
Normalerweise machen Hersteller Werbung für ihre Produkte. Sie preisen ihre Nützlichkeit an, ihre Qualität, ihre bahnbrechende Technologie. Manchmal wird sogar ein bisschen geflunkert – das Auto hält dann doch nicht ewig, das Handy ist in zwei Jahren ein langsamer Schrotthaufen, und die revolutionäre Diätpille führt eher zu revolutionärem Heißhunger. Doch Hersteller von Kriegsgeräten? Die machen keine Werbung. Die fordern. Sie begehren. Sie flehen quasi darum, dass ihre Innovationen endlich zur Anwendung kommen – mit dem kaum verhohlenen Unterton: „Macht doch endlich Krieg, verdammt noch mal!“
Und so fordert die Firma Helsing, die sich auf militärische KI-Technologie und Drohnensysteme spezialisiert hat, nichts Geringeres als einen „Drohnenwall“ an der NATO-Ostflanke. Eine Mauer aus fliegenden Robotern, eine Festung aus algorithmischer Wachsamkeit, ein Bollwerk gegen das drohende Unheil aus dem Osten. Natürlich – rein zufällig – ist Helsing bereits bestens darauf vorbereitet, diesen Bedarf zu decken. Wobei „Bedarf“ hier wohl eher ein rhetorischer Kniff als eine real existierende Notwendigkeit ist.
Die Logik der Aufrüstung: Vom Nutzen zum Zwang
Man kennt das Prinzip aus anderen Branchen: Der Energydrink-Hersteller informiert uns eindringlich darüber, dass ohne seine koffeinhaltigen Zuckerbomben die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung dramatisch sinken könnte. Der Brillenhersteller Fielmann argumentiert, dass Soldaten an der Front eine Zweitbrille brauchen – falls der erste Sehbehelf im Getümmel verloren geht. Und die Hersteller von kugelsicheren Westen werben nicht etwa mit Schutz, sondern mit der Frage: „Wollen Sie etwa sterben?“
Helsing geht da natürlich einen Schritt weiter. Es wird nicht mehr nur argumentiert, dass Drohnen nützlich seien. Nein, sie sind jetzt essenziell. Alternativlos. Wer nicht sofort zigtausend Einheiten ordert, handelt fahrlässig, setzt Europa einer untragbaren Gefahr aus, ist möglicherweise sogar ein Komplize des Gegners! Wir haben diesen Logik-Kreislauf bereits erlebt: Erst sind Waffen eine „Abschreckung“, dann eine „Sicherheitsmaßnahme“, dann eine „Präventionsstrategie“ – und schließlich eine „verantwortungsvolle Pflicht“. Am Ende liegt dann eine ganze Region in Schutt und Asche, und der Hersteller zieht Bilanz: „Das war ein erfolgreicher Monat!“
Von der Drohne zur Utopie: Ein Europa voller fliegender Maschinen
Doch träumen wir einmal mit den Herren und Damen von Helsing. Stellen wir uns ihr Europa vor, durchzogen von einem lückenlosen Netz aus Drohnen, die wie emsige Bienen den Himmel bevölkern. Immer auf der Hut, immer bereit. Sie erkennen Gefahren, bevor sie entstehen. Sie alarmieren die Bevölkerung, bevor die Bedrohung real wird. Sie greifen ein, bevor ein Gegner auch nur den Finger am Abzug hat. Sie patrouillieren über unseren Wäldern, Städten und Vorgärten, damit die Sicherheit nicht mehr von menschlichem Versagen abhängig ist. Und irgendwann? Irgendwann brauchen wir vielleicht gar keine Menschen mehr.
Denn warum noch Soldaten ausbilden, wenn es autonom ablaufende Kampfmechanismen gibt? Warum noch Grenzen durch Grenzposten sichern, wenn eine KI das effizienter erledigen kann? Warum noch politische Diskussionen führen, wenn die Algorithmen bereits errechnet haben, was am besten für uns alle ist?
Ein Europa, geschützt durch Helsing-Technologie – eine vollautomatisierte, gesicherte Zukunft, in der sich niemand mehr Sorgen machen muss. Klingt verlockend, oder?
Oder doch eher nach einer Dystopie, in der nicht nur die Freiheit, sondern auch der gesunde Menschenverstand still und heimlich zu Grabe getragen wird?
Der Markt entscheidet: Krieg als Wirtschaftszweig
Helsing ist nicht das Problem. Helsing ist die logische Konsequenz eines Systems, in dem Krieg nicht mehr eine Notwendigkeit ist, sondern ein Geschäftsmodell. Eine Industrie, die nicht aufhören kann, neue Bedrohungen zu erfinden, weil sie sonst selbst überflüssig wird. Ein Markt, der nicht nur Waffen verkauft, sondern auch die Narrative, die ihren Einsatz rechtfertigen. Eine Maschinerie, die sich selbst füttert – mit Ängsten, Feindbildern und der Hoffnung, dass der nächste Konflikt doch bitte nicht zu früh vorbei sein möge.
Und so fordert Helsing einen Drohnenwall. Morgen fordert ein anderer Hersteller etwas anderes. Und irgendwann fordern sie nicht mehr – sondern liefern einfach. Weil wir uns so sehr an ihre „Notwendigkeit“ gewöhnt haben, dass wir gar nicht mehr merken, wie tief wir bereits in ihrem perfiden Spiel stecken.
Denn eines ist sicher: Wer heute Drohnen bestellt, braucht morgen eine Rechtfertigung für ihren Einsatz. Und übermorgen eine neue Bedrohung, die noch mehr Drohnen erfordert. Willkommen im endlosen Kreislauf der Rüstungslogik. Möge der Beste gewinnen – oder besser gesagt: Möge derjenige mit der größten Produktionskapazität triumphieren.