Fußball und die Weltpolitik

Warum es plötzlich wichtig ist, was der Trainer von Crystal Palace über die Wahlen in Österreich denkt

Es ist eine dieser Szenen, die an unfreiwillige Komik kaum zu überbieten sind: Ein Fußballtrainer der englischen Premier League tritt vor die Presse, um die bevorstehende Partie gegen Liverpool zu besprechen. Eine Mammutaufgabe, schließlich rangieren die Jungs aus der Arbeiterstadt an der Tabellenspitze, während seine eigene Mannschaft irgendwo zwischen dem Abstiegsgespenst und der Bedeutungslosigkeit dahindümpelt. Crystal Palace – ein Verein, der so glanzvoll ist wie der Name eines schimmligen Nachtklubs.

Doch statt sich den drängenden Fragen der Journalisten zu stellen – Fragen wie: „Warum haben wir in sechs Spielen nur fünf Tore geschossen?“ oder „Wird Crystal Palace jemals wieder ein Fußballspiel gewinnen?“ – entscheidet sich der Trainer für einen Exkurs in die Weltpolitik. Nicht nur irgendein politisches Thema, nein, ausgerechnet die Wahl in Österreich scheint ihm auf der Seele zu brennen. Das kleine Alpenland mit weniger Einwohnern als London hat also die Aufmerksamkeit eines Fußballtrainers aus dem fernen Südlondon erregt. Man darf sich fragen: Warum?

Der Coach als Krisenmanager der Welt

„Der Rechtspopulismus ist ein weltweiter Trend geworden“, erklärt er mit ernster Miene und in diesem Moment wird klar: Dieser Mann hat einen Plan. Er wird nicht nur Liverpool schlagen, sondern auch den politischen Rechtsruck in Österreich eindämmen. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Man könnte fast glauben, er würde nach der Niederlage gegen die Reds direkt in den nächsten Flieger nach Wien steigen, um Sebastian Kurz in einem hitzigen Debattierduell niederzuringen. Oder vielleicht schreibt er auch lieber eine scharfe Twitter-Botschaft an Norbert Hofer. So oder so, eines ist klar: Wenn Crystal Palace schon nicht die Tore treffen kann, dann zumindest die wunden Punkte der europäischen Politik.

Dabei könnten die Sorgen des Trainers nicht weiter weg vom britischen Fußball sein. Seine Mannschaft hat drei Punkte in sechs Spielen geholt, das Torverhältnis erinnert eher an Handball als an Fußball, und doch scheint ihn nichts so sehr zu beschäftigen wie die Wahlen in Österreich. Vielleicht liegt das daran, dass es einfach angenehmer ist, über etwas zu reden, das noch mehr aus dem Ruder läuft als der eigene Job.

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Ein Augenzwinkern Richtung Social Media

Doch der wahre Höhepunkt dieses Presseauftritts kommt erst, als es um die Kritik seiner Mannschaft in den sozialen Netzwerken geht. „Das ist Fußball, das ist Social Media, das ist die Welt, in der wir leben“, sagt der Trainer lapidar und zuckt mit den Schultern. Eine Meisterleistung der Lässigkeit. Fast möchte man meinen, es stünde ein Zen-Meister und nicht der Trainer von Crystal Palace vor der Kamera. Statt sich in Rechtfertigungen zu ergehen oder gar den Hauch eines Lösungsansatzes für das eigene Versagen anzudeuten, nimmt er das Leben – und vor allem die sozialen Medien – mit stoischer Ruhe hin. Der Shitstorm, der über seine Mannschaft hinwegfegt? Kein Problem. Schließlich gibt es größere Sorgen auf dieser Welt – wie zum Beispiel die Wahlen in Österreich.

Es wäre natürlich unfair zu behaupten, dass Social Media nichts mit Fußball zu tun hätte. Im Gegenteil, viele Karrieren sind heute untrennbar mit der Gunst von Twitter, Instagram und Co. verbunden. Doch während sich die Fans von Crystal Palace in endlosen Kommentarspalten um Kopf und Kragen schreiben, scheint ihr Trainer sich lieber Gedanken über den Zustand der Demokratie in Mitteleuropa zu machen. Ein interessanter Ansatz, gewiss, aber vielleicht nicht der effizienteste, wenn es darum geht, einen Premier-League-Klub auf die Beine zu bringen.

Fußball, Politik und die Kunst der Ablenkung

Es ist fast schon bewundernswert, wie geschickt dieser Trainer sich aus der Schusslinie manövriert hat. Die jüngste Formkrise seiner Mannschaft? Kein Thema. Die wachsende Kritik der Fans? Unwichtig. Stattdessen wirft er den Nebelvorhang der Weltpolitik auf und hofft, dass niemand mehr merkt, dass Crystal Palace den Ball gerade nicht trifft. Denn eines ist sicher: Wenn die Zeitungen am nächsten Tag über seinen Kommentar zur Wahl in Österreich berichten, dann wird zumindest nicht über die katastrophale Leistung seiner Mannschaft geschrieben.

Man könnte ihn fast für einen Genie halten. Wer würde es wagen, ihn zu kritisieren, wenn er sich doch so edlen Themen widmet? Der Rechtsruck, der die Welt in Atem hält – da verblasst doch jede Kritik an einer Mannschaft, die nach sechs Runden gerade einmal drei Punkte auf dem Konto hat. Es ist, als würde ein Restaurantkritiker, der ein völlig misslungenes Gericht serviert bekommt, den Koch dafür loben, dass er sich so ausführlich über die Klimakrise Gedanken gemacht hat. Charmant, aber nicht unbedingt zielführend.

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Trainer, bleib bei deinen Leisten!

Am Ende bleibt nur die Frage, ob der Trainer von Crystal Palace sich vielleicht doch besser auf das konzentrieren sollte, wofür er bezahlt wird: Fußball. Man kann die Weltpolitik sicherlich in vielen Dingen sehen, doch die Wahl in Österreich wird Crystal Palace nicht helfen, den Klassenerhalt zu sichern. Es mag ja sein, dass der Trend des Rechtspopulismus beunruhigend ist, doch ein noch beunruhigenderer Trend ist, dass seine Mannschaft kaum Tore schießt und stattdessen beständig in die Bedeutungslosigkeit der Premier League abrutscht.

Letztlich wird wohl keiner der Fans darauf hoffen, dass der Trainer nach dem nächsten verlorenen Spiel eine tiefgehende Analyse der politischen Lage in Ungarn oder Polen liefert. Die einzige Analyse, die wirklich zählt, ist die des Spielfelds. Und bis er das versteht, bleibt nur ein Ratschlag, der schon seit Jahrhunderten Bestand hat: Schuster, bleib bei deinen Leisten – oder in diesem Fall: Trainer, bleib beim Fußball!


Weiterführende Links und Quellen:

  • Artikel über den Rechtspopulismus in Europa: [Link zum Artikel]
  • Analyse der Formschwäche von Crystal Palace: [Link zum Artikel]
  • Diskussion über die Rolle von Social Media im Fußball: [Link zum Artikel]
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