Feldspital statt Biergarten

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach fordert ein deutschlandweites Programm zur Vorbereitung der medizinischen Versorgung auf einen möglichen Kriegsfall. „Denn eine intakte Gesundheitsversorgung ist für die Verteidigung eines Landes ebenso wichtig wie die Bundeswehr.“

Man reibt sich die Augen und fragt sich, ob man noch im richtigen Film ist. Deutschland, die Nation der Biergärten, der Sauerkrautromantik und der Kuckucksuhren, rüstet sich für den Ernstfall. Nicht mit neuen Bierkrügen oder innovativen Weißwurstrezepten, sondern mit Feldlazaretten und Notfallchirurgen, die sich auf blutige Szenarien vorbereiten, die bisher nur in dystopischen Netflix-Serien und den Albträumen der 80er-Jahre-Generation vorkamen.

Sicherheit ist Krieg

Viele verwechseln Sicherheit mit Krieg, haben Angst vor Atomschlägen auf Paris und Berlin, schreien daher „nachrüsten“ und kaufen Rheinmetall-Aktien. Die europäische Politik hat sich in eine Kriegs-Hysterie hineingesteigert, aus der sie offensichtlich nicht mehr herauskommt. Aufrüsten, militarisieren, auf Krieg vorbereiten – das ist der neue Dreiklang der sicherheitspolitischen Lyrik.

Statt in die Zukunft zu investieren, in Bildung, Klima und soziale Gerechtigkeit, wird nun die medizinische Versorgung kriegstauglich gemacht. Der bayerische Charme wird durch die sterile Atmosphäre von Notfallbetten und Verbandsmaterial ersetzt. Die Weißbierkelche klirren nicht mehr vor Freude, sondern in Panik vor dem nächsten Drohnenangriff.

Vom Chirurgen zum Krieger

Die Ärzte, die einst die Gicht des Stammtischbruders behandelten, sollen nun lernen, wie man Schrapnellwunden versorgt und Amputationen unter Artilleriebeschuss durchführt. Es ist die Renaissance der Feldchirurgie, nur diesmal nicht in den blutgetränkten Schützengräben Verduns, sondern in den sterilen Korridoren deutscher Krankenhäuser.

Die Idee, die medizinische Infrastruktur kriegsfähig zu machen, ist dabei ebenso absurd wie bezeichnend für eine Gesellschaft, die sich in ihrer eigenen Paranoia verliert. Während Krankenhäuser wegen Personalmangels und Unterfinanzierung am Limit arbeiten, sollen sie nun auch noch die Rolle der medizinischen Fronttruppen übernehmen. Vielleicht sollten wir gleich die Notaufnahme in „Erste Verteidigungslinie“ umbenennen und den OP-Saal zur „Kommandozentrale für chirurgische Gefechtsführung“ ausbauen.

Vom Bürger zum Kombattanten

Die Militarisierung der Medizin ist nur ein Symptom einer viel größeren Krankheit: der schleichenden Transformation des Bürgers zum Kombattanten. Jeder wird zum potenziellen Soldaten, jedes Krankenhaus zum potenziellen Lazarett, jede Stadt zum potenziellen Kriegsschauplatz.

TIP:  Da muss man durch!

Und während die Politik die Bevölkerung auf den Ernstfall vorbereitet, sprießen die Survival-Shops und Prepper-Communities wie Pilze aus dem Boden. Der Bunkerbau boomt, das Einmachen von Gurken erlebt eine Renaissance, und in den Kellern wird fleißig an Selbstverteidigungskursen teilgenommen. Der zynische Witz: Während die Welt sich in die nächste Eskalationsspirale stürzt, verkauft der Kapitalismus noch den passenden Stahlhelm dazu.

Ein Land im Schatten seiner eigenen Angst

Bayern, das Land der Trachten, der Blasmusik und der Gemütlichkeit, mutiert zur Hochburg der sicherheitspolitischen Paranoia. Statt die Pflegekräfte besser zu bezahlen, baut man Feldspitäler. Statt in die psychische Gesundheit der Menschen zu investieren, bereitet man sich auf den Massenschock vor.

Doch wo bleibt die Satire, wenn die Realität selbst zur Karikatur wird? Wenn die Politik die Menschen in ein Szenario drängt, das sich nur noch durch Zynismus und Galgenhumor ertragen lässt?

Vielleicht sollten wir die Biergärten schließen und stattdessen Erste-Hilfe-Kurse mit Lederhose und Dirndl anbieten. Oder die Oktoberfestzelte in mobile Sanitätseinheiten umfunktionieren. Prost, Deutschland! Möge der nächste Krieg wenigstens mit einem gepflegten Weißbier beginnen.

Ein absurdes Theater ohne Exit

In Zeiten, in denen die Welt brennt, sollte man die Feuerwehr rufen, nicht die Brandbeschleuniger. Doch die Politik hat sich für Letzteres entschieden. Judith Gerlach und ihre Idee eines kriegsfähigen Gesundheitssystems sind nur der letzte Akt in einem absurden Theaterstück, das wir alle gezwungen sind, mit anzusehen.

Und während die Politik den Feldspital-Romantikern applaudiert, träumen wir heimlich von einem Land, in dem Gesundheit nicht als strategische Ressource, sondern als menschliches Grundrecht begriffen wird. Ein Land, in dem Biergärten wieder Orte der Lebensfreude sind – und nicht die Vorstufe zum mobilen Lazarett.

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