Steuermelken leicht gemacht

Es ist ein stets erfrischendes Vergnügen, wenn kluge Köpfe aus den heiligen Hallen der ökonomischen Weisheit mit neuerlichen Vorschlägen zur fiskalischen Gesundung der Republik ins Rampenlicht treten. Jüngst durfte sich der geneigte Zuhörer der „Pressestunde“ des ORF wieder einmal an der unerschütterlichen Logik erfreuen, mit der uns die wirtschaftliche Elite unseres Landes die Welt erklärt. Holger Bonin, IHS-Chef und somit ein Mann von unbestreitbarer Sachkenntnis, sprach dort aus, was sich so mancher in Regierungsverantwortung wohl nicht offen zu sagen traut: Die Staatsfinanzen sind zu sanieren, und zwar mit tatkräftiger Unterstützung von Ländern, Kommunen und – überraschenderweise – auch von privaten Haushalten.

Die Bösen haben Geld – das kann so nicht bleiben

Nun mag der naive Zeitgenosse an dieser Stelle verwundert die Stirn runzeln und sich fragen: „Moment mal, wer sind eigentlich diese privaten Haushalte?“ Eine berechtigte Frage, denn die Bezeichnung wirkt so abstrakt, so technisch-nüchtern, dass man glatt übersehen könnte, dass es sich dabei um nichts anderes als den gemeinen Bürger handelt – jenes Wesen also, das seine bescheidenen finanziellen Rücklagen in dunklen Zeiten eher für existenzielle Dinge wie Miete, Strom oder gar (höchst luxusverdächtig!) ein Schnitzel mit Erdäpfelsalat zur Seite legt.

Doch Halt! Dieser Tage vernehmen wir aus berufenem Munde, dass „die Menschen aktuell mehr Geld zur Verfügung haben“, während gleichzeitig die Wirtschaftsleistung geschrumpft sei. Ein Skandal! Ein unfassbares Missverhältnis! Menschen haben mehr Geld? Wie kann das sein? Wo bleibt hier der wirtschaftliche Anstand? Und, was noch schwerer wiegt: Warum ist das Geld nicht längst auf den Konten des Staates gelandet, wo es doch viel sinnvoller und effizienter eingesetzt werden könnte?

Die Milchkuh als Schicksalsmetapher – Ein Leben im Dauermelkvorgang

Wenn ein Politiker von „Geld, das die Menschen zur Verfügung haben“, spricht, dann ist dies etwa so, als würde ein Metzger „Rinder, die noch am Leben sind“, kommentieren. Es impliziert eine gewisse Unordnung, einen Missstand, den es zu korrigieren gilt. Denn dass der Bürger plötzlich mehr Geld besitzt, ist in der Logik staatlicher Finanzpolitik ungefähr so akzeptabel wie ein Torwart, der die falsche Mannschaft unterstützt. Ein grober Regelverstoß gegen das Gleichgewicht der Haushaltszahlen, der schleunigst geahndet werden muss.

TIP:  Streaming – Das neue Rauchen

Doch keine Sorge, die helfende Hand des Fiskus ist bereits erhoben, bereit, den Bürger von seinem unangebrachten Reichtum zu befreien. Und was wäre schließlich fairer als eine gerechte Umverteilung der Mittel – und zwar von unten nach oben, dorthin, wo kluge Ökonomen und umsichtige Politiker sich ihrer sinnvoll annehmen können? Es gilt, Lücken zu stopfen! Haushaltslöcher müssen geschlossen werden! Und das gelingt am besten, indem man Menschen zur Kasse bittet, die ohnehin kaum eine Wahl haben.

Die Krise als Chance – für den Staatshaushalt

Da sich also die Mär von der maroden Staatskasse erneut in den Vordergrund drängt, bleibt es nicht aus, dass altehrwürdige Strategien aus der Mottenkiste geholt werden. Und die bewährteste von allen ist natürlich jene, die beim Otto Normalverbraucher ansetzt: „Da wird man ranmüssen.“ So einfach, so klar, so alternativlos. Doch immerhin – und das ist ja fast schon lobenswert – sagt man es dieses Mal mit einer entwaffnenden Offenheit. Keine Phrasen, kein schöngerädeter Sozialstaat-Talk, sondern eine Art ungeschminkte Wahrhaftigkeit: „Geld her, jetzt!“

Dabei wäre doch noch eine ganz andere Möglichkeit denkbar gewesen. Man hätte vielleicht den Gedanken wagen können, die Schrumpfung der Wirtschaftsleistung nicht als bloßes Defizit zu begreifen, das nun von unten ausgeglichen werden muss, sondern als Anreiz, dort einzuhaken, wo es strukturelle Versäumnisse gab. Vielleicht wäre es ja von Vorteil gewesen, über Anreize für Wirtschaftswachstum nachzudenken, statt reflexartig die Belastung der ohnehin schon stark gebeutelten Haushalte ins Spiel zu bringen. Vielleicht. Aber das wäre natürlich eine ganz andere Geschichte.

Fazit: Immer mehr nehmen, immer mehr geben – solange es nicht die Falschen trifft

Und so bleibt nur ein bitteres Fazit: Der österreichische Staat gleicht einem passionierten Jäger, der seine eigene Herde zähmt, füttert und schlachtet, stets in der Überzeugung, dass das Wild keinen anderen Zweck haben kann, als seiner Verwertung zu dienen. Der Bürger hat Geld? Dann hat er es wohl übersehen, abzuliefern. Und da wird man ranmüssen.

TIP:  Im Fluss der Gewinne

Also, liebe Leserinnen und Leser: Genießt euer verbleibendes Geld, solange es noch geht – und merkt euch eins: Immer wenn man euch einredet, ihr hättet mehr Geld zur Verfügung als zuvor, dann ist das keine freudige Nachricht, sondern eine Vorwarnung. Die Kassen sind offen, aber nicht für euch.

Please follow and like us:
Pin Share