sagte. Heute wissen Fahrer vorab, wann sie beschleunigen dürfen, wann nicht – und wehe, einer wagt einen Schritt aus der Norm. Da vermisst man die Zeiten, als jeder Fahrer seine ganz eigene Linie fuhr und das Auto in der Kurve geradezu über den Asphalt schleuderte. Es war ein Tanz mit dem Teufel, kein Gymnastikauftritt nach Drehbuch.

Von rauchenden Fans zu weichgespülten Eventbesuchern

Auch das Publikum hat sich verändert, denn damals kamen Leute, die den Geruch von Benzin und Gummi liebten, die den rauen Charme des Motorsports in sich aufsogen. Heute hingegen wird eine Formel-1-Rennstrecke zur glitzernden Event-Arena, in der die „Experience“ an erster Stelle steht. Wer heute zur Formel 1 geht, will im VIP-Bereich Champagner trinken und Selfies vor einem streng bewachten Rennwagen machen. Es ist ein Erlebnis für Instagram, eine Kulisse für Reiche und solche, die es noch werden wollen. Früher saß man auf einer kalten Tribüne, schwitzte in der Sonne oder fror im Regen, und man schrie sich die Seele aus dem Leib, wenn das eigene Idol an einem vorbeischoss.

Heute hingegen? Man könnte fast meinen, die Tribünen sind nur noch da, damit man sich wie ein Teil des Spektakels fühlt, ohne wirklich zu verstehen, was auf der Strecke passiert. Wo einst Menschen von der puren Geschwindigkeit elektrisiert wurden, ist die Faszination des Motorsports inzwischen zu einem gut kalkulierten Marketingereignis verkümmert.

Motorsport für Bürokraten, nicht für Helden

Es war eine Frage der Zeit, bis die Bürokraten die Formel 1 als Experimentierfeld für Innovationen und „nachhaltige“ Technologien entdeckt haben. Das Interesse an Umwelt und Klimaschutz mag lobenswert sein – aber was bleibt dann noch von dem, was diesen Sport einmal ausmachte? Kann eine „nachhaltige“ Formel 1 mit seelenlosen Hybridmotoren und sauberen Fahrmanövern wirklich als „Fortschritt“ betrachtet werden? Ist es „grün“ oder einfach nur „langweilig“? Ein Formel-1-Rennen ohne Risiko, ohne Tod und ohne Triumph ist nichts weiter als ein Sport für Bürokraten und Investment-Strategen.

TIP:  ... und dann ist alles gut

Die Fahrer von einst mögen als primitive Hasardeure erscheinen, doch sie hatten etwas, das die heutige Formel 1 verloren hat: Herz und Mut. Solange der Motorsport auf das Politische reduziert wird und die Fahrer als glattgebügelte Markenbotschafter auftreten, wird die Formel 1 mehr und mehr an Seele verlieren. Echte Formel-1-Fans werden vielleicht in den alten Übertragungen und den ungeschliffenen Aufnahmen von Nürburgring und Monaco Trost finden, aber die Gegenwart scheint verloren.


Quellen und weiterführende Links

  1. Lauda, Niki. To Hell and Back: An Autobiography. Random House, 1986.
  2. Schumacher, Michael. Racing and Winning. Trans World Publishing, 2000.
  3. Moss, Stirling. “Racing’s Golden Age.” Motorsport Magazine, 1975.
  4. Fearnley, Sam. “Why Formula 1 Has Changed – And Why It Matters.” The Telegraph, 2020.

Die Formel 1 – sie war einst ein Gladiatorensport, ein Heldentum auf Rädern. Heute ist sie nichts als ein Schatten ihrer selbst. Ein verlorenes Spektakel für die, die den echten Motorsport nie kannten.

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